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Da zehn Kühe, dort ein Lift

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Trotz der vor kurzem in einer Umfrage der Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft festgestellten Bereitschaft der Österreicher zur Entwicklungshilfe (FURCHE 26/1981), liegt unser Land mit 0,23 Prozent des Bruttonationalproduktes unter 17 westlichen Industrieländern nur an drittletzter Stelle.

„Schließlich stehen wir ja erst am Anfang der UN-Entwicklungsde- kade“, deren Ziel Zuwendungen an die Dritte Welt von 0,7 Prozent sind, tröstet Adolf Nussbaumer, der zuständige Staatssekretär im Bundeskanzleramt, und verweist auf die sonst eben starke Präsenz unseres Landes in der weltpolitischen Arena. Man wisse dort die Rolle Österreichs als Vermittler sehr wohl zu schätzen.

Deshalb kämen Vorwürfe wegen zu niedriger Beitragsleistungen Österreichs auch nicht von seiten der ärmsten Staaten der Welt, sondern von Industrieländern. Im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, „die zwar brav zahlen, aber politisch kaum präsent sind“ (Nussbaumer), helfe die kleine Alpenrepublik der Dritten Welt eben durch Initiativen auf internationalen Konferenzen, die indirekt schließlich auch Vorteile brächten.

Während Nussbaumer als Regierungsvertreter die Erfolge der österreichischen Entwicklungspolitik in den Vordergrund schiebt, fordert der zuständige Oppositionsabgeordnete Heribert Steinbauer eine Ausweitung der Budgetmittel: „100 Millionen könnten schlagartig aufgetrieben werden, wenn man für Subvention 83 Milliarden zur Verfügung hat… “

Außerdem setzt sich Steinbauer fiir die Konzentrierung der Mittel auf wenige kleine Staaten mit „österreich“- ähnlicher landschaftlicher Struktur ein. Beispielgebend für uns sollte die Entwicklungshilfe der Niederlande sein, wo 70 bis 80 Prozent der Mittel auf zwei, drei vergleichbare Länder entfallen und der Rest für jeweilige Sonderaktionen zur Verfügung steht.

Dadurch wäre es auch möglich.

durch längerfristige Planung echte infrastrukturelle Verbesserungen zu erreichen. In der bisherigen Streuung der finanziellen Mittel auf etwa 30 Länder vermutet Steinbauer den Vorteil für durchreisende Minister, „freundliche Geschenke hinterlassen zu können: Da zehn Kühe, dort einen Schilift.“ Mit Effektivität habe das aber wenig zu tun.

Die Tendenz, vielen kleine Gabe zu gewähren, bestätigt auch der zuständige Staatssekretär. Da Österreich infolge der aktiven Außenpolitik seines Bundeskanzlers im Bewußtsein der Dritten Welt immer präsent ist, wird deshalb auch oft genug bei uns angeklopft.

Als Quasi-Idealfall für ein Zielland der österreichischen Entwicklungshilfe sieht Steinbauer Nepal. In dem Himalaja-Kleinstaat mit etwa 14 Millionen Einwohnern könnte Österreichs Know- how zum Beispiel bei der Aufzucht von Rindern oder Getreidesorten sinnvoll angewandt werden.

Keinesfalls dürfe man aber die Situation des jeweiligen Landes außer acht lassen: Wenn man Straßen baut, mit deren Hilfe ein LKW dann zehn Trägern die Arbeit wegnimmt, bedeutet das zwar einen enormen technischen Fortschritt, aber die Erleichterung ist fest an den (rapide steigenden) Treibstoffpreis gebunden und stellt sich bald als Bumerang heraus. Außerdem geht Arbeit verloren.

Intensive bilaterale Kontakte würden die Entwicklungshilfe auch auf eine andere Ebene verlagern. Statt Almosenempfänger könnte eine echte Partnerschaft zwischen gleichberechtigten Ländern entstehen. Es sei endlich an der Zeit, daß die „alten Kolonialpreise“ (Steinbauer) dem wahren Wert der Rohstoffe angepaßt werden. Die daraus entstehenden Verteuerungen können auf lange Sicht ohnedies nicht vermieden werden.

Bei der Auswahl der Zielländer für die österreichische Entwicklungshilfemittel reiht Staatssekretär Nussbaumer die ärmsten Länder der Welt, für

„die wir bisher viel zu wenig tun", an die erste Stelle. Der Rest wird, je nach Bedarf, vor allem an kleine Staaten verteilt. Traditionelle Empfängerländer sind Ägypten, Tunesien, Kenia, Zam- bia und Tansania in Afrika, Mexiko, Nikaragua, Guatemala und die kleinen Andenstaaten in Amerika, Nepal, die Philippinen, Butan und auch Vietnam in Asien.

Bei der Finanzierung von Projekten wird auch berücksichtigt, inwieweit damit menschliche Grundbedürfnisse befriedigt werden und die Bevölkerung auch wirklich Nutzen daraus ziehen kann. Ein für Entwicklungsländer relativ günstiges, die Menschenrechte eini- germaßsen respektierendes System erscheint erst als drittes Entscheidungskriterium.

„Wenn wir an Vietnam Traktoren oder an Kuba technische Einrichtungen zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen liefern, kommt dies sicherlich in erster Linie der Bevölkerung zu Gute und hilft den jeweiligen Regimen weder politisch noch militärisch“, rechtfertigt Nussbaumerderartige Projekte.

Betrachtet man die öffentliche Entwicklungshilfe Österreichs 1980 genauer, zeigt sich, daß von den knapp 2,25 Milliarden Schilling ein gutes Drittel auf Budgetmittel entfällt, während knapp die Hälfte Exportkredite ausmachen. (Um als Entwicklungshilfe anerkannt zu werden, muß der Schenkungsanteil bei letzteren mindestens 25 Prozent betragen.) Der Rest kommt aus dem ERP-Fonds, aus den Kassen der Bundeskammer, der Bundesländer. Fast 13 Millionen Schilling steuerte die Bundesregierung noch in Form der Katastrophenhilfe an Entwicklungsländer bei.

Für 1981 erwartet Staatssekretär Nussbaumer in etwa gleich hohe Budgetmittel, während die Exportkredite leicht steigen dürften. Hier müsse man erst abwarten, welche Projekte von der Wirtschaft cingereicht werden.

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