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Das Buch vom Rosenkavalier

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Dieser Rosenkavalier ist ein wahres Glückskind — obwohl, nach neuesten Dokumenten, seine Vaterschaft nicht ganz unumstritten ist und seine Geburt keineswegs so leicht war, wie das gelungene Endprodukt vermuten läßt. „Der Rosenkavalier“ von Strauss und Hofmannsthal, der im vorigen Jahr seinen 60. Geburtstag begehen konnte, ist fast die einzige Oper aus neuerer Zeit, die sich durch so viele Jahrzehnte der unge-minderten Gunst eines breiten Publikums erfreut. Damit allein schon ist-dieses große und reichausgestattete Buch gerechtfertigt. Der beste Kenner der Materie, der angesehene Schweizer Musikkritiker und Strauss-Spezialist, Dr. Willi Schuh, hat es herausgegeben, und der gründlichste Kenner des Hofmanns-thalschen Werkes, Dr. Rudolf Hirsch, hat ihm dabei assistiert.

Was also finden wir in diesem Buch? Da sind einmal, nach einem ausführlichen Vorwort des Herausgebers, sämtliche Varianten des Textes abgedruckt, mitsamt einer - von der Endgestalt völlig abweichenden Fassung des 2. Aktes. Es gibt nämlich 1. Hofmannsthals Textvorlage für den Komponisten, die durch ein Typoskript beglaubigt ist, 2. die Änderungen, die der Komponist mit Bewilligung des Dichters vorgenommen hat, 3. das gedruckte Libretto, 4. den Klavierauszug, 5. die Partitur und 6. die Buchausgabe des Hof-mannsthalschen Textes, in welcher dieser alle dem Komponisten zugestandenen Änderungen wieder eliminiert hat, den 2. Akt aber in der von Richard Strauss angeregten Neufassung bringt.

Technisch ist das so gemacht, daß der Herausgeber als Grundlage den Text der Partitur abdruckt und in mit akribischer Genauigkeit, ja mit Pedanterie erarbeitenden Fußnoten, die übrigens sehr übersichtlich und gut lesbar sind, sämtliche Varianten mitteilt (es sind mehrere hundert).

Da bei dieser Oper — das haben beide Autoren übereinstimmend so empfunden — die szenische Realisierung fast ebenso wichtig ist wie das dichterische und musikalische Konzept, haben sie von Alfred Roller einen bis ins Detail gehenden Inszenierungsplan ausarbeiten lassen. Er umfaßt, mit den vielen Regieskizzen, Regiebemerkungen, Dekorationen und Kostümen fast 40 Seiten — und ist auch heute noch gültig. Ja mehr als das: jede Abweichung von diesem Konzept hat sich noch immer gerächt. Aber das wollen jüngere Regisseure nicht wahr haben ...

Nach zwei Originalbeiträgen Hofmannsthals (einem „Ungeschriebenen Nachwort“ von 1911 und „Zum Geleit“ von 1927) folgen dann auf den Seiten 226 bis 300 sämtliche auf den „Rosenkavalier“ bezüglichen Briefe bzw. Briefstellen, darunter viele bisher unbekannte. Zwar kannte man aus der Korrespondenz zwischen Hofmannsthal und dem Jugendfreund Harry Graf Kessler die Entstehungsgeschichte, aber hier wird diese Frage, nämlich die nach der Autorschaft, der Priorität des ersten Einfalls, noch einmal aufgerollt, zuweilen nicht ohne Gereiztheit beider Beteiligten. Natürlich fehlen auch die Briefe an Richard Strauss, an den Verleger und andere mit der Realisiedung des Werkes Befaßte nicht.

Der letzte Teil wird für viele der interessanteste sein: Hier wird nämlich, unseres Wissens zum erstenmal, das vollständige Szenarium eines „Rosenkavalier-Films“ veröffentlicht, den Hofmannsthal 1925 plante. Es umfaßt nicht weniger als 20 große Druckseiten und ist äußerst reizvoll. Denn es führt aus der Residenzstadt hinaus in die niederösterreichische Landschaft, zeigt Dorf und Feld, Wald und Fluß, ein Damenstift und das Kriegszelt des Feldmarschallleutnants — und natürlich auch diesen selbst. Diesen Film hat es gegeben, ein Herr Wiene hat ihn gemacht, er wurde auch aufgeführt, schlummert aber, zurecht, heute in einem Archiv: Das Hofmannsthalsche Filmszenarium blieb bis heute unreall-siert.

„DER ROSENKAVALIER.“ Hugo von Hofmannsthal-Richard Strauss. Fassungen, Filmszenarium, Briele. 340 Seiten, 24 Abbildungen. S.-Fi-scher-Verlag (Preis 58 DM).

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