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Dämme gegen die Sünden der Vergangenheit?

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Die Donau ist Teil eines komplizierten Wassersystems. Das durch den Schotterkörper zu beiden Seiten des Flusses fließende Wasser ist mengenmäßig mehr als die sichtbare Wasserführung des Stroms. Das unterirdische Wassersystem umspült beispielsweise den Bisam berg. Fließgeschwindigkeit und Geschiebekraft der Donau verleihen ihrGebirgsflußcharak-ter. Im Wiener Raum beträgt die Geschwindigkeit acht bis zwölf Stundenkilometer. Die von Umweltstadtrat Michael Häupl geäußerte Ansicht, „Die Fließgeschwindigkeit ist jetzt schon so gering, daß die Schwermetalle absinken", ist falsch - die Geschwindigkeit wurde nie abgesenkt. Durch die Stauhaltung jedoch würde sich jene Geschwindigkeitsabsenkung ergeben, die den Anstieg der Schwermetallbelastung nach sich ziehen müßte. Dieses Phänomen ist weltweit bekannt und durch zahlreiche Beispiele belegbar.

Jeder Eingriff in ein derartig kompliziertes Wassersystem ist ein heikles Unterfangen. Niemand kennt die unterschiedlichen unterirdischen Wasserbewegungen im Detail. Auf kleinstem Raum treten verschiedene Strömungsrichtungen auf, die einem natürlichen Änderungsprozeß unterworfen sind.

Um die Stauhaltung des Kraftwerks Wien-Freudenau überhaupt erst zu ermöglichen, muß eine Abspundung des Flußbetts zu beiden Seiten vorgenommen werden. Das bedeutet eine Abdichtung durch die verschiedenen Schotterschichten bis zum pannoni-schen, aus dem Tertiär stammenden Tegel, der in etwa dreißig Meter Tiefe liegt.

Wie den Niederschriften über die Behördenbesprechungen und den Verhandlungsschriften über die wasserrechtlichen Verhandlungen zu entnehmen ist, besteht bei der Komplexität der Materie über weite Strek-ken noch keine klare Vorstellung, wie die Abdichtung in den einzelnen Bereichen tatsächlich aussehen soll. Angesichts der Mischnutzung des Donauraums verständlich. Gewässer sollen als Freibad weiter zur Verfügung stehen, die Grundwasserwerke der Gemeinde Wien - zumindest teilweise - weiterhin funktionieren, die Grundwasserbewirtschaftung für den 2. und 20. Bezirk den öffentlichen Interessen entsprechen.

Die Verhandlungsprotokolle halten daher ausdrücklich fest, daß einzelne Projektabschnitte „nur den Charakter einer Vorinformation" aufweisen. „Zusätzlich erschwerend für die Beurteilung der geplanten Maßnahmen erwies sich die Tatsache, daß die zu einigen Projektabschnitten vorgelegten Operate mehrere Durchführungsvorschläge beinhalten. Es war somit nicht immer klar ersichtlich, inwieweit seitens der Konsenswerbe-rin den dargestellten Absichten konkret gefolgt, bzw. welche der beschriebenen Maßnahmen als Fremdprojekt oder auf speziellem Wunsch Dritter realisiert werden soll." (Gutachten des Amtssachverständigen fürGrundwas-serwirtschaft Otto Vollhofer).

Die Oberste Wasserrechtsbehörde hat daher der DoKW mit Bescheid den Auftrag erteilt, einen wasserwirtschaftlichen Rahmenplan auszuarbeiten, der teilweise auch erstellt worden ist. Im Gutachten des Amtssachverständigen steht daher: „Der Rahmenplan läßt den Vorschlag konkreter Maßnahmen zur Erzielung des erforderlichen Interessenausgleich vermissen." Angeboten wurde die Einhaltung des „derzeitigen Zustands", der nicht nur in den Praterauen, im Bereich der Neuen und Alten Donau, sondern auch vom grundwasserwirtschaftlichen Standpunkt als äußerst unbefriedigend eingestuft werden muß.

Ungeklärt bleibt auch die Frage, was unter „derzeitigem Zustand" verstanden werden muß. Handelt es sich um die Beibehaltung aktueller Wasserhaushaltsparameter oder um deren Mittelwerte der letzten zehn, zwanzig oder fünfzig Jahre? In welchem Ausmaß werden Entwicklungstendenzen berücksichtigt?

Abschätzbar ist: Die Abspundung der Donau beginnt in Freudenau und endet bei Klosterneuburg. Über den Abichtungen erfolgen die Dammschüttungen, die den Blick auf den Fluß verstellen. Anschauliches Beispiel für eine derartige Gestaltung sind die Dammschüttungen entlang der Donau oberhalb von Melk. Es ist eine Frage der Sichtweise, ob einem solche Kunstlandschaften gefallen oder nicht.

Problematischer ist im Wiener Bereich die Vielzahl von Altlasten und Verdachtsflächen. Durch die Änderung im Grundwassernetz kann niemand prognostizieren, welche Auswirkungen auf die Alte und Neue Donau zu verzeichnen sein werden.

Gegenwärtig erfolgt die Durchströmung der Alten Donau normal zu den Grundwasserschichtlinien (SW-NO). Die im Juni 1987 vorgenommene Analyse zeigte eine Einströmung von 1,494.700 Kubikmeter pro Monat. Bei einem Gesamtvolumen von etwa 4,400.000 Kubikmeter Wasser der Alten Donau entspricht dieser Zufluß einer Regenerationszeit von drei Monaten. Bei einem Anstieg des Wasserpegels der Neuen Donau um bloß fünfzig Zentimeter ist der Wasseraustausch der Alten Donau in ein bis zwei Wochen abgeschlossen. Pegeldifferenzen um fünfzig Zentimeter sind bei der Donau häufig.

Durch die Abspundung der Neuen Donau wird sich das Grundwassersystem ändern. Die Altdeponie Donaupark, auf der auch teilweise die UNO-City steht, ist in ihrer Zusammensetzung sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht eine große Unbekannte: Hausmüll, Industriemüll und „Erinnerungen" an den Zweiten Weltkrieg in abenteuerlicher Mischung. Das Wasser, das aus der Tiefe des Parks geholt wird, um Pflanzen zu gießen, ist gelb und übelriechend. Verwerfungen im Parkgelände von mehreren Metern sind keine Seltenheit. Sein Wasser ist durch eine Folie vom Grundwasser abgeschnitten.

Aus den Altlasten werden nicht nur Schwermetalle, sondern auch Chloride ausgeschwemmt. Hinweise auf Einsickerungen geben lokale Anreicherungen in Pflanzen. So schwanken beispielsweise die Zinkwerte um das Sechsfache, die Cadmiumwerte um das Zweiundzwanzigfache. Auch der Nachweis einer Chromkonzentration höher als in der Neuen Donau ist bereits gelungen.

Was es bedeutet, wenn die Schwermetallbelastung in der Alten Donau nach Errichtung der Staustufe durch die Umleitung der Grundwasserströme die zulässigen Höchstwerte überschreitet, mag die Zahl der pro Jahr anfallenden als Sondermüll zu behandelnden Wasserpflanzen ermessen lassen: Hundert Tonnen Trockengewicht.

Das Erholungsgebiet Alte Donau, der seit rund 160 Jahren größte stagnierende Wasserkörper Wiens, ist nicht nur ein Freizeitraum, wie er kaum einer anderen Metropole zur Verfügung steht, sondern auch das Ergebnis einer langen städtebaulichen Entwicklung, die aber mehr durch Zufall als durch landschaftsgestalterische Überlegung entstanden ist.

Die bestehende Belastungen durch ufernahe Werksbetriebe, motorisierten Verkehr, Düngemitteleinsatz, undichte Kläranlagen, durch falschen Fischbesatz, Fäkal ienanreicherungen im Wasserpark, verabsäumten Bau eines Auslaufs der unteren Alten Donau bei Errichtung der Autobahn sowie die Nichterrichtung einer Dotationsanlage sind so groß, daß jeder weitere Eingriff in das ökologisch stark beeinträchtigte Gefüge dann problematisch werden könnte, wenn er nicht bestehende Probleme löst.

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