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Das Artensterben geht weit

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Die Internationale Artenschutz-Konferenz in Kyoto, Japan, endete mit Kompromissen. Man muß schon froh sein, daß eine gefährdete Bärenart, der Baribal-Bär, von der lockeren dritten in die bessere zweite Schutzkategorie aufgenommen werden konnte, was die USA ganz und gar nicht wollten.

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Die Internationale Artenschutz-Konferenz in Kyoto, Japan, endete mit Kompromissen. Man muß schon froh sein, daß eine gefährdete Bärenart, der Baribal-Bär, von der lockeren dritten in die bessere zweite Schutzkategorie aufgenommen werden konnte, was die USA ganz und gar nicht wollten.

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Auch das Verbot des Handels mit Elfenbein, das für den Schutz des afrikanischen Elefanten vor Wilderern von Bedeutung ist, wurde prolongiert.

Hingegen bissen die Tierschützer mit allen Versuchen, die Wahnsinnsmethoden, mit denen der Thunfisch gejagt wird, endlich abzustellen, vor allem bei den Japanern auf Granit. Denn die Baribal-Jäger, die mit den begehrten Tatzen, den Fellen und Gallenblasen der Bärenart gute Geschäfte machen, haben zwar eine Lobby, aber ihre Umsätze fallen in keiner Statistik ins Gewicht. Vom Thunfisch lebt eine Industrie.

Bis zu 120 Kilometer lang sind die Netze, die von ganzen Fangflotten durch die Meere geschleppt werden. Das komplette Ausfischen so großer Meeresgebiete ist schlicht ein ökologisches Verbrechen. Aber nicht genug damit, die Fangflotten verlieren oft genug Netzteile - Versuche, sie zu bergen, wären aufwendig und ganz und gar unwirtschaftlich. Daher werden sie einfach sich selbst überlassen.

Sie sind aus nicht verrottendem Nylon von fast unbeschränkter Lebenszeit. In den verlorenen, treibenden Netzen fangen sich solange Thunfische, Delphine und viele andere Meerestiere, bis sie vom Gewicht der Kadaver in die Tiefe gezogen werden. Sobald der Inhalt verwest ist, steigen die Netze aber wieder empor, das Spiel beginnt von neuem.

Selbst durchgesetzte Schutzmaßnahmen werden unterlaufen. Nicht nur, daß die Liste der Wale, die nicht mehr gejagt werden dürfen, unvollständig ist - die Ausnahmebestimmung, die den Fang geschützter Wale „für wissenschaftliche Zwecke" gestattet, ist für die Katz', wenn das Fleisch der „für wissenschaftliche Zwecke" erlegten Riesensäuger in Kühlcontainern nach Japan verschifft werden kann. (Eine Sendung, die von Island nach Japan unterwegs war, wurde in Hamburg beschlagnahmt.)

Ein Problem, dem auch die Internationale Artenschutz-Konferenz völlig hilflos gegenübersteht, ist die Breite des Artensterbens, das sich derzeit abspielt. Die Artenschutz-Konferenz kann nur konkret aufgelistete Arten vor Verfolgung schützen. Die überwiegende Mehrzahl der aussterbenden Arten (nach Meinung einer überwiegenden Mehrheit der Zoologen und Botaniker täglich eine ganze Anzahl!) erliegt aber nicht Jägern. Fischern oder Tierhändlern, sondern schlicht der Zerstörung oder Vergiftung ihres Lebensraumes.

Seit der noch unerforschten Katastrophe, der vor rund 65 Millionen Jahren die Dinosaurier zum Opfer fielen, ist niemals in so kurzer Zeit ein so hoher Prozentsatz aller Lebewesen verschwunden wie heute. Sobald der Treibhauseffekt zuschlägt, wird selbst Eisbären und vielen Robbenarten kein Jagdverbot mehr nützen - auch sie werden dann voraussichtlich von selber aussterben.

In Lücken, die ein Massensterben von Arten reißt, dringen andere Arten vof. Großtierleben und mikrobielles Leben sind aber eng verflochten. Ein Effekt, der auch die Existenz des Menschen bedrohen kann.

Trotzdem sind die Artenschutz-Konferenzen sehr wichtig. Es kommt ja doch zu Minimal-Maßnahmen, vor allem aber wirken sie bewußtseinsbildend.

Die alarmierenden Zahlen über das Aussterben von Pflanzen und Tieren haben 1973 zur Unterzeichnung des „Washingtoner Artenschutzabkom-mens" geführt, bei dem eine Regelung des internationalen Handels mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen beschlossen wurde. Inzwischen haben 112 Staaten (erst 1982 auch Osterreich) die CITES, die „Convention of International Trade in Endan-geredSpeciesof Fauna and Flora", unterzeichnet, die für 4.000 Tier- und 40.000 Pflanzenarten Handelsverbote oder Handelsbeschränkungen zwischen den Vertragsstaaten vorsieht.

Das Abkommen umfaßt je nach dem Bedrohungsgrad drei Anhänge und wird alle zwei Jahre im Rahmen einer Mitgliederversammlung an aktuelle Populationsgrößen und Handelsausmaße angepaßt.

Vor wenigen Tagen ging in Kyoto die jüngste CITES-Konferenz zu Ende, die wieder einmal die Vielzahl an Problemen in der Erstellung und Überwachung derartiger internationaler Handelsabkommen zeigte. Betreffen sie doch vor allem arme Dritte-Welt-Länder, die ihre Wildtiere größtenteils als Nutztiere verstehen. Elfenbein und das Horn des Rhinozeros, Leoparden- und Bärenfelle, aber auch Reptilien oder exotische Vögel sind noch immer begehrte Handelsobjekte, die ihren Verkäufern vergleichsweise große Geldsummen bringen. Dementsprechend blühen für Wilderer und Schmuggler trotz drastischer offizieller Einschränkungen die Geschäfte. Auch für Tropenhölzer oder bestimmte Arzneipflanzen wird der Schutz durch massive Kon-zeminteressen erschwert.

Das Beispiel des afrikanischen Elefanten zeigt die Kommunikationsprobleme zwischen reichen und armen Ländern am deutlichsten: Die Errichtung von Nationalparks, die Betreuung von geschützten Elefantenpopulationen und letztendlich die Aufnahme des Elefanten in Anhang I (akut gefährdete Arten) der Artenschutz-Konvention hat vor allem in Kenya zu einer deutlichen Zunahme der Tiere geführt. Inzwischen ergeben sich neue Probleme: Die Elefantenherden müssen bereits dezimiert werden, da sie sonst ihre Lebensräume selbst zerstören. Elfenbein darf aber nicht legal verkauft werden, damit entgeht den staatlichen Wildhütern eine wichtige Einahmequelle, die wiederum zur Erhaltung der Reservate fehlt.

Der Antrag der afrikanischen Staaten auf Lockerung des Elfenbein-Handels wurde in Kyoto dennoch abgelehnt, worauf diese mit dem Austritt aus der CITES und der Wiederaufnahme des Elfenbeinhandels mit Nichtmitgliedsländem wie Taiwan und Korea drohten und finanzielle Unterstützung für „brave" CITES-Mitglieder einforderten. Der Elfenbeinschmuggel hat sich nämlich inzwischen nach Äthiopien und Zim-babwe verlagert.

Ähnliche Probleme gibt es bei Nashörnern, Geparden und Leoparden, deren Populationen sich gut entwickeln, die aber dennoch weiterhin als besonders schützenswert eingestuft wurden. Sämtliche Bärenbestän-de wurden in Anhang I oder II aufgenommen, da sie in China und der Mongolei besonders bedroht sind.

World-Wildlife-Fund und andere Tier- und Naturschutzorganisationen beklagen die Entwicklung in der Ar-tenschutzdiskussion, die sich immer mehr auf mediengerechte Kuscheltiere konzentriert. Traurige Augen des Pandabären, „edle" Wildkatzen und die Intelligenz der Elefanten rühren des Tierschützers Herz, füllen die Spendenkonten und Tierseiten. Es besteht damit öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung.

Vögel, Reptilien und Fische sind nicht minder bedroht, haben aber nicht annähernd die Aufmerksamkeit und deshalb auch weiterhin wenig Schutz.

Aktuelles Beispiel in Kyoto: Die Thunfischfangmethoden mit Riesennetzen. Sie sorgen zwar für Diskussionen unter Tier- und Artenschüt-zem, dennoch wurde auf Druck von Japan, USA und Kanada der Antrag Schwedens zurückgezogen, der Handelshemmnisse für Thunfische einforderte.

Bei den Pflanzen sind es einige wenige Tropenhölzer wie Mahagoni, di 2 durch die weltweiten Regenwald-Kampagnen von Umweltschützern mehr Aufmerksamkeit erhielten und in Anhang II aufgenommen wurden.

Die Dritte-Welt-Länder mußten sich einmal mehr massive Vorwürfe über mangelndes Problembewußtsein und zu nachsichtigen Umgang mit Wilderei und Schmuggel anhören. Über Mängel in der Durchführung des CITES-Abkommens in Amerika und Europa wurde wieder einmal nur am Rande gesprochen. Denn auch dabei geht es um viel Geld. Bekanntlich wird auch in Österreich so manche Einfuhrgenehmigung für extrem schützenswerte Tiere und Pflanzen im Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Ländern schließlich doch ausgestellt.

Prinz Philipp appellierte als Präsident des WWF-International an alle CITES-Konferenz-Teilnehmer, auch unspektakulären Tier- und Pflanzenarten mehr Aufmerksamkeit zu wid men und vor allem strengere Durchführungsbestimmungen und genauere Kontrollen zu ermöglichen. „Das Artensterben wird zur extrem gefährlichen Bedrohung der biologischen Vielfalt unserer Erde, von der unser eigenes Überleben abhängt" sagte er in seiner Eröffnungsrede.

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