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Das Budget als Achillesferse

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„Die Bundesregierung verfolgt auch 1979 in der Wirtschaftspolitik eine Doppelstrategie, die global restriktiv, aber gezielt expansiv konzipiert ist, in dem Bemühen, Vollbeschäftigung bei größtmöglicher Stabilität und sich ständig verbessernder Außenwirtschaft zu erhalten und damit neuerlich die Prognoseerwartungen zu übertreffen.“

Der Realisierung dieser wirtschaftspolitischen Strategie, die der Finanzminister in seiner jüngsten Budgetrede formuliert hat, stehen nun einige grundsätzliche Schwierigkeiten entgegen, die in der Wirtschaftspolitik selbst - so etwa in der Budgetpolitik - begründet sind.

Wir stehen heute vor der Situation, angesichts unterdurchschnittlicher Wachstumsraten mit einem Budget der „Notwendigkeiten“ ins nächste Jahr gehen zu müssen, das „global restriktiv“ - weil sanierungsbedürftig - ist, während die anstehenden Beschäftigungsprobleme sehr wohl eine expansivere Konzeption des Budgets hätten ratsam erscheinen lassen. Die hohen Defizite der Vorjahre, die ohne nachhaltige Effekte auf das Wachstum blieben, haben es nun nicht mehr erlaubt, das Nettodefizit (das Defizit ohne Tilgung und Zinsen für die Staatsschuld) zu erhöhen.

Der Zustand des Budgets ist nun deswegen als kritisch zu bewerten, weil die Probleme, die es zu lösen gilt, keineswegs nur temporärer, sondern fundamentaler Natur sind - wie sie etwa in der Strukturschwäche der österreichischen Wirtschaft deutlich werden. Darüber, daß diese Strukturprobleme noch lange nicht gelöst sind, können die momentanen Erfolge an der Exportfront nicht hinwegtäuschen.

Die Wirtschaftspolitik ist nur dann in der Lage, die notwendigen Anpassungsprozesse an die gewandelte Nachfragestruktur einzuleiten, wenn sie nicht durch Maßnahmen - etwa der Budgetpolitik - den Spielraum der Unternehmen, aber auch den Spielraum des Bundeshaushaltes, einschränkt, und das in einer Situation, die einen großen Spielraum für expanisve Maßnahmen notwendig macht.

Als Hersteller von Produkten, die auf dem Weltmarkt einer starken Konkurrenz ausgesetzt sind, sieht sich die heimische Wirtschaft sowohl einer schwachen inländischen Nachfrage wie auch einer verstärkten Konkurrenz auf den Exportmärkten gegenüber.

Die Unternehmen müssen daher versuchen, auf Produkte umzusteigen, die know-how-intensiv sind und deren Nachfrage weniger preiselastisch ist als beim derzeitigen Angebot.

Die nach wie vor gravierenden Lei-stungsbilanzdefizite sprechen hier

eine deutliche Sprache: Sie sind Symptom einer ungenügenden Anpassung der Produktionsstruktur an die Marktbedürfnisse und eines zu hohen Exportpreisniveaus, aber auch einer ungenügenden Berücksichtigung der Strukturpolitik im Rahmen der Wirtschaftspolitik.

Das Leistungsbilanzdefizit ist aber als Thema öffentlicher Diskussionen in den letzten Monaten Von den stetig steigenden Budgetdefiziten, abgelöst worden. Ähnlich der Entwicklung in Produktion und Außenhandel zeigt auch das Budget seit Anfang der siebziger Jahre deutliche Schwächen - so etwa eine immer geringere Ergiebigkeit der öffentlichen Einnahmen, eine starke Zunahme des Zuschußbedarfes für die Bundesbetriebe - die aber damals durch das starke Wirtschaftswachstum überdeckt wurden.

Der Versuch, die Rezession 1975 durch eine starke Ausweitung des Budgetdefizites und des inlandwirksamen Defizites (1974: 5,78 Milliarden, 1975: 26,13 Milliarden) zu übertauchen, hat das bislang als temporär und jederzeit reversibel angesehene Defizit des Bundeshaushaltes zu einer Dauereinrichtung gemacht.

Budgetdefizite sind nun nicht ä priori schlecht. Vielmehr ist hier stets die Frage zu stellen, ob die Mittel effizient ausgegeben werden. Haben Budgetdefizite nämlich einen positiven Einfluß auf das Wachstum (und keine starken Nebenwirkungen etwa auf das Preisniveau oder die Importe), so liquidieren sie sich ja im Aufschwung selbst.

Wenn die Budgetdefizite jedoch strukturell sind und keinen positiven Effekt auf Wachstum und Beschäftigung haben, wird die Situation kritisch. Denn in Stagnationsphasen, wie wir sie heute erleben, liquidieren sich Budgetdefizite nicht selbst und werden irreversibel. Die steigende Staatsverschuldung wird dann zur Hypothek für künftige Budgets.

Die Finanzschuld des Bundes, die 1979 etwa 232,5 Milliarden Schilling (26 Prozent des BNP oder 81 Prozent des Budgets) ausmacht und fast 36 Milliarden Schilling an Zinsen und Tilgung verschlingen wird, ist von ihrer Höhe her im internationalen Vergleich sicher noch nicht in kritische Regionen gelangt.

Auch gibt es bis heute keine Ökonomischen Grenzen der Staatsschuld, wohl aber politische, weil eine steigende Staatsschuld notwendigerweise Effekte auf die Funk-tionsfähigkeit des Budgets als wirtschaftspolitisches Instrument hat. Die latente Gefahr, vor der wir damit stehen, liegt darin, daß die Budgetsanierung nicht über die Ausgabenseite erfolgt, sondern durch Erhöhung der Einnahmen, was eine Einengung des Spielraumes für private Investitionen mit sich bringt.

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