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Dankbare Freunde

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Dem tschechoslowakischen Fernsehen war sein Aufstieg 1 am 24. Juni 1975 nur einen Satz im Meldungsblock wert: „Viliam Salgovic wurde vom ZK der Slowakischen KP aufgenommen und in das Parteipräsidium kooptiert.“ Einige Tage zuvor war er in die slowakische Nationalversammlung gewählt worden. In beiden Positionen folgt er ganz offensichtlich dem am 26. März dieses Jahres verstorbenen Ondrej Klokoc, der Präsidiumsmitglied und Präsident der Nationalversammlung gewesen ist. Sollte Salgovic auch diesen Posten bekommen, dann hätte das KlokoC-Nachfolgespiel in der Slowakei ein rasches Ende. Es gibt auch Spekulationen, wonach der slowakische Parteichef Josef Lenart dieses Amt übernimmt, seinerseits den Parteivorsitz an Miloslav HruäkoviC (einen dynamischen Wirtschaftsexperten) abgibt. Auch in diesem Falle hieße der Sieger SalgoviC, denn er wäre dann Spitzenkandidat für das ZK-Sekretariat, das momentan noch mit HruäkoviC besetzt ist. Die Personalrotation läuft offenbar auf eine Degradierung Lenarts und die Promotion Salgovics zum zweitmächtigsten Slowaken im Staat nach Gustav Husak hinaus.

Der künftige starke Mann hat eine seltsam gewundene, undurchsichtige Karriere hinter sich. Am 14. November 1919 in der Westslowakei geboren, erlernte der junge Salgovic das Handwerk des Schriftsetzers, den einzigen nichtakademischen Intellektuellenberuf.

Während des Zweiten Weltkrieges diente er in der slowakischen Armee, die gemeinsam mit Hitlers Wehrmacht in der Ukraine kämpfte. Dort desertierte SalgoviC zu den Sowjets, gelangte zu Ludvik Svobodas tschechoslowakischem Armeekorps und rückte dort zum Politkomimissar im Range eines Hauptmannes auf. Nach dem Krieg schloß sich SalgoviC der KPC an und verblieb vorderhand — bis 1951 — als Berufsoffizier in der Armee.

Als harte Männer gebraucht wurden, um die Landwirtschaft des Landes ins Zwangskollektiv zu führen, stand SalgoviC an vorderster Front, als Beamter der Landwirtschaftsverwaltung von 1952 bis 1975. Für seine Verdienste ernannte ihn die Partei zum Direktor der Parteischule in Bratislava.

Die weiteren Stationen seiner Karriere: Von 1962 bis zum Juni 1968 Leiter der slowakischen KP-Kontrollkommission; von 1967 bis zum August 1968 gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender der gesamtstaatlichen Kontrollkommission.

Es gab im Zuge des Prager Frühlings mehrere merkwürdige Personalentscheidungen infolge eines Drucks der orthodoxen Kommunisten und auch der Sowjets. Eine davon war die Ernennung Salgovics zum stellvertretenden CSSR-Innen-minister, Amtsbereich: Staatssicherheit.

Salgoviö erfüllte die Erwartungen seiner „Freunde“ in Moskau voll und ganz. Ein hoher Polizeioffizier, der im Verlauf der Okkupation in den Westen geflüchtet war, gab zu Protokoll, SalgoviC hätte vom Einmarsch der Sowjettruppen bereits sielben Stunden vorher gewußt. Gleichzeitig hätte er Anweisungen an seine engsten Vertrauten gegeben, wie sie sich nach dem Einmarsch verhalten sollten.

All das geschah zu einem Zeitpunkt, an dem weder Alexander DubCek, noch Staatspräsident Svo-boda von dem bevorstehenden Desaster etwas ahnten.

SalgoviC rühmte sich sogar später seines damaligen Informationsstandes: „Am 20. August, um neun Uhr abends, habe ich es bereits gewußt, und zwar vom Repräsentanten des gemeinsamen Warschauer-Pakt-Kommandos in Prag.“ („Prace“, 28. März 1969).

In den Tagen, die der Invasion folgten, spielte SalgoviC seine unrühmliche Rolle weiter. Er organisierte alle prosowjetischen Spitzel und Agenten innerhalb des Innenministeriums und leitete deren „Operationen“. Damals beschuldigte ihn die Belgrader Wochenzeitung „Politika“ offen, ein bezahltes Subjekt des Sowjetgeheimdienstes KGB zu sein, „im Range eines Obersten dieser Organisation“. Die Empörung gegen SalgoviC erreichte bereits am 25. August 1968

einen so hohen Grad, daß er von seinem Amt demissionieren mußte. Niemand weiß genau, wo er sich bis zum Februar 1969 aufgehalten hat — vermutlich in Moskau, wohin man ihn zum Schutz vor aufgebrachten Landsleuten gebracht hatte. Seine Wohnung in Prag war von Demonstranten verwüstet worden.

Um SalgoviC aus der direkten Schußlinie zu bringen, ernannten ihn die Satrapen Moskaus zum Militärattache in Budapest. Erst 1970 erschien Herrn SalgoviC die Situation in seiner Heimat genügend „normalisiert“. Er kehrte zurück und setzte seinen kurzfristig unterbrochenen Aufstieg fort. Zunächst als stellvertretender Vorsitzender der Kontrollkommission und Mitglied des Senates in Prag. In der Zwischenzeit war er auch auf militärischer Ebene befördert worden: 1968 noch Oberstleutnant, wurde er ohne jede Waffenübung oder dergleichen im Mai 1971 zum Generalmajor erhoben. Seine jüngsten Ernennungen im Rahmen des slowakischen Partei- und Staatsapparates bedeuten für ihn einen entscheidenden neuerlichen Durchbrach zu höheren Machtstellungen.

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