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Das Doppelspiel der KPF

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Die französischen Kommunisten machen neuerdings große Anstrengungen, um ihrem sozialistischen Partner und der öffentlichen Meinung ihre Regierungstreue zu beweisen. Sie benützen jede Gelegenheit zu Loyalitätserklärungen und billigen sogar offiziell die Stabilisierungspolitik, obwohl sie mit ihren eigenen Vorstellungen bei weitem nicht übereinstimmt. Besonders korrekt verhalten sich die kommunistischen Minister, die kritische Stellungnahmen sorgfältigst vermeiden.

Die Kommunisten lassen sich hierbei natürlich nicht von politischen Uberzeugungen leiten, sondern nur von taktischen Erwägungen. Es ist ihr oberstes Ziel, alle Möglichkeiten, die sich für sie zur Stärkung ihrer Position aus der Regierungsbeteiligung ergeben, auszubeuten.

Es geht ihnen hierbei nicht nur um die Unterwanderung der Verwaltung, sondern auch um die Ausweitung des Einflusses der mit ihr politisch verbundenen Gewerkschaft CGT, die als Bestandteil des Regierungslagers über größere Bewegungsfreiheit verfügt, als es früher der Fall gewesen war.

Andererseits sind in den Gemeindewahlen des kommenden

Frühjahrs die Kommunisten auf den sozialistischen Beistand angewiesen, wenn sie eine allzu katastrophale Niederlage vermeiden wollen. Selbst in diesem Falle werden augenblicklich ihre Erfolgsaussichten verhältnismäßig gering eingeschätzt. Sie dürfen aber damit rechnen, daß die Sozialisten ihrem Koalitionspartner einige Zugeständnisse machen müssen, um ihm zu gestatten, einigermaßen das Gesicht zu wahren.

Die kommunistische Partei läßt sich aber trotzdem alle Hintertüren offen. Ihre Zustimmung zur Regierungspolitik verbindet sich mit einer Reihe von Vorbehalten und Bedingungen, die den Erfolg der getroffenen Maßnahmen in Frage stellen würden, wenn sich der Staatspräsident und sein Premierminister darauf einließen.

Ganz entschieden wird jede Austerität zurückgewiesen und hiermit jede Verringerung der Kaufkraft. Es bleibt die den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Gesetzen zuwiderlaufende These der Kommunisten, daß die Unternehmer sehr wohl in der Lage sind,, durch eine angemessene Preispolitik die Inflation einzudämmen, ohne daß die Arbeitnehmer Opfer zu bringen haben. . Da sie die gesamte Wirtschaft verstaatlichen wollen, ist es ihnen gleichgültig, wenn durch die von ihnen empfohlene Politik die privaten Unternehmen in größte Schwierigkeiten geraten und vor allem nicht mehr investieren können.

Am gefährlichsten ist jedoch das kommunistische Spiel in den Betrieben. Ihre Gewerkschaft CGT hat in den letzten Monaten der Automobilindustrie durch nach weitverbreiteter Uberzeugung überwiegend politische Streiks erheblichen Schaden zugefügt.

Die ihr gelegentlich unterstellte Absicht, diese Industrie zu ruinieren, ist wohl eine übertriebene Vermutung. Denn es ging ihr vor allem darum, die dort besonders stark vertretenen Fremdarbeiter zu mobilisieren und endgültig in ihren Bannkreis zu ziehen, um sich so für spätere politische Aktionen eine starke Position aufzubauen. Wahrscheinlich will sie auch die Regierung warnend darauf aufmerksam machen, daß sie durchaus in der Lage ist, im zweckmäßigen Augenblick ganze Zweige der französischen Industrie lahmzulegen.

Die Rücksicht der Sozialisten auf den Koalitionspartner, dem man eine ihm höchst unangenehme Wirtschafts- und Sozialpolitik aufzwingt, erleichterte ferner die Agitation der CGT in den Betrieben. Während der letzten Wochen gelang es ihr, sich stark in den Vordergrund zu spielen, so daß die zweite Linksgewerkschaft, die der sozialistischen Partei nahestehende CFDT, fast zur Rolle des armen Verwandten verurteilt wurde.

Stark zu denken gibt allen hellsichtigen Beobachtern die von den Kommunisten und ihrer Gewerkschaft gleichzeitig energisch vorgebrachte Forderung nach aktiver Beteiligung der Belegschaftsmitglieder an der Preis-und Produktionspolitik der einzelnen Betriebe. Durch die Uber-wachung der Preise wollen sie die Gefährdung der Kaufkraft verhindern, durch den Eingriff in die Produktionsprogramme die Einfuhren drosseln, indem sie die Unternehmer zwingen, alle benötigten Waren zur Rückeroberung des Binnenmarktes zu erzeugen, in beiden Fällen natürlich ohne Rücksicht auf die Rentabilität.

Am gefährlichsten ist das mit dieser Forderung verbundene politische Ziel, nämlich die Einengung der Unternehmerfreiheit und die schrittweise Sowjetisie-rung der französischen Betriebe. Die Kommunisten wissen natürlich, daß die Regierung sich nicht auf dieses politische Glatteis begeben will, noch begeben kann. Sie hoffen aber doch, ihren Einfluß zu stärken, und sie haben außerdem die Gewißheit, die Wirtschaft zu verunsichern, um so zu dem von ihnen von Anfang an gewünschten Fehlschlag Mitterrands beizutragen.

Die französischen Kommunisten warten auf ihre Stunde, um den Sozialisten diejenigen Wählerschichten, die ihnen den Sieg brachten, wieder wegzunehmen. Ohne es offen zu sagen, sind sie der gleichen Meinung wie der Gaullistenpräsident Chirac, der Mitterrand für Mitte nächsten Jahres eine verhängnisvolle wirtschaftliche und sozialpolitische Sackgasse voraussagt.

Ihre Spekulation ist es, das Regierungsschiff zu verlassen, sobald die Unzufriedenheit ein genügendes Ausmaß erreicht, um die ihnen vorschwebende soziale Unruhe auszulösen.

Es könnte aber auch vorher der Augenblick kommen, an dem die Sozialisten das Doppelspiel der Kommunisten nicht mehr zu dulden vermögen und Mitterrand gezwungen ist, vielleicht sogar vor den Gemeindewahler., mit diesem schwierigen, nur um seine eigenen Interessen besorgten Koalitionspartner zu brechen.

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