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Das Ende der ,Grünen Revolution'

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1973 beschloß das Parlament der Indischen Union, den Getreidehandel zu verstaatlichen. Das war im Auftrag der Unionsregierung der Indira Gandhi und mitten in der Dürre nach dem monsunarmen Jahr 1972. Die Getreidehändler waren dagegen. Der verstaatlichte Getreidehandel konnte den Folgen der Trok-kenheit nicht beikommen. Das Getreide wurde von den Großbauern und von den Getreidehändlern gehortet, und eine korrupte Bürokratie stellte die Weichen zu den schwarzen Märkten. Die Getreide- und die Reisfelder trugen nach dem guten Monsun im Sommer 1973 reiche Ernte. Doch die Rationsläden in den Städten blieben weiter leer. Im Frühjahr 1974 brachte das Versickern der Kunstdüngerversorgung infolge der ölpreiserhöhung dann die schwarzen Märkte zum Überfluten und die Preise weit außerhalb der Reichweite von zumindest vierhundert Millionen Menschen. Neun Monate lang ließ man zu, daß der Verteilungssozialismus in ein Verteilungschaos wuchs. Nun, da Getreidepolitik, Erdölpreis, Inflation durch Mangelwirtschaft ineinander zur unüberwindlichen Krise verwuchsen und Aufstände das Regime der sozialistischen Kongreßpartei gefährdeten, holte man die Getreidehändler wieder zurück.

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1973 beschloß das Parlament der Indischen Union, den Getreidehandel zu verstaatlichen. Das war im Auftrag der Unionsregierung der Indira Gandhi und mitten in der Dürre nach dem monsunarmen Jahr 1972. Die Getreidehändler waren dagegen. Der verstaatlichte Getreidehandel konnte den Folgen der Trok-kenheit nicht beikommen. Das Getreide wurde von den Großbauern und von den Getreidehändlern gehortet, und eine korrupte Bürokratie stellte die Weichen zu den schwarzen Märkten. Die Getreide- und die Reisfelder trugen nach dem guten Monsun im Sommer 1973 reiche Ernte. Doch die Rationsläden in den Städten blieben weiter leer. Im Frühjahr 1974 brachte das Versickern der Kunstdüngerversorgung infolge der ölpreiserhöhung dann die schwarzen Märkte zum Überfluten und die Preise weit außerhalb der Reichweite von zumindest vierhundert Millionen Menschen. Neun Monate lang ließ man zu, daß der Verteilungssozialismus in ein Verteilungschaos wuchs. Nun, da Getreidepolitik, Erdölpreis, Inflation durch Mangelwirtschaft ineinander zur unüberwindlichen Krise verwuchsen und Aufstände das Regime der sozialistischen Kongreßpartei gefährdeten, holte man die Getreidehändler wieder zurück.

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Die Entscheidung wurde nicht von der Zentralregierung in Delhi, sondern von den Chefministern in den Bundesstaaten gefällt. Die noch immer charismatische Indira Gandhi schwebt über Wolken und Krisen. Den moralisch und politisch anfälligen Regierungen der siebzehn Bundesstaaten ging es an den Kragen. Und das Regime der Indira Gandhi — mitsamt seinem Sozialismus — hängt von den Machtstrukturen der Kongreßregierungen in den Bundesstaaten ab. Nahrungsmittelmangel plus wuchernder Korruption steigern die Hungermärsche in politische Manifestationen gegen die Machtbasen der Kongreßpartei in den Bundesstaaten: Bürokratie, Besitz, Handel.

„Seit zwei Monaten verrint kein Tag ohne Polizeisalven auf Demonstranten“, schrieb die „Hindustan Times“.Um das Regime in Delhi und die Regierungen in den Bundesstaaten zu retten, mußte man nunmehr die Verteilung der Nahrungsmittel wieder zum Funktionieren bringen. Um die Verteilung der Nahrungsmittel zu sichern, mußte den Besitzern und deren Waren, den Händlern und deren Apparaten wieder das Feld überlassen werden. Bürgerkriegsähnliche Zustände in den Bundesstaaten Gujarat, Bihar, Maharashtra, veran-laßten eine Konferenz der bundesstaatlichen Cheftninister, die Zentralregierung zur Umkehr aufzufordern.

Vorder Kritik der Ohefmiinister,um deren Haut es ging, mußten die Sozialisierer der Zentralregierung ihr Versagen eingestehen. Die alte Machtbasis der „sozialistischen“ Kongreßpartei in den Dörfern hat nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch über die Mitintellektuellen Ideologen um Indira Gandhi gesiegt. In einem Gespräch zog der Chefredakteur der größten Tageszeitung Indiens die Bilanz: „Das kurzlebige Experiment eines Verteilungssozialismus in einem Staat der landbesitzerisch-großbürgerlich-bürokratischen Machtteilung hat die Bürokratie mit schwarzem Geld bereichert. Die Rückkehr zum alten System des Getreidehandels hat die alten Dorfgewalten gefestigt. Die Not der Stadtarmut, die Hilflosigkeit der Landarmen ist dabei gewachsen.“

Und wieder hat der rhetorische Radikalismus der Reaktion geholfen. Jetzt werden sich — um abzulenken — Zentral- und Staatsregierungen, die ganze Regierungspartei, wieder an neuen Radikalismen überschlagen.

Zur Sicherung der Armenversorgung mit Grundnahrungsmitteln zu kontrollierten Preisen war die Rationierung eingeführt worden. Die Rationsläden waren damals Re't-tungsinseln in den Notstandsgebieten. Im sechsten Monat des verstaatlichten Getreidehandels erhielt man also mit Glück nach mindestens vier Stunden Anstellen noch 140 Gramm Getreide und Reis täglich. Im letzten Monat sank die Durchschnittsration am Tag auf 90 Gramm.

Natürlich produzieren Zentral-und Staatsregierung genügend Gründe: Noch dienen die zehn Millionen Flüchtlinge, die während des Bangladeshkrieges in Indien aufgenommen worden waren, als Grund für die permanente Knappheit; dann die Trockenheit vor dem Monsum 1973. Doch der Herbst war gut, der Winter war gut und das Frühjahr 1974 versöhnte die Felder für die Naturkatastrophen in den Jahren 1971 und 1972. Jetzt ging man in Delhi soweit, den Zusammenbruch der „Grünen Revolution“ einzugestehen, um nicht den Zusammenbruch der Landwirtschaftspolitik eingestehen zu müssen. Erst waren die hochwertigen Samen und der hochwertige Kunstdünger für die Masse der Bauern zu teuer und ein Exklusivgut der Grundbesitzer. Dann setzte aber, mit der Erdölkrise, die Belieferung mit Kunstdünger fast ganz aus. Die „Grüne Revolution“ bereichert heute nur noch die reichsten der Landwirte, die, ausschließlich auf den schwarzen Märkten kaufen. Wo die ,,Grüne Revolution“ als eine Erneuerung der Landwirtschaft zu sprießen begonnen hatte, vertrocknet sie nun am Erdölmangel.

Und die Voraussagen für die nächste Ernteaufbringung sind schwarz, für die Nahrungsmittel-preise atemberaubend. Gab es früher als letzte Hoffnung nach Erneteaus-fällen noch Getreidekäufe im Ausland, ist jetzt auch diese Möglichkeit dahin. Mit Glück — sehr viel Glück — werden die Devisenbestände und Einkünfte zur Bezahlung der Erdölimporte ausreichen. Für Kunstdünger, Getreide, Nahrungsmittel bleibt nichts. Vor diesem Hintergrund kämpft Indira Gandhi um das Überleben und gegen Alternativen, die um so bedrohlicher sind, als sie niemand kennt. Das Unbekannte, das über dem Sechshundertmillionen-Volk in dieser Situation schwebt, ist freilich auch die Gefahr für die Sicherheit, für die Stabilität der Welt.

Die sogenannte FußbaUreform ist beschlossen. Sogenannt: weil niemand sagen kann, ob es überhaupt eine ist. Denn bis jetzt entpuppt sie sich nur zunehmend als kleine Papierkopie des deutschen Bundesliga-konzepts.

Aber weil das österreichische Fernsehen so ausführlich das ganze Volk am Schicksal des FußbaUbun-des teilnehmen ließ, kann sich das Volk nun auch ein Bild von denjenigen machen, die da die Geschicke der Fußballvereine lenken.

Sind diese stotternden, wadel-beißerischen Vereinsmeier vielleicht die cleveren Manager von morgen, jene, die Fußball wieder zum Show-Business machen körmen, die die Klaviatur der Public Relaticms für das runde Leder beherrschen?

Die Fußballopas haben sich, politisch aufgarniert, jetzt genauso benommen, wie sie den österreichischen Fußball halt leider herunteradministriert hatten: Vereinsmeier, die am Abend gern von zu Hause fortkommen...

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