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Dampfwalze zum Küniglberg

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Mit Dampfwalzentaktik haben die SP-Medienstrategen durchgesetzt, daß Heinrich Keller, Broda- Sekretär und neulinker „Gesell- schaftsveränderer“, als Generalsekretär in die Chefetage des ORF- Zentrums am Küniglberg einzieht. Die öffentliche Ausschreibung des Postens ist nur noch eine Formalität und dann wird der „geheime Generalintendant“ des ORF Heinrich Keller heißen. Denn was Otto Oberhammer noch bleibt, wenn sein Freund aus dem Justizministerium einmal alle die 15 Aufgabengebiete wahmimmt, die ihm laut „Organisationsanweisung des Generalintendanten vom 22. März“ zukommen, ist kaum mehr als die Repräsentation und das Vorschlagsrecht für neue Intendanten und Direktoren.

Ob der von fast jeder Medienerfahrung unbeleckte Jurist Heinrich Keller freilich in so vielen verschiedenen Sachbereichen gleichzeitig schwimmen lernt, ist eine andere Frage. Denn immerhin soll der neue Generalsekretär unter anderem:

0 den Generalintendanten bei der Koordinierung der Programmpläne für Hörfunk und Fernsehen unterstützen

0 „Vorschläge für langfristige Programmpläne für Hörfunk und Fernsehen ausarbeiten 0 „die Programmbeiträge der Landesstudios für den Bereich Fernsehen sachlich koordinieren und bei der Erarbeitung dieser Programmbeiträge „redaktionelle Hilfe“ leisten

0 die Tätigkeit der ORF-Auslands- korrespondenten für Hörfunk und Fernsehen koordinieren 0 die Berufsfortbildung für alle Programmbereiche betreuen 0 den Generalintendanten bei der Planung und Koordinierung von untemehmenspolitischen Maßnahmen unterstützen.

Die Liste umfaßt noch weitere neun Aufgaben. Der einzige Bereich, in dem Keller einschlägig „vorbelastet“ ist, ist die „Darstellung der Unternehmenspolitik in der Öffentlichkeit“, war der gelernte Staatsanwalt in den letzten Jahren doch in erster Linie damit beschäftigt, mit wechselndem Erfolg dem Publikum die Politik seines ministeriellen Chefs mundgerecht zu servieren.

Ganz nebenbei hat Keller eine Menge Zeit und Energie darauf verwendet, über die Trennung von Kirche und Staat nachzugrübeln, die in seinen Augen „unvollständig“ geblieben ist. Offensichtlich möchte er den Kirchen in Österreich nur einen Status ähnlich wie Briefmarkensammlervereinen zubilligen, vor allem auch das Strafrecht von jedem Rest „katholischer Moralvorstellungen“ säubern.

Eben dieserHeinrichKeller scheint der „Mann des Vertrauens“ nicht nur für Otto Oberhammer zu sein, der sich für die nächste Generalintendantenwahl bei der Mehrheitsfraktion des ORF-Kuratoriums absichern muß, sondern auch für SP- Generalsekretär Karl Blecha, der Woche für Woche Gelegenheit findet, irgendwo in Österreich für den notwendigen Brückenschlag zwischen Kirche und Sozialdemokratie einzutreten.

Um für den mddienfremden Juristen Keller Platz zu machen, wird man seinen Vorgänger, Paul Twa- roch, der die ORF-Problematik im kleinen Finger hat, auf ein Nebengleis abschieben. Um Keller die Wege zu ebnen, wurde dem ORF- Kuratorium eine Stellenbeschreibung präsentiert, auf der die notwendigen Unterschriften des Präsidenten und des Zentralsekretärs der Gewerkschaft Kunst und Medien fehlen. Die SP-Medienstrategen haben dafür auch in Kauf genommen, das ORF-Kuratorium zur Farce zu degradieren.

Rundum den Fall Keller ist in Sachen ORF soviel Porzellan zerbrochen worden, daß man sich die Auswirkungen auf das interne Klima des heimischen Monopolrundfunks leicht ausrechnen kann.

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