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Daf Philadelphia Orchestra

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Dies ist ein Orchester der Superlative, freilich auch der Reminiszenzen. Denn vor genau 20 Jahren gastierten die Musiker aus Philadelphia — im gleichen Saal übrigens wie vorige Woche — in Wien, und zwar unter dem gleichen Dirigenten. Denn seit seiner Gründung im Jahr 1900 hatte dieses Ensemble nur vier ständige Leiter: der vorletzte war Stokowski (von 1912 bis 1936). Ihm folgte der 1899 in Budapest geborene Eugene Ormandy (der damals noch einen anderen Namen trug). Und seither ist das Orchester, das natürlich auch von Gästen dirigiert wird, in seiner Hand. — Das aber hat nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile.

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Dies ist ein Orchester der Superlative, freilich auch der Reminiszenzen. Denn vor genau 20 Jahren gastierten die Musiker aus Philadelphia — im gleichen Saal übrigens wie vorige Woche — in Wien, und zwar unter dem gleichen Dirigenten. Denn seit seiner Gründung im Jahr 1900 hatte dieses Ensemble nur vier ständige Leiter: der vorletzte war Stokowski (von 1912 bis 1936). Ihm folgte der 1899 in Budapest geborene Eugene Ormandy (der damals noch einen anderen Namen trug). Und seither ist das Orchester, das natürlich auch von Gästen dirigiert wird, in seiner Hand. — Das aber hat nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile.

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Im Juni 1955, als wir es zum ersten Mal mit ähnlichem Programm wie vor wenigen Tagen hörten, war für den Autor dieses Berichts die Manier und Virtuosität, mit der das Phila-delphia Orchestra Hindemiths Symphonie „Mathis der Maler“ spielte, ein Non plus ultra der Interpretationskunst. Das Stück schien diesem Ensemble wie auf den Leib geschrieben: mit seinem damals noch modernen, sehr deutschen Kontrapunkt, seinen lyrischen, aber irgendwie immer etwas kühlen Kantilenen, seinen großen dramatischen Szenen und vehementen Ausbrüchen. — In diesen letzten 20 Jahren hat sich die Orchesterkultur weltweit auf rapide Weise perfektioniert, und auch der Hörer ist anspruchsvoller geworden, er differenziert schärfer. Und zwar nicht nur infolge seiner akustischen Verwöhnung durch technisch manipulierte Schallplatten.

Geblieben ist, wenn wir das Orchester von damals mit dem heutigen vergleichen, eine kaum überbietbare Präzision, der noble Klang der zahlreichen Cremonenser Geigen, das sehr differenzierte helle Holz sowie der sonore, weiche Klang seiner Blechbläser (von einzelnen dynamischen Exzessen abgesehen, die aber vom ganzen Ensemble auf Anweisung des Dirigenten erfolgten). Mit einem kurzen, 1942 komponierten Orchester-Essay von Samuel Barber, Jahrgang 1910, wurde das 1. Konzert eingeleitet. Für die — übrigens auch beim ersten Gastspiel dargebotene — VlI. Symphonie Beeihppens vermochten wir uns kaum zu erwärmen. Aber bei Hindemiths Musik war plötzlich alles wieder da...

Das 2. Konzert begann mit Möhlers Erster, die 1888 in Budapest beendet und eben dort, in der Geburtsstadt Ormandys, 1893 uraufgeführt wurde. (Übrigens war Mahler auch

zwei Jahre lang Direktor der Budapester Oper.) Direkte Beziehungen waren also gegeben, aber die Einfühlung der amerikanischen Musiker in diese so spezifisch österreichische Weltmusik hatte ihre voraussehbaren Grenzen. — Nicht zu entschuldigen ist aber, daß Eigene Ormandy, Träger der ihm von der in Wien residierenden Internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft verliehenen Medaille, jenen ominösen (dritten) „Blumine“-Satz spielen ließ, der das lange Werk um weitere sieben Minuten dehnt, aber keineswegs bereichert, und den Mahler von späteren Aufführungen nachdrücklich und konsequent ausschloß. Weiß das Herr Ormandy nicht? Und wie kann ein Musiker seines Ranges so den letzten Willen eines Genies mißachten?

„Doch ende nicht mit Fluch der Sang“: In Havels 2. Suite aus „Daphnis und Chloe“, diesem todsicheren Reißer, war wieder jenes brillante Orchesterspiel zu hören, das uns 20 Jahre lang im Ohr geblieben ist. Ein wenig mehr Zeit hätte sich Herr Ormandy vor allem für den Anfang nehmen sollen — oder wollte er die durch den „Blumine“-Satz unnütz vertane, wenigstens zum Teil wieder einbringen?

Sein Plansoll an Johann Strauß erfüllte das Orchester tant bien que mal mit dem Walzer op. 325 „G'schichten aus dem Wienerwald“ (gemeinsam mit Karl Swoboda an der Zither), dem Ormandy als Zugabe, um den Eindruck der „Mathjs“-Symphönie; nicht ganz zu verwischen, das bekannte „Air“ aus der 2. h-Moll-Suite von Bach folgen ließ. Hier zeigten die vorzüglichen, in jeder Hinsicht „kostbaren“ Streicher noch einmal, was sie konnten. Und die Ouvertüre zur „Fledermaus“? Jedenfalls hat sie „straußischer“ geklungen als im Theater an der Wien ...

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