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Das Burgenland will eine „Region mit Entwicklungsrückstand” sein

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EU-Regionalkommissar Bruce Millan könnte diese Woche bei seinem Österreich-Besuch den Burgenländern ein Geschenk mitbringen: Die Einstufung als „Region mit Entwicklungsrückstand”.

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EU-Regionalkommissar Bruce Millan könnte diese Woche bei seinem Österreich-Besuch den Burgenländern ein Geschenk mitbringen: Die Einstufung als „Region mit Entwicklungsrückstand”.

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Begonnen hatte es mit einer aufgeregten Meldung der „Zeit-im-Bild” -Auslandsredaktion: 39,3 Prozent Österreichs (bezogen auf die Bevölkerung) würden von der EU (der „Europäischen Union”, vormals EG) als förderungswürdige Gebiete eingestuft. Vor allem für das Burgenland hätte dies Folgen, die den Landespolitikern das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt: Der Gesamt-Topf an Regionalförderungen aus EU-Mitteln umfaßt 1994 rund 300 Milliarden Schilling. Burgenlands Landeshauptmann-Vize Gerhard Jellasitz (ÖVP) hofft auf „mehrere hundert Millionen Schilling jährlich”, die das jüngste Bundesland daraus lukrieren könnte.

Bereits am Tag nach der OBF-Jubelmeldung folgte das verschämte Dementi via Teletext. Und auf Anfrage schwächen sowohl das Büro von Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer als auch die EU-Botschaft in Wien ab: Die Strukturförderung der EU sei überhaupt noch nicht Gesprächsthema der Beitrittsverhandlungen gewesen. Bisher sei es lediglich um die Zulassung nationaler Be-gionalförderungen (Stichwort: Chrysler, General Motors, ...) gegangen. Und selbst wenn die heißbegehrte Einstufung als „Ziel 1” geschafft werden sollte, bedeute das noch lange keinen Geldregen in die

Landeskassen: Gefördert werden ausschließlich konkrete Projekte nach den EG-Bichtlinien.

Die EU-Begionalförderung kennt sieben Kategorien: „Begionen mit Entwicklungsrückstand” („Ziel 1”; Fördersätze bis zu 75 Prozent der Investitionssumme); „Industrielle Umstrukturierungsgebiete” (Ziel 2; Fördersätze bis zu 50 Prozent); „Langzeitarbeitslosigkeit und berufliche Eingliederung der Jugendlichen” (Ziel 3 und 4); „Anpassung der Agrarstrukturen” (Ziel 5a); „Entwicklung des ländlichen Baumes” (Ziel 5b) sowie „Übergangs- und innovative Maßnahmen'.

Jellasitz, soeben von einem Besuch bei dem für die Beitrittsverhandlungen zuständigen niederländischen EG-Kommissar Hans van den Broek zurückgekehrt, weiß freilich zu berichten, daß auf Expertenebene bereits über die Begionalför-derungen verhandelt wurde. Es sei nicht zu erwarten, daß es auf politischer Ebene noch zu weitreichenden Änderungen komme.

Vorbild Flevoland

Daher habe er die Hoffnung, daß das gesamte Burgenland als „Ziel-1-Gebiet” definiert wird, berichtet Jellasitz. Auch die niederländische Be-gion Flevoland, mit ähnlichen Strukturdaten wie das Burgenland, sei als „Ziel 1” eingestuft worden.

Auch Landeshauptmann Karl Stix (SPÖ) hat „Signale aus Brüssel”, daß das gesamte Burgenland als förderungswürdiges Gebiet eingestuft wird. Bereits diese Woche sollen dem für Begionalpolitik zuständigen EU-Kommissar Bruce Millan bei seinem Burgenland-Besuch Projekte vorgestellt werden: der „Industriepark Nord”, neue Fachhochschulen, ein Thermalprojekt im Mittelburgenland und der Nationalpark Neusiedlersee.

Nicht ausgeschlossen wird, daß Millan mit einem verfrühten Weihnachtsgeschenk nach Eisenstadt kommt: der Zusage, daß die Einstufung des gesamten Burgenlandes als „ Ziel-1-Gebiet” in den EG-Beitrittsvertrag aufgenommen wird.

Für alle anderen Begionen Österreichs, die auf den Geldregen aus Brüssel hoffen, geht das Gerangel aber erst richtig los: Dabei geht es nicht nur darum, sich gegenüber der EU durchzusetzen, sondern auch gegenüber der „Konkurrenz” in Österreich. Eine Vorentscheidung könnte bei der Tagung der Raumordnungs-konferenz am Freitag fallen, an der Millan teilnehmen wird.

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