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Dank an Hilde Konetzni

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Das war eine Freude vor der Abreise! Zum Geburtstag von Hilde Konetzni schenkte uns Radio Wien eine Stunde der Erinnerung. Eine Stunde, in der man der geliebten Stimme lauschen konnte, sie plaudern hörte und zurückversetzt wurde in die Zeit der Jugend und der ersten Opernbegeisterung.

Mein Gott, jetzt möchte ich das Wissen und die Fähigkeit, es darzustellen*, haben, wie Freund Pra-wy sie besitzt. So bin ich nichts als ein schwerfällig in der Erinnerung Herumkramender. Schwerfällig, weil so viel Zeit dazwischen liegt.

Oper, 1935: Papa hat mich nicht mitgenommen, er hat mich hinbeordert. Der erste große Abend für den kleinen Buben - „Onegin” mit Hammes und Kipnis, wenn ich nicht irre, Dermota als Lenski. Dann „Die Jüdin” von Halevy mit Richard Mayr, Zdenka Zika und Koloman von Pataky. Mein erster „Rosenkavalier”, der erste „Meistersinger”, die erste „Walküre”: Arnold Rose, Bruno Walter und immer wieder Moralt, Moralt,

Moralt. Langsam begann ich in einem Meer von Tönen zu schwimmen, die Ohren waren voll Musik, das Herz den Harmonien geöffnet.

Wann ich die Konetzni-Mädln zum ersten Mal gehört habe, weiß ich nicht mehr, aber später, als ich sie, die Hilde, am Mohnenfluh in Vorarlberg besuchte, habe ich nicht gelogen als ich sagte, daß sie „meine” Sieglinde war, „meine” Marschallin, „meine” Leonore. Jeder von uns hatte das Gefühl, sie singe nur für ihn allein. Die Hilde und Torsten Ralf, die Hilde mit Paulus (Schöffler), die Hilde mit — es war egal, mit wem sie da oben stand und für mich sang, für mich ganz allein, der ich so klein war, daß ich im „Kipferl” des Stehparterres nicht über das Geländer schauen konnte.

Später mußte ich selber Theater spielen, bald darauf Herrn Hitlers „Ehrenkleid'' anziehen, zum Opernbesuch war kaum mehr Gelegenheit. In Paris verpaßte ich ein Gastspiel, da ich dienstlich in Dijon zu tun hatte, aber als es mich von der russischen Front nach Krakau spülte, hörte ich die

Anny als Martha in „Tiefland” von d'Albert.

Im Jahr 1953 lernte ich meine Frau Franziska kennen. Sie war an der Josefstadt engagiert und verbrachte ihre freien Abende in der Oper. Als glühende Verehrerin Elisabeth Höngens und der Konetzni hatte sie Hunderte Bilder mit Autogrammen gesammelt und wir fanden neben anderem eine gute Plattform für Gespräche über unsere Oper, die ja nun bald wiedererstehen sollte.

Hilde Konetzni sang in Bre-genz, und dort haben wir uns kennengelernt. Ich durfte sie besuchen, sie kam zu meinen Proben und Vorstellungen, ich zu den ihren. Mit Freude konnte ich erkennen, daß der Mensch der Künstlerin nicht nachstand. Sie war lieb, klug, wienerisch und fröhlich, trotz der schweren Zeiten, die sie selbst erlebt hatte. Sie hatte die Form ihres Abganges von ihrer geliebten Staatsoper noch nicht verwunden und wir schwärmten von einem Abend, den sie auf flehentliche Bitten der Direktion gerettet hatte. Wieder mit ihrer unvergleichlichen Sieglinde, mit John Wickers und Lo-bi Frick.

Zur Verleihung des Professorentitels konnte ich ihr am Mino-ritenplatz gratulieren und dann — no ja — man verliert sich aus den Augen.

Und jetzt, fast fünf Jahre nach ihrem Tod, plaudert sie im Radio über Bruno Walter, über Knap-pertsbusch, von „a bissl Liab hat schon immer dabei sein müssen”

— „vor der Oper hab ich das Kreuz geschlagen” — als echte Wienerin

— und immer wieder ihre Stimme, so zart, so geschmeidig und wuchtig zugleich mit unverwechselbarem Timbre.

Wir saßen bei Tisch, und ich spürte, wie es mir über den Rücken rieselte; meine Frau bekam feuchte Augen. Jetzt war das Gefühl wieder da: Unsere Hilde sang wieder für uns, für uns ganz allein - so wie damals und all die Jahre. Wehmut und Stolz, Trauer und Erinnerung war in uns, Dank für all die Stunden und die „namen — namenlose Freude”!

Danke Hilde Konetzni, danke für alle Abende und auch für diese Mittagsstunde. Sie haben es wieder einmal geschafft — auch fünf Jahre nach Ihrem Ableben, Sie haben mich eingehüllt in Ihren Gesang, mich glücklich gemacht. Danke.

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