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Das amerikanische Dilemma

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Präsident Nixon hat das Gesetz über die Erhöhung des offiziellen Goldpreises von 35 auf 38 Dollar für die Unze (fein) kürzlich unterzeichnet. Die Aufwertung des Goldes um 7,89 und die Abwertung des Dollars um 8,57 Prozent ist damit endgültig geworden. Sie entspricht den Abmachungen, die im Rahmen des Zehnerklubs am 18. Dezember 1971 getroffen worden sind. Senat und Repräsentantenhaus haben dem Gesetz mit großen Mehrheiten zugestimmt.

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Präsident Nixon hat das Gesetz über die Erhöhung des offiziellen Goldpreises von 35 auf 38 Dollar für die Unze (fein) kürzlich unterzeichnet. Die Aufwertung des Goldes um 7,89 und die Abwertung des Dollars um 8,57 Prozent ist damit endgültig geworden. Sie entspricht den Abmachungen, die im Rahmen des Zehnerklubs am 18. Dezember 1971 getroffen worden sind. Senat und Repräsentantenhaus haben dem Gesetz mit großen Mehrheiten zugestimmt.

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Die Dollarabwertung ist endgültig. Kein Mensch kann daran denken, sie wieder rückgängig zu machen. Ob es aber die letzte Abwertung des Dollars sein wird? Einem führenden Wiener Bankfachmann wird die Äußerung zugeschrieben: „Es ist kein einziges Problem der internationalen Währungsordnung gelöst worden.“ Das Ist vielleicht etwas überspitzt und zu pessimistisch, denn es ist ja immerhin seit dem 15. August, an dem die alte Ordnung von Bretton Woods schwer angeschlagen wurde, einiges geschehen. Unbestreitbar aber ist, daß mit den Vereinbarungen vom 18. Dezember und auch mit der gesetzlichen Festlegung der Dollarabwertung das internationale Währungsproblem noch nicht endgültig neu geordnet wurde.

Errungenschaften und neue Unsicherheiten

Was wurde erreicht und was blieb weiter offen? Am 18. Dezember 1971 wurden die Wertverhältnisse der wichtigsten Währungen zueinander und zum Gold neu festgesetzt (realignment). Mark und Yen wurden aufgewertet, der Dollar abgewertet. Daß das Gold aufgewertet wurde, beendet — mindestens für einige Zeit — das Tauziehen um die von manchen amerikanischen Stellen gewünschte Verdrängung des Goldes aus seiner Stellung im Währungswesen, die „Demonetisierung des Goldes“. Endgültig ausgeschaltet wurden diese Bestrebungen wohl nicht. Das hängt mit den ungebrochenen Neigungen in Amerika zusammen, den Inflationskurs fortzusetzen. Doch davon später mehr.

Die Neufestsetzuung der Währungskurse kann auch nicht als endgültig bezeichnet werden. Man hat deshalb auch vermieden, sie als neue Paritäten zu bezeichnen. Man nannte sie „Leitkurse“ (central rates). Sie werden sich zweifellos neuerlich ändern, wenn die Ströme des internationalen Handels und die Zahlungsbilanzen sich anders entwickeln sollten, als bei den Beratungen des Zehnerklubs in Aussicht genommen worden war.

Ringen um eine neue Währungsordnung

Was blieb von der Ordnung von Bretton Woods nach dem 15. August und was wurde mit den erwähnten neuen Regelungen wiederhergestellt oder neu geordnet? Die alten Regelungen des Internationalen Währungsfonds (Vertrag von Bretton Woods, 1944) sahen vor: Die Bewertung jeder Währung beruht auf einem festgesetzten Verhältnis (Parität) zum Dollar (nach dessen Goldwert vom Jahre 1944) oder unmittelbar zum Gold. Verantwortlich für die Aufrechterhaltung dieses Wertverhältnisses war jedes Land, beziehungsweise dessen Notenbank. Die Gleichstellung, die Gleichwertigkeit von Dollar und Gold ist mit den Erklärungen Nixons vom 15. August 1971 (keine Konvertierung von Dollars in Gold) weggefallen. Die Vereinbarungen vom 18. Dezember 1971 haben die Währungen der beteiligten Länder wieder an den Dollar gebunden, aber an den Dollar vom 14. August 1971, theoretisch also an das Gold, praktisch jedoch an den neuen, abgewerteten Dollar. Verantwortlich für die Aufrechterhaltung des neuen Wertverhältnisses — im Rahmen erweiterter Bandbreiten, zweieinviertel statt ein Prozent in jeder Richtung — ist wieder jedes einzelne Land. Für die Verwertbarkeit des Dollars fehlt jede Garantie. Das ist offensichtlich der Pferdefuß der neuen Ordnung, die von den Exekutivdirektoren des Internationalen Währungsfonds selbst als „Ubergangsregelung bis zur Neuordnung des Paritätensystems“ bezeichnet wurde.

Amerika weiter auf Inflationskurs

Niemand bestreitet, daß Präsident Nixon ernstlich darum bemüht Ist, die Inflation in den Vereinigten Staaten unter Kontrolle zu bringen. Daß er sie aber beenden kann, dürfte ausgeschlossen sein. Die Kräfte sind zu stark, die an einer Inflationistischen Grundströmung Interessiert sind. Eine radikale Beendigung der Inflation kann sich daher auch Nixon nicht leisten, am wenigsten vor Präsidentschaftswahlen. Auf innerwirtschaftlichem Ge-

Diex DjeiDX mm cue iviuguciiK.011 ues Kurierens am Symptom, also die Kontrolle der Preise und Löhne. Schon dabei stößt er auf ernste Schwierigkeiten. Gewerkschaftsboß Meany (bisher Verbündeter Nixons) meint dazu: „Kontrolle der Preise gut, Kontrolle der Löhne nix gut.“ Die Politik des leichten Geldes wird bleiben, davon abzugehen, würde die Arbeitslosigkeit erhöhen, das Wirtschaftswachstum und damit schließlich die Wiederwahl gefährden.

Daß Amerika auf dem Gebiet der internationalen Wirtschaft nach wie vor auf Inflationskurs schaltet, dafür gibt es eine Reihe von Anzeichen. Zuallererst das schon mehrfach erwähnte Festhalten an der Weigerung, den Dollar wieder gegen Gold konvertierbar zu machen.

Sodann der in den Beratungen mit den Europäern wiederholt vorgebrachte Wunsch Amerikas, den Zehnerklub zu einem „Zwanzigerklub“ auszuweiten. Amerika fühlt sich im Zehnerklub gegenüber den Vertretern der Industriestaaten Europas, Kanadas und Japans isoliert. Es empfiehlt die Heranziehung von Entwicklungsländern. Der Zehnerklub ist bisher Immer für solide Grundsätze in der Währungspolitik, für Stabilität, für Erhaltung der Rolle des Goldes eingetreten. Die rjniwiCKiungsiauuer iuiujlcu cuic diese „kapitalistischen“ Tugenden . als „Repression“, sie sind am billigen s Geld, an einer Abwertung ihrer i Schulden, also am Inflationskurs in 1 der Weltwirtschaft interessiert. ' Die härteste Zumutung in dieser Richtung ist wohl ein Vorschlag, den ' der amerikanische Finanzminister ' Connally den Europäern gemacht, ! und der, wie gemeldet wurde, die • Europäer „beunruhigt“ hat: Länder mit chronischen Zahlungsbilanzüberschüssen sollten ein Drittel oder die Hälfte ihrer neu zufließenden 5 Währungsreserven in einen Sonder-r fonds einzahlen, der die Defizitlän-' der mit Devisenkrediten speist.

Führende Devisenexperten in Euro-' pa beurteilen diesen Vorschlag geradezu als Versuch Amerikas, aus dem amerikanischen Zahlungsbilanzdefizit ein Perpetuum mobile zu machen. Es wäre das System, \ „den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben“.

Europäische Reaktionen

3 Es wird also noch harte Ausein-

1 andersetzungen um die künftige

- Neuordnung des Weltwährungsi Systems geben und auch neue Krisen

, sind keineswegs ausgeschlossen. In f Europa wächst infolgedessen die

; Entschlossenheit, bei der Neuordnung die eigenen Interessen zu wahren und insbesondere dahin zu wirken, daß es sich bei Neuregelungen um eine wirkliche Ordnung und nicht wieder nur um eine Vertagung der Schwierigkeiten handeln soll. Europa ist ferner bestrebt, sich bei der Entwicklung der eigenen Angelegenheiten von Amerika unabhängig zu machen. Ein Beispiel: Die Finanzen der Europäischen Gemeinschaft sind auf dem Dollar aufgebaut, genannt „Rechnungseinheit' gleich Dollar. Dies gilt für die Beamtengehälter ebenso wie für die Abrechnungen auf dem Agrarmarkl mit dem „grünen Dollar“. Nun sol] diese Rechnungseinheit nicht mein Dollar heißen, es soll aber auch ihi Wert von der amerikanischen Währung unabhängig sein.

Wichtiger ist das Bestreben, in dei „Europäischen Gemeinschaft“ übei verminderte Bandbreiten, enger wirtschaftliche und währungspolitische Zusammenarbeit, schließlich zi einer europäischen Währungsunior zu gelangen. Der Schwierigkeiter gibt es auf diesem Weg übergenug Dringend ist vor allem, daß Europs bei den Auseinandersetzungen übei die Währungsordnung der Welt zunächst eine einheitliche Sprache findet, was bekanntlich zwischen den Mai und dem Dezember 1971 nich der Fall war. Die Schwierigkeiter liegen vor allem in der komplizierter Sachverständigkeit der jetzt zehr Mitglieder — man nimmt di Ausweitung offenbar schon überall vorweg —, aber auch in immer noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten über Grundfragen. Gerad hierin aber wirkt die Notwendigkeit dem Druck von außen standzuhalten, einigend. Frankreich, lange Zei ein Bremser in der europäischer Einigung, ist zu ihrem stärkster Förderer geworden. So redet Frankreich jetzt der Parallelität der Fortschritte und der Harmonisierung de: Interventionsinstrumente europäischer Regierungen das Wort. Vor der Gewohnheit gemeinsamer Reflexion müsse man zu einer Solidaritä in der Aktion kommen, erklärt dii Bank von Frankreich.

Die vorstehende Analyse dei amerikanischen Position mahnt ehe: zu einer vorsichtigen Beurteilung der Aussichten auf eine künftige befriedigende Ordnung des Weltwährungssystems. Doch kann man hoffen, daß die offensichtliche Tenden: der amerikanischen Gesellschaft zv mehr Ordnung nach der Wiederwah Nixons, an der kaum zu zweifeln ist neuen Auftrieb erhalten und die; auch der künftigen Währungsord nung zugute kommen wird.

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