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CV in Mariazell: Besinnliche Akzente

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Die im CV zusammengeschlossenen katholischen farbentragenden Studentenverbindungen setzten auf ihrer Versammlung im Wallfahrtsort Mariazell wieder eine Reihe besinnlicher Akzente: Startschuß für eine einjährige Diskussionsphase zum neuen und gleichzeitig ersten Grundsatzprogramm des Cartellver- bandes, gleichzeitig ein mehr als nur neugieriges Interesse dokumentierendes Engagement für die Freiheit der Ostkirche. Daneben, aber nicht „nur am Rande“, eine geistig-intellektuelle Neuformierung als Resultat der zuerst schmerzhaft, nun aber großteils heilsam empfundenen „Machtaskese“ im politischen Bereich.

Im Zeichen des Engagements für die Ostkirche stand auch die ÖCV-WalU fahrt, aus deren Anlaß der nach Paris emigrierte sowjetische Bürgerrechtskämpfer Wladimir Maximow zu einer Kundgebung vor die Mariazeller Basilika gekommen war. Eine aus dem innersten seines Herzens kommende Absage erteilte er allen, die meinen, Kommunismus, Faschismus oder Marxismus seien in irgendeiner Form mit dem Christentum unter einen Hut zu bringen.

„Das bemerkenswerte Paradox unserer Epoche besteht darin, daß die immer mehr von der Kirche abfallende demokratische Welt, übersättigt vom materiellen Komfort und von der politischen Eigenwilligkeit, zu einer Wiege neuer Sklaverei zu werden droht, während zur gleichen Zeit in der totalitären Hölle, durch das erdrückende Spinnennetz der Lüge und Zensur, durch die Betonmauem der Gefängnisse und den Stacheldraht der Kon zentrationslager, durch die Finsternis und den Schatten die Zweige einer neuen Freiheit wachsen.“ Wladimir Maximow hofft auf eine neue „Epoche der Menschenrechte“, die von US-Prä- sident Carter verkündet wurde und als Epoche der sittlichen Revolution nicht nur für Amerika, sondern für die ganza gegenwärtige Welt zu verstehen sei.

„Indem er die verkrustete Psychologie des amerikanischen Establishments zerschlägt, das schon längst seinen Frieden mit dem eigenen Gewissen und der internationalen Tyrannei gemacht hat, hat der neue Präsident uns zu den prinzipiellen Grundlagen der christlichen Zivilisation zurückaeführt“, lobt

Maximow Amerikas Präsidenten Jimmy Carter: „Zur Brüderlichkeit, Barmherzigkeit und der wahren Gerechtigkeit. Die Folgen der Anwendung dieser Prinzipien in der internationalen Politik kann man schwerlich überschätzen, und wenn Präsident Carter sie konsequent durchführt - dann werden wir noch zu Lebzeiten der jetzigen Generation zu dankbaren Zeugen einer wahrhaft revolutionären Verwandlung des Planeten werden.“ In einer Resolution bringt der Car- tellverband zum Ausdruck, daß er im Wallfahrtsort Mariazell, „der in der Vergangenheit Stätte des gemeinsamen Gebetes für die Völker der Donauländer war“, seine Solidarität mit allen Christen in den kommunistischen Ländern Osteuropas bekunden wolle: „Der ÖCV ist der Auffassung, daß die Solidarität der Katholiken mit den Christen des Ostens stärker zum Ausdruck kommen muß. Die Kontakte müssen auf allen Ebenen verstärkt werden. Der ÖCV wendet sich an die österreichische Jugend, in dem von ihm initiierten Ostkomitee mitzuarbeiten.“

Bei allem Interesse für die Lage der Ostkirche ging der Carteilverband in Mariazell aber an den in Österreich anstehenden gesellschaftspolitischen Problemen nicht mit geschlossenen Augen vorüber. Eine zweite Resolution zum Familienrecht drückt die Sorge aus, Freiheit und Würde des Menschen seien auch im Österreich von heute bedroht, zumal der Sozialismus immer stärker versuche, „alle Lebensbereiche der Verfügungsgewalt des einzelnen zu entziehen“. Die Entwicklung zum Versorgungsstaat führe zu einer weitgehenden Lähmung der Eigeninitiative.

In diesem Zusammenhang unterstreicht der CV die existentielle Funktion der Familie und fordert die volle Anerkennung ihrer Leistungen und Aufgaben durch Staat und Gesellschaft. Konkret fordert der CV: Die Neufassung des Familienrechts müsse zur Stärkung von Ehe und Familie führen, die Stellung der Frau und Mutter sollte von der Gesellschaft positiv beurteilt werden, der Familienlastenausgleich schließlich dürfe ausnahmslos nur zur Förderung der Familie eingesetzt werden. Die Einführung einer verpflichtenden Ganztagsschule wird grundsätzlich abgelehnt, als primärer Ort der Entfaltung der Anlagen des Kindes wird die Familie und nicht die Schule angesehen.

Wenngleich sich der Carteilverband in parteipolitischer Hinsicht keinesfalls selbst festnageln will, sondern im Gegenteil das Verhältnis zu den politischen Parteien als einem dynamischen Prozeß unterworfen betrachtet, plädiert er für die Konzentration aller Kräfte in jener Partei, „die sich bewußt zu einem christlichen Menschenbild bekennt und durch ihre Repräsentanten die Voraussetzung für die Verwirklichung christlicher Grundsätze bildet.“

Mehrfach wurde auf der Mariazeller Tagung des CV auch der in letzter Zeit immer öfter hörbare Ruf nach „gemeinsamem Vorgehen aller Katholiken“ laut. Wie notwendig dieses gemeinsame Vorgehen ist, signalisierte auch die gewisse Unsicherheit, die seltsamerweise mit einer Fülle geistiger Inhalte Hand in Hand einherging. Eine Unsicherheit, die merkwürdige Zweifel aufkommen läßt, ob das, was gerade diskutiert wird, in der Öffentlichkeit wohl auch gut, nicht mißverständlich oder bewußt verunstaltet, über die Rampe kommt.

Ein wenigstens ansatzweise verfaßter, koordinierter Katholizismus, der zeigt, „wo es ’lang geht“, könnte helfen, zumindest einen Teil dieser Zweifel zu beseitigen.

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