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Digital In Arbeit

Das Angesicht der Erde erneuern

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Einst Kraftwerksbauer, heute Kraftwerksgegner. Diesen oberflächlichen Eindruck könnte man von der heuer jubilierenden Katholischen Jugend (KJ) Österreichs bekommen.

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Einst Kraftwerksbauer, heute Kraftwerksgegner. Diesen oberflächlichen Eindruck könnte man von der heuer jubilierenden Katholischen Jugend (KJ) Österreichs bekommen.

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Am 20. November 1946 fand die Gründungsversammlung des Katholischen Jugendwerkes Österreichs (KJWÖ) statt. Mit Rücksicht auf die vorgezogenen Nationair ats wählen wurde die entsprechende Feier ein Jahr verschoben. Ein solches Jubiläum dient nicht dazu, sich auszuruhen auf dem, was in der bisherigen Geschichte erreicht und geschenkt wurde. Vielmehr ist es ein Anlaß, in der alltäglichen Arbeit innezuhalten und den Blick auf die größeren Zusammenhänge zu richten; aus den Markierungen der Vergangenheit und mit dem großen Ziel vor Augen, bewußt wieder die

kleinen Schritte der alltäglichen Arbeit zu tun.

Schlaglichter auf die gründlich veränderte Situation:

• Wiederaufbau war ein zentrales Wort nach dem Krieg. Heute haben viele Angst, daß weiteres Bauen im großen Stil mehr Lebensraum begräbt als er erschließt.

• Uber Radio durften damals wieder ungestraft auch ausländische Programme empfangen werden. Heute gibt es im Fernsehen und mittels Video eine Uberfülle von Informations- und vor allem Unterhaltungsangebot.

• Die Wirtschaft wies ein starkes Wachstum auf. Heute stagniert sie - die Folgen sind deutlich erkennbar.

• Die Kirche war in der Zeit des Nationalsozialismus für viele ein Ort der Hoffnung gewesen. Heute ist sie in Österreich selbstverständlich, und in den Augen vieler erscheint sie als eine Großorganisation, verdächtig wie andere auch.

• Von einer „schönen Jugendzeit“ war im Zweiten Weltkrieg nicht die Rede. Hernach haben sich die Bedingungen für die Jugendphase schrittweise verbessert. Heute tritt wieder eine Verschärfung ein: Der Konkurrenzkampf um die knappen Ausbil-dungs- und Arbeitsplätze verlagert sich immer weiter in die Schule, und die Ablösung von den Eltern wird zeitlich hinausgeschoben.

Ein Symbol für den Wiederaufbau war die Errichtung des Tau-ernkraftwerkes Kaprun. Von 400 Jugendlichen, die sich beim KJWÖ dafür gemeldet hatten, konnten im Sommer 1947 nur 180 zum Einsatz kommen. Stolz wird in der „Wende“ darüber berichtet: „Es genügt wohl, daß wir in den ersten vier Wochen unseres Einsatzes mit über 30.000 Arbeitsstunden am Aufbau des Tauern-kraftwerkes Kaprun beteiligt sind, ein Beweis, daß wir jederzeit bereit sind, mitzubauen an der Zukunft unserer Heimat Osterreich.“

Wenn wir beim Energiesektor bleiben, dann haben sich in den weiteren Jahrzehnten die Gewichte stark verschoben. Lange vor Tschernobyl überwog deutlich die Skepsis gegenüber der Atomenergie. Und dementsprechend breit und engagiert war der Einsatz bei der Volksabstimmung über die Inbetriebnahme von Zwentendorf. In der gleichen Linie liegt auch, daß viele aus den Reihen der KJ sich im Dezember 1984 in der Hainburger Au einfanden.

Kann man daraus schließen, daß die KJ früher am Bau von Kraftwerken beteiligt gewesen sei und heute an deren Verhinderung? So einfach geht es wohl nicht. Wurde die frühere politische Arbeit der KJ als „zukunftsorientiert“ bezeichnet, so nimmt das auch das gegenwärtige Engagement für sich in Anspruch.

So formuliert die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Jugend Österreichs (AKJÖ) in ihrer Grundsatzerklärung „Mensch— Umwelt-Schöpfung“ 1985': „Die Belastung und Gefährdung der Umwelt hat ein gigantisches Ausmaß erreicht. Durch sorglosen Umgang mit den Möglichkeiten der Schöpfung droht die Menschheit den eigenen Lebensraum und damit sich selbst zu zerstören. Viele Menschen, im besonderen Jugendliche, sind angesichts dieser Entwicklung betroffen, entdecken ganz neu die Werte der Natur und setzen sich mit viel Phantasie, Mut und Ausdauer für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung ein.“

Ahnlich ist es im Bereich der Berufs- und Arbeitswelt. Früh schon ist die Katholische Arbei-

terjugend (KAJ) wie auch die KJ insgesamt nach den Grundideen von Joseph Cardijn in diesem Bereich tätig gewesen. Hieß es 1962 noch programmatisch „Beruf ist mehr als Arbeit“ und „Beruf als Berufung“, so sehen zwar laut Umfragen auch heute Jugendliche in Arbeit und Beruf einen zentralen Wert in ihrem Leben, doch müssen viele Jugendliche die eigenen Neigungen bei der Berufswahl zurückstellen, und bereits mehr als fünf Prozent der österreichischen Jugendlichen sind überhaupt arbeitslos.

Ahnliche Entwicklungen ließen sich auch in anderen Handlungsfeldern (wie Familie, Beziehungen, Friede) aufzeigen.

1946 wurde nicht etwas völlig Neues eingeführt, sondern die bereits arbeitenden pfarrlichen Jugendgruppen erhielten eine einheitliche Form. Man wollte eine Katholische Jugend und nicht eine Vielzahl katholischer Vereine, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg existiert hatten. Die Gruppen in den Pfarren gestalteten ihr jugendliches Leben miteinander und weitgehend in Eigeninitiative.

Auf die von Anfang an ziemlich eigenständige Katholische Jungschar wird in diesem Beitrag nicht näher eingegangen. Die Untergliederungen der einen KJ (KAJ,

Katholische Landjugend, Katholische Mittelschuljugend) gewannen im Laufe der Jahre immer stärkere Bedeutung und schließlich 1969 auch statutarisch die Oberhand; von dort weg bilden die selbständigen Gliederungen zusammen die AKJÖ.

Jede Gruppierung muß sich von Zeit zu Zeit Rechenschaft geben über ihren Zustand. Neben der Situation spielen dabei stets auch die Ziele eine wichtige Rolle. So möchte ich hier auch eine sehr persönliche Zielformulierung vorlegen.

Durch meinen Einsatz in der Jugendarbeit möchte ich erreichen, daß Jugendliche Gemein-

schaft erfahren und Freunde treffen können. Ich möchte beitragen zur Entfaltung der Fähigkeiten und damit zur Mensch-Werdung der Jugendlichen. Ich möchte mithelfen, daß Jugendliche Jesus Christus als bedeutsam für ihr Leben erkennen, sich auf ihn einlassen, und so zusammen mit Gleichgesinnten lebendige Kirche bilden. Und ich möchte erreichen, daß Jugendliche fähig und bereit sind, die Welt mitzugestalten, das Angesicht der Erde zu erneuern.

Kernpunkt bleibt also, die Jugendlichen als Person zu stärken

und zu formen. Dies ist Voraussetzung dafür, daß sie sich engagieren können am Arbeitsplatz und in der Familie, in Pfarren und Parteien, in Initiativen und Genossenschaften.

In den politischen (auch den kirchenpolitischen) Zielen hat es den Anschein, daß gegenwärtig neben der Entwicklung neuer Ideen ein erheblicher Kraftaufwand dafür notwendig ist, Erreichtes zu sichern. Als Beispiel kann hier die Zivildienstgesetzgebung stehen. An formulierten Vorschlägen zur Weiterentwicklung mangelt es unsererseits nicht. Doch erfordern die Vorstöße von anderer Seite Richtung Verlängerung (und damit Abgehen vom Gleichheitsgrundsatz) besondere Wachsamkeit.

Nicht zuletzt im Blick auf Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kirche wird es wichtig sein, die Heilige Schrift und kirchliche Tradition, besonders die Dokumente des letzten Konzils, wieder stärker in den Blick zu nehmen, um daraus geistliche Substanz und allenfalls auch innere Freiheit zu gewinnen.

40 Jahre ist diese Katholische Jugend nun unterwegs. Vieles hat sich ereignet auf diesem Weg. Ich bin überzeugt, daß der Weg nicht in ein Land der Ruhe gemündet ist; wohl aber glaube ich, daß Gott weiter den Weg mit seinem Volk geht

Der Autor ist Bundesseelsorger der AKJÖ und Rektor dei KJWÖ.

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