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Das Bundesheer im SPÖ-Visier

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Jungwähler wenden sich scharenweise von der Poli­tik ab. Viele gehen über­haupt nicht zur Wahl. An­dere wenden sich von den Regierungsparteien ab. Womit sie ködern?

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Jungwähler wenden sich scharenweise von der Poli­tik ab. Viele gehen über­haupt nicht zur Wahl. An­dere wenden sich von den Regierungsparteien ab. Womit sie ködern?

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Polit-Strategen und Wahlkampf-Haudegen wissen es aus Erfahrung: Eine Partei, die in die Defensive gerät, die sich auf Diskussionen über sich einlassen oder auf fremd­bestimmte Themen eingehen muß, hat ihre Erfolgschancen bei Wah­len lange vor dem Wahltag ver­spielt.

Daher gleichsam die Faustregel, die quer durch für alle Parteisekre­tariate gilt: Themen „besetzen" und durch Vorgaben die öffentliche Dis­kussion darüber bestimmen. Wer zuerst kommt, mahlt auch da zu­erst. Je abstrakter ein Thema, desto schwieriger ist die Thematisierung, je konkreter, umso erfolgverspre­chender.

Ist noch dazu der Boden in der Öffentlichkeit aufbereitet, erspart man sich die Mühe, zuvor erst ein­schlägiges Problembewußtsein schaffen zu müssen. Man setzt sich einfach auf ein Thema „drauf". Be­sonders interessant - und verführe­risch - wird das für eine politische Partei dann, wenn sie damit zudem Reformgeist signalisieren und ganz überlegt Zielgruppen der Wahlbe­rechtigten ansprechen kann, deren Mobilisierung für den Wahlausgang von ausschlaggebener Bedeutung ist, aber gleichzeitig die an­gestammte Klientel nicht vor den Kopf gestoßen wird. ,..

Vor diesem wahlstrategischen Hintergrund-besser: Hintergedan­ken - hat die SPÖ jetzt das Bundes­heer ins Visier genommen.

• Die SPÖ war bis zuletzt - durch Lucona, Noricum und so weiter- in der Defensive. Ihre Attraktivität hat sich in nur neun Buchstaben er­schöpft: Vranitzky. Kein einziges Sachthema brachte die größere Regierungspartei bestimmend über die Rampe.

„Vier Monate sind genug!" erst­mals seit Monaten - Jahren? - be­stimmt die SPÖ wieder Thema und Tempo einer Diskussion, hat es der politischen Konkurrenz aufge­zwungen. Das war für die Soziali­sten wahlpsychologisch - auch zur Motivation der eigenen Funktionä­re - zum jetzigen Vorwahlzeitpunkt ungeheuer wichtig.

• „Vier Monate sind genug!" Die gesprochen werden zudem die Jungwähler.

• Jungwähler - dem Geburtsjahr­gang nach - sind heute, zahlreiche Studien belegen es, sehr oft zuerst Nicht-Wähler. Oder sie sympathi­sieren mit blauer oder grüner Al­ternative. Das ist ein Problem der Regierungsparteien insgesamt, aber vor allem junge SPÖ-Sympathisan-ten sind „grün-anfällig".

Außerdem: Bisherhaben SPÖ und ÖVP, Verdruß ausgenommen, jun­gen Wählern konkret wenig zu bie­ten. Dieses Manko versucht der Slogan von der weiteren Wehr­dienstzeitverkürzung wettzuma­chen. Und man kalkuliert sehr genau. Daß das Grün-Postulat ei­ner Abschaffung des Bundesheeres politische Realität wird, ist (noch) Befragte unter Dreißig - besonders ausgeprägt bei SPÖ- und Grün-Sympathisanten - der kürzer die­nen wollte.

• Die Rechnung ist denkbar ein­fach: Verglichen mit dem ansprech­baren Wählerpotential fällt die Gruppe jener, die gegen eine wei­tere Wehrdienstzeitverkürzung sind, nicht ins Gewicht. Ein Gutteil der sachlich widersprechenden Heeresangehörigen zählt ohnehin nicht zur SPÖ-Klientel, der Rest fällt nicht ins Gewicht. Einschlägi­ge Erfahrungen aus der Reformdis­kussion 1970/71 sind aktenkundig. Letztlich wurden damals sogar Heeresangehörigen per „Maul­korb-Erlaß von Bruno Kreiskys Verteidigungsminister Karl Lüt­gendorf kritische Äußerungen zur Heeresreform verboten. • Bei der Aufbereitung des Bodens für den SPÖ-Vorstoß haben „Kro­nen Zeitung" und „Die ganze Wo­che" (FURCHE 4/1990) ganze Vor­arbeit geleistet. Die sonst mühsame Thematisierung eines Problems wurde frei Haus geliefert.

Wenn vor diesem Hintergrund zu­erst FPÖ-, dann ebenso ÖVP-Poli-tiker auf den fahrenden Zug auf­springen und die Thematik noch vor dem Wahltag einem Volksent­scheid unterwerfen wollen, wird -über die Anbiederung an die Mas­senpresse hinaus - nicht minder wahlstrategisch taktiert: Das The­ma soll vor dem Wahltag „erledigt" sein.

Daran kann wiederum die SPÖ -und die Äußerungen von Franz Vranitzky, die „staatstragend" auf ausführliche Diskussion der Hee­resreform pochen, bestätigen das -kein Interesse haben: Aus den dar­gelegten Gründen darf es vor dem Wahltag zu keiner Entscheidung kommen.

Auch wenn das Zehn-Punkte-Programm der SPÖ zur Heeresre­form, sicherheitspolitisch verbrämt, in acht Punkten eigentlich von al­len als diskussionswürdig erachtet wird: Der harte Kern ist und bleibt - neben der Abschaffung der Zivil­dienstkommission, die eine Abkehr von der allgemeinen Wehrpflicht bedeuten würde - die Wehrdienst­zeitverkürzung.

Nicht Aufgabenstellungen der Landesverteidigung und Reform­vorstellungen des Bundesheeres reihen vor der Frage der Wehr­dienstzeit, sondern umgekehrt. „An der Verkürzung der Wehrdienst­zeit wird nicht gerüttelt", hat SPÖ-Zentralsekretär Josef Cap bereits aus der (Partei-)Schule geplaudert.

Spiegelgleich wiederholt sich da­mit die Heeres-„Reform"-Diskus-sion vor zwei Jahrzehnten - wahr­scheinlich mitsamt Reformkommis­sion und ergebnislosen Parteien­verhandlungen, mitsamt dem Bruch zwischen SPÖ und (auch ihren) Militärs. Das Ergebnis: dem von der SPÖ erzielten Wahlergebnis angepaßt. Das ist aber auch schon die einzige Unbekannte in dieser Rechnung.

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