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Darf man Frau Premierminister bereits Glück wünschen?

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Niemand in Großbritannien, und im Grunde seines Herzens wohl auch nicht einmal Jim Callaghan, zweifelt jetzt noch daran, daß die Tage der La- bourregierung gezählt sind, und daß der nächste Premierminister des Landes die konservative Parteichefin Margaret Thatcher sein wird. Ob dieses historische Ereignis nun im Herbst 1977 oder im Frühjahr 1978 eintreten wird, und ob die neue konservative Regierung dann über eine Parlamentsmehrheit von 25,50 oder 100 Sitzen verfügen wird, das sind technische Details, die an der feststehenden Tatsache nichts ändern können.

Hätte es nach dem Verzweiflungsschritt des suspekten, für beide Seiten durchaus artfremden Paktes zwischen Labour und Liberalen noch irgendeines Beweises für den letalen Charakter der Labour-Malaise bedurft, dann wurde diese durch die jüngsten Gemeindewahlen in England, Schottland und Wales auf beeindruckende Weise erbracht. Trotz einer für solche Wahlen erstaunlich hohen Wahlbeteiligung - normalerweise für die Labourpartei stets günstig - erlitten die sozialistischen Stadt- und Gemeinderäte im ganzen Land eine Abfuhr, wie sie in solchem Ausmaß seit Jahrzehnten keine der großen britischen Parteien erlebt hat. Städte und Landbezirke, die seit 40 oder 50 Jahren zu den unerschütterlichen Eckpfeilern der La- bourregierung gehört hatten, Industriestädte in England und Schottland, Bergarbeitergemeinden in Wales, stehen jetzt unter konservativer Verwaltung - ein Schlachten war’s, nicht eine Schlacht zu nennen!

In dem verständlichen Siegesjubel der Tories schien manchmal fast eine Art von Schock mitzuschwingen, in dem Adrenalinrausch des politischen Erfolges ein leises Zögern. Wahltriumphen solcher Größenordnung seit über 25 Jahren entwöhnt, von einem baldigen, endgültigen Mandat zur Alleinregierung des Landes fest überzeugt, schien man im konservativen Lager ein wenig den Atem anzuhalten - würde man mit der nun bald endlich wiedergewonnenen Macht auch wirklich fertigwerden, würde man sie richtig anwenden können? Und vor manchem Toryauge mag der düstere Schatten der letzten konservativen Regierung unter Edward Heath emporgestiegen sein, die von einer militanten Bergarbeitergewerkschaft in die Knie gezwungen worden ist. Würde nicht all das wieder so oder ähnlich kommen? Wie schon des öfteren in den letzten Jahren, hatte es angesichts eines gewissen Mangels an politischer Zielstrebigkeit fast den Anschein, als ob selbst die Tories - wie das Kaninchen vor der Schlange - von dem Diktum Harold Wilsons hypnotisiert waren, daß Labour die logische Regierungspartei sei.

Aber nun steht an der Spitze der Konservativen Partei nicht mehr Edward Heath, sondern Margaret Thatcher, und diese ungewöhnliche Frau und Politikerin scheint gerade jetzt, da es darauf ankommt, den Weg ihrer Partei und damit den Weg ihres Landes immer klarer zu sehen - einen Weg, auf dem sie Großbritannien aus der Misere eines ideologisch und materiell in die Binsen gegangenen Sozialismus in eine freiere, bessere, demokratischere Zukunft führen will. In Artikeln und Reden, in Femseh- und Zeitungsinterviews steht jetzt in Margaret Thatcher eine Politikerin von beachtlichem, ja mitreißendem Format vor ihrem Volk, die das „hic Rhodos, hic salta!“ einer kommenden Regierungsübernahme in keiner Weise zu scheuen scheint. „Wir (die Konservativen) haben auch nach unserem Wahlsieg im Jahre 1951 eine tief im Sozialismus, in der Planwirtschaft und der staatlichen Interventionspolitik steckende Gesellschaft von diesen Fesseln eines noch kriegsbedingten Traumas befreit und sind 13 Jahrelang an der Macht geblieben. Das ist auch heute wieder möglich, um so mehr, als wir Beispiele dafür sehen können, wie andere Nationen dank nichtsozialistischer Regierungssysteme blühen und gedeihen“,- so erklärte Mrs. Thatcher kürzlich in einem Interview. Und der so gern - von Labourpolitikern - betonte Ruck nach rechts? Wenn beschränkte Entstaatlichung, bessere Belohnung für Privatinitiative, strikte Einwanderungsbeschränkung aus afrikanischen und asiatischen Ländern, freie Wahl dės Schultyps für die Kinder und eine wohlverstandene Demokratisierung des britischen Gewerkschaftssystems einen Ruck nach rechts bedeuten, dann trifft dies auf die erklärte Politik von Margaret Thatcher tatsächlich zu.

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