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Das dicke Ende kommt nach der Wahl 1979

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Wie schon Dr. Wolfgang Schmitz, ehemals Finanzminister und Notenbankpräsident, in der letzten FURCHE geschrieben hat, ist derzeit eine Budgetsanierung ohne Kurskorrektur der gesamten österreichischen Wirtschaftspolitik unmöglich. Diese Kurskorrektur müßte aber so einschneidend sein, daß sie wahrscheinlich nur von einer Koalition der Großparteien durchgezogen werden könnte.

Die Budgetvorschau für die Jahre 1976 bis 1980 des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen wurde deshalb auch von Schmitz als eines der bedeutendsten politischen . Dokumente seit langem bezeichnet.

Während in den Kommentaren der Presse zu dieser Studie bisher vor allem die Defizitexplosion des Budgets und die Verdoppelung der Staatsschuld in den nächsten vier Jahren behandelt wurde, soll hier einmal die eigenartige Schuldenpolitik des Finanzministers beleuchtet werden.

Die Vervielfachung der österreichischen Finanzschuld während des Jahrzehnts sozialistischer Wirtschaftspolitik von 44 Milliarden Schilling im Jahre 1969 auf wahrscheinlich mehr als das sechsfache im Jahre 1980, die Prognosedaten schwanken zwischen 283,4 und 305 Milliarden Schilling, je nachdem ob es zu einer Anpassung des Steuertarifs an die Inflation kommt oder nicht, ist nicht nur eine Folge der hohen Budgetdefizite. Dahinter steckt auch eine ganz bewußte Politik der tilgungsfreien Jahre bis 1979 bei der Neuaufnahme von Schulden. Durch das systematische Hinausschieben der Tügungen wachsen natürlich der Zinsenaufwand und diė Höhe der Finanzschuld rascher.

In den Jahren 1976 bis 1979 entfallen auf Grund dieser Politik nur knapp 50 Prozent des Finanzschuldenaufwandes auf Tilgungen, erst ab dem vierten Quartal 1979 (der spätest mögliche Zeitpunkt für Neuwahlen ist der erste Oktobersonntag 1979) steigen die Kapitalrückzahlungen, also die Tilgungen der Staatsschuld, massiv an.

Nach der Variante B der zitierten Budgetvorschau steigt der Finanzschuldenaufwand von 24 Milliarden Schilling im Jahre 1977 auf 54,8 Milliarden Schilling im Jahre 1980 an. Beträgt der Tilgungsaufwand im Jahre 1977 noch bescheiden 12,3 Milliarden Schilling, so beträgt er 1980 bereits 33 Milliarden Schilling, während für Zinsen und sonstige Kosten weitere 21,8 Milliarden Schilling aufzuwenden sein werden. Der Finanzschuldenaufwand wird dann 16 Prozent der gesamten Budgetausgaben beanspruchen, d. h. ein Sechstel aller Budgetausgaben.

Vom Standpunkt einer antizyklischen Budgetpolitik wäre es daher schon ab 1976, sobald die jüngste Rezession überwunden war, notwendig gewesen, mit der Reduktion des Budgetdefizits und der aufgenommenen Schulden zu beginnen. Statt dessen wuchs das Budgetdefizit noch im Jahre 1977 ungebremst weiter und an Stelle einer systematischen Staatsschuldenpolitik, die in der Konjunktur mit dem Schuldenabbau beginnt, hatte die Staatschuldenpolitik nur die Aufgabe, die größer werdenden Löcher so zu füllen, daß die Schuldenlasten möglichst spät der Öffentlichkeit bewußt werden.

Die völlige Unbeweglichkeit der Budgetpolitik ab 1980 nahm man dafür in Kauf. Daher werden auch in den kommenden zwei Budgets dieser Regierung die Ausgaben für Schuldentilgungen unterproportional wachsen, man verschiebt, was nur zu verschieben geht, in eine fernere Zukunft.

Die Regierung sollte ihre Budgetpolitik in den nächsten zwei Jahren nicht mehr als eine antizyklische, die Beschäftigung und eine stetige Konjunkturentwicklung sichernde Politik bezeichnen, der einzige voll zutreffende Name für diese Politik ist „wahlzyklische Schuldenpolitik”. Vielleicht trägt die Regierung so wenigstens zur Erweiterung der nationalokonomischen Terminologie bei.

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