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„DA HAB ICH IHR SCHON

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Die Studie „Ursachen und Folgen von Gewaltanwendung gegenüber Frauen und Kindern" wurde von Bundeskanzler Franz Vranitzky angeregt und von der Österreichischen Nationalbank (Jubiläumsfonds), dem Bundesministerium für Frauenangelegenheiten sowie dem Fonds des Bundeskanzlers „Wider die Gewalt" Finanziert, ihre Ergebnisse werden demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt.

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Die Studie „Ursachen und Folgen von Gewaltanwendung gegenüber Frauen und Kindern" wurde von Bundeskanzler Franz Vranitzky angeregt und von der Österreichischen Nationalbank (Jubiläumsfonds), dem Bundesministerium für Frauenangelegenheiten sowie dem Fonds des Bundeskanzlers „Wider die Gewalt" Finanziert, ihre Ergebnisse werden demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt.

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Empirische und theoretische Analysen der genannten Problembereiche sollten Aufschluß über Hintergründe und Zusammenhänge der Gewaltanwendung geben und Grundlagen für Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung liefern.

Die qualitative Erhebung untersuchte 83 Paare oder Familien, in denen Gewalt gegen Frauen und/oder Kinder ausgeübt wurde, mittels Tiefeninterviews. Sie kommen aus unterschiedlichen Lebenszusammenhängen, was Alter, Bildung, Beruf, Einkommen betrifft. Die Altersstreuung der Befragten bewegt sich zwischen 16 und 74 Jahren, das Durchschnittsalter ist 35 Jahre.

Ein zentrales Thema bildeten die Motive der Täter: „In unserer Studie haben wir den lebensgeschichtlichen Hintergrund der männlichen Täter, die Gewalt gegen Frauen oder sexuelle Gewalt gegen Kinder ausgeübt haben, zu einem zentralen Thema gemacht. Das unterscheidet diese Studie von anderen zum gleichen Thema." (Pressepapier vom 1. Juli 1992)

Eine - vielleicht lapidar scheinende - Erkenntnis sei gleich vorweggenommen: Den Täter, das Opfer, die Gewaltsituation, die Mißhandlungsbeziehung gibt es nicht! Männliche Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen ist nicht a priori ganz bestimmten Personen, sozialen Gruppen und Lebenssituationen zuzuordnen. Herkunft, Ausbildung und soziale Situationen der Befragten sind zu verschieden, um hier lineare Kausalzusammenhänge zu orten.

Zusammenhänge mit gesellschaftlich begründeten Voraussetzungen, die Gewalt gegen Frauen begünstigen, sind allerdings nicht zu übersehen. Unklare Normen, die Gewalt als akzeptierte Handlungsmöglichkeit in bestimmten Situationen und für bestimmte Personen inkludieren, und die Verharmlosung von bestimmten Gewaltformen (beispielsweise Ohrfeigen, Drohungen) sorgen für Rechtfertigungen der Täter und Verunsicherungen der Opfer.

Frau I. hat in ihrer Familie und in ihrer Umgebung gelernt, daß Gewalt in gewissem Ausmaß „dazugehört". „... und han i ma denkt, daß der des alles tuan derf...", erinnert sie sich rückblickend an die ersten Gewalthandlungen ihres Ehemannes.

Herr S. hat gelernt, sich als strafende Instanz seiner Frau gegenüber zu sehen, die das Recht hat, mißbilligtes Verhalten gewaltsam „auszutreiben". „Das hab ich ihr abgewöhnt, da hab ich ihr schon Ohrfeigen geben müssen - notgedrungen ", erklärt er mit der größten Selbstverständlichkeit.

Das Diktat der traditionellen Rollenbilder und -erwartungen sowie die allgemeine Minderbewertung des Weiblichen in unserer Gesellschaft verführen einerseits dazu, die (gegebenenfalls auch gewaltsam durchzusetzende) Herrschaft des Mannes über die Frau zu legitimieren.

„ Und nacha muaß i sagn, der Herr im Haus bin allwei no i, und wenn sie mirfolgn tat so wia i's habn will..." Diese Einstellung entspringt sicher nicht Herrn C.'s Phantasie, wir müssen uns vergegenwärtigen, daß sie vor nicht allzulanger Zeit Rechtsgrundlage der Ehe war.

Andererseits verursachen die Rollenstereotype für viele Männer massive Konflikte in ihrer Identitätsentwicklung, die die Bekämpfung alles „Weiblichen" in und um sich zur Folge haben können.

Herr G. betont „Ich bin weibisch erzogen worden ", obwohl er im gleichen Atemzug seine alleinerziehende Mutter ob ihres strengen Regimentes den Kindern gegenüber anklagt. Die Angst, nicht männlich genug zu sein, führt zu einer weitverbreiteten Strategie überkompensiert „männlichen" Verhaltens: Männliches Selbstgefühl wird durch massive Abwertung von Frauen und von sogenannten „weiblichen" Eigenschaften (gemäß dem Diktat der von der Umgebung geforderten „Männlichkeit") aufgebaut.

Auch wenn diese allgemeinen Normen prinzipiell auf alle Männer und Frauen wirken, so werden sie doch in unterschiedlich starkem Ausmaß und mit unterschiedlicher Ausschließlichkeit verinnerlicht. Zusätzliche persönliche oder situative Faktoren bestimmen das Ausmaß und die Arten der Gewalt.

Die Ursprungsfamilien unserer Täterstichprobe lassen zwei unterschiedliche Hauptmerkmale erkennen:

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