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CSSR: Bedrängte Kirche

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Rund drei Wochen nach der Tagung der regimetreuen Priestervereinigung „pacem in terris" in Brünn wird durch repressive Maßnahmen gegen praktizierende Katholiken und durch zahlreiche Pressekommentare in den CSSR-Medien immer deutlicher, daß die Regierung in Prag in der Religionspolitik weiter auf offensivem Kurs bleibt.

Der für Religionsfragen zuständige Kulturminister Milan Klu-sak hatte zwar auf dem Brünner Kongreß betont, daß sich Gläubige und Atheisten gleichermaßen an den „Errungenschaften des Sozialismus" beteiligen können. Er pries auch das angeblich „solide Verhältnis" zwischen Staat und Kirche in der Tschechoslowakei.

Der zweite Kongreß von ,Pacem in terris" wurde am 22. November in Bratislava (Preßburg) abgehalten. Hier sprach der slowakische Kulturminister Miroslav Va-lek davon, daß die Beziehungen zwischen Kirche und Staat und CSSR und Vatikan „in letzter Zeit nicht einfach gewesen sind". Vieles müsse daher verbessert werden - vor allem die „Bedingungen für die Arbeit der römisch-katholischen Priester".

Wie dies freilich in der Praxis aussieht, zeigen jüngste Berichte aus der CSSR, die auf Umwegen nach Wien gelangten. So wurde dem Pater Adam Rucki von der Kreisbehörde in Ostrava (Ostrau) die staatliche Genehmigung zur Ausübung des Priesteramtes mit der Begründung entzogen, er habe sich „zu viel um die Jugend" gekümmert.

Die Wahrheit ist, daß dank des unermüdlichen Einsatzes von Pater Rucki viele drogenabhängige und alkoholkranke Jugendliche in ein neues Leben zurückgeführt werden konnten. Ein Protestbrief des Prager Kardinals Frantisek Tomasek und des Olmützer Bischofs wegen der Entlassung des Priesters, der von 466 Gemeindeangehörigen mitunterzeichnet wurde, blieb erfolglos.

Die Ausübung des Priesteramtes wurde auch Pater Bohumil Si-tavanc in der Pfarre Nebovidy entzogen, weil er in Briefen an Eltern für den Besuch des Religionsunterrichtes geworben hatte. Diese Briefe wurden von den staatlichen Behörden als „illegale Schriften" und „Störungen des sozialistischen Familienlebens" klassifiziert.

Der Entzug der Erlaubnis zur Ausübung des Priesteramtes ist auch deswegen so dramatisch, weil der Priestermangel immer katastrophaler wird. In der CSSR wurden heuer nur 15 neue Priester geweiht, sieben in Olmütz, je zwei in Brünn, Prag und Königgrätz, je einer in Leitmeritz und im slowakischen Presov.

Die Zahl der unter Berufsverbot stehenden Priester beträgt etwa 500. Das alles führt dazu, daß etwa in der Diözese Königgrätz für die 477 Pfarrgemeinden nur 218 Priester zur Verfügung stehen, deren Durchschnittsalter immerhin fast 58 Jahre beträgt.

Die Zahl der Priesteramtskandidaten an den beiden theologischen Fakultäten der CSSR - eine im böhmischen Leitmeritz, die zweite in Preßburg — wird staatlich strikt begrenzt und kontrolliert: heuer waren in Preßburg 188 Priesterstudenten, in Leitmeritz 174.

Abgesehen vom Druck auf die Kleriker hält auch die Diskriminierung und Verfolgung bekennender Katholiken weiter an. Die slowakische Lehrerin Jana Micia-nova wurde wegen ihres Glaubens entlassen. Wegen „Diffamierung der Republik im Ausland" wurde von den CSSR-Behörden Anklage gegen die bekannte katholische Dichterin und Mutter von fünf Kindern, Ivana Kotria, erhoben. Ihr „Verbrechen" bestand darin, daß ein Mittelsmann ihre im Selbstverlag (Samisdat) erschienenen Gedichte nach Österreich bringen wollte.

Selbst das Tragen eines Kreuzes wird von der Parteizeitschrift „Tribuna", einem Hort der ideologischen Scharfmacher, bereits als „religiöse Propaganda" gewertet, zumal dann, wenn es in der Öffentlichkeit getragen wird.

Eine Verschärfung der Gangart zeichnet sich auch um die regimetreue Priestervereinigung „pacem in terris" ab, die bekanntlich vom Vatikan als nicht rechtmäßige kirchliche Organisation eingestuft wird.

Kulturminister Milan Klusak warnte auf dem Kongreß in Brünn: „All jene, die sich gegen die Aktivitäten dieser Vereinigung stellen oder sie verleumden, sollten bedenken, daß sie damit dem Interesse der katholischen Kirche schaden. Wir werden uns nicht unter Druck setzen lassen und die Vereinigung auch in Zukunft voll unterstützen."

Noch deutlicher wurde Dr. Ha-jek vom Staatssekretariat für Kirchenangelegenheiten in einer Darstellung für die Zeitschrift „Narodni vybory". Nur diejenigen, die dem Staat als zuverlässig gelten und die Bedingungen für die Aufnahme in den Staatsdienst erfüllen, dürften ein Priesteramt ausüben. Die Zugehörigkeit zu „pacem in terris" sei eine gute Empfehlung.

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