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Dank an ein Haus

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Du hast uns viele Jahre gehört. Kein Menschenalter lang, aber doch ein halbes. Seit ein paar Tagen gehörst Du jemandem anderen. Die Gründe, die zu Deinem Verkauf geführt haben, kennst Du selbst am. besten, Du bist ja ein gescheites und wachsames Haus, alt und selten bewohnt, Deine Lage und Deinen Zustand hast Du uns ja auch nie verheimlicht. Du bleibst, wir gehen.

. Ich werde Dich noch ein paar Mal wiedersehen und betreten, Du bist noch nicht geräumt, das steht mir noch bevor, ich werde schnell und praktisch entscheiden müssen, was in Dir bleibt und was ich aus Dir forttragen lassen muß. Es wird wenig, vielleicht gar keine Zeit mehr sein, mit Dir zu reden, wie ich es immer getan habe, meine Hand auf Deine alten, schwarzen Balken zu legen und aus Dir hinaus übers Tal weg auf die Berge zu schauen.

Ich werde nie wirklich aus Dir weggehen, das weißt Du. Laß Dir sagen, was Du uns warst und bleiben wirst. Du hast viele Sommer unseres Lebens zu stillen und glücklichen gemacht. Wir haben die Stadt in Dir vergessen und das „einfache Leben" probiert und haben Dich immer viel zu schnell wieder verlassen müssen.

Es war Liebe auf den ersten Blick -erinnerst Du Dich noch -, als ich Dich an einem Tag im Spätsommer vor vielen Jahren zum ersten Mal sah. Dein Dach war schon damals morsch, Dein kleiner Keller voll pulverisiertem Schwamm und die Spuren eines gelegten Brandes an Deiner südöstlichen Seite hätten Dich schon einmal reif für eine Versicherungssumme machen sollen. In Deinem Kamin lauerte der Tod, den schon lange kein Rauchfangkehrer mehr vertrieben hatte und als wir viele Jahre später im wahrsten Sinne des Wortes durch Dein Ofenrohr ins Gebirge schauten, schlugen wir ein Kreuz.

Du galt'st als armes Bergbauernhaus mit höchstens einer Kuh im Stall, der später unser Badezimmer wurde und Zimmerdecken hattest Du auch mehr einsturzgefährdete als heile aufzuweisen. Wir haben das alles zärtlich übersehen, viel zu viel Geld für Dich bezahlt und uns versprochen, etwas aus Dir zu machen.

Es ist in der Tat viel in Dir gehämmert und gesägt, gestrichen und repariert worden, wir haben Dich über die Jahre hin bebastelt. Dein morsches Dach hat alles brav behütet, hat Schnee und Eis, Winterstürme und Sommergewitter überstanden, ist eines der vielen Tiroler Wunder für mich. Du warst uns ein Haus, wie es keines mehr sein wird.

Vor Deiner Waldseite jagten einander verliebt Rehbock und Geiß, oft am hellichten Mittag und an Deiner Talseite spielte der Aufwind aus dem Inntal fast immer mit den Blättern des verwirrten Kirschbaumes und strich uns kühl um die Dirndlschürzen, wenn'wir unter dem Holunderbaum Erdäpfel schälten und Pläne zur Erhaltung des G'wandganges schmiedeten, der sich von Jahr zu Jahr freundlich selber erhielt.

Ich habe in Dir ein Buch geschrieben, mein Bub hat seine ersten Nägel in Dein Holz geschlagen und seine nach Kuhstall duftenden Hosen trockneten über Deinem Kachelofen.

Deine zirbenholzgetäfelte Stube war klassisch schön in ihrer armen Kargheit, Dein Heuboden ein dämmriger Riesenraum voll Duft und Himmel zwischen den Ritzen. Wir hörten Dich ächzen und krachen und erzählen in langen Nächten und Dein Dach vom Tal aus zu entdecken, bedeutete Glück. Sei bedankt für Deinen Schutz, Deine Stand-haftigkeit und Deine Wärme.

Du warst das Geschenk eines wunderbaren Landes an uns. Du warst ein Wirklichkeit gewordener Traum. Du bist nicht verkäuflich. Wir tragen Dich in uns. Immer.

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