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Das Ende der Leiden

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Nachdem im Jahre 1988 nach unendlich langen Verhandlungen zwei Weihbischöfe für den uralten Prager Erzbischof, Kardinal Frantisek Tomasek, ernannt und geweiht werden konnten, geschah nun fast ein Wunder: die Umwäl­zungen in der Tschechoslowakei er­möglichten es dem Vatikan, in Ver­handlungen mit dem nach Rom gereisten CSSR-Vizepremiermini-ster, Josef Hromadka, der auch für die Kulturangelegenheiten zustän­dig ist, alle seine Wünsche durch­zusetzen und damit die bis jetzt dauernde Unterdrückung der Kir­che in der Moldaurepublik zu been­den.

Aufgrund dieser Verhandlungen erhielt der Vatikan vor allem das Recht, neue Bischöfe zu ernennen. So wurde bereits der bisher nur im Rang eines Apostolischen Admini­strators stehende Frantiäek Vanak zum residierenden Erzbischof von Olmütz ernannt, und der Admini­strator von Königgrätz, Karel Ot-cenasek, der im "„Exil" lebte, - er durfte nur als Pfarrer in einem kleinen Ort bei Aussig an der Elbe tätig sein - darf endlich in sein Bistum zurückkehren und sein Amt ausüben. Für das einzige griechisch-unierte Bistum in der Slowakei, für Presov (ungarisch: Eperijes), wur­de der bisherige Administrator dieses Bistums, Jan Hirka, eben­falls zum Bischof ernannt. Damit haben die Leiden der unierten Kir­che in der Slowakei ein Ende ge­funden. Und diese Leiden waren hart und dauerten lange.

Im Jahre 1946 hatte Stalin die mit Rom unierte ukrainische Kir­che zwangsweise der orthodoxen Kirche eingegliedert, 1949 folgte Rumänien diesem Beispiel: Auf einer Synode, an der nur unter Druck gesetzte Priester teilnahmen, wurde die Union von Brest aus dem Jahre 1595 aufgekündigt und die Unterstellung der unierten Kirche in Rumänien unter das Patriarchat von Moskau beschlossen. Noch im gleichen Jahr geschah ähnliches in der Tschechoslowakei: Auf einer Synode - deren Teilnehmer nie bekanntgegeben wurden - wurde ebenfalls die Aufkündigung der Union von Brest und die Unterstel­lung unter Moskau beschlossen.

Die Kirchengebäude der Unierten wurden den Orthodoxen über­geben und die unierten Priester vor die Alternative gestellt: entweder sich der orthodoxen Kirche anzu­schließen oder auf die Straße ge­setzt zu werden. Und hier geschah das erste Wunder: Alle diese unier­ten Priester - die ja verheiratet waren und Kinder hatten - wurden lieber Holzfäller, Straßenpflaste­rer, Bauarbeiter oder ähnliches, als sich der orthodoxen Kirche zu un­terstellen.

Und mit den unierten Gläubigen geschah das zweite Wunder: Das Regime hatte erwartet, daß die Gläubigen einfach aus Gewohnheit ihre alten - jetzt orthodoxen - Kir­chen besuchen würden. Das Regi­me irrte sich gründlich: Alle diese Unierten wußten nur zu genau, daß auch der Besuch einer römisch­katholischen Messe für sie gültig sei und besuchten von nun an die Kirchen der „Lateiner", heirateten in denselben, ließen ihre Kinderdort taufen und ihre Toten durch „latei­nische" Priester begraben.

Den einzigen Bischof, den es in der Slowakei gab, warf das Regime ins Gefängnis, wo er aber bald starb. Eine kleine Erleichterung brachte der „Prager Frühling". Mit der Ernennung eines eigenen Bischofs besitzen die Unierten wieder einen Ordinarius, der Priesterkandidaten auf den unierten Ritus weihen kann.

Aufgrund dieser Verhandlungen kann sicher auch der Prager Weih­bischof Kajetan Matousek sein Amt wieder ausüben. Dieser Weihbischof war vor dem 14. Oktober 1948 - dies war der Tag, an dem das berüchtigte Kirchengesetz erlassen worden war, das die Kirche der Gewalt des Staates unterwarf und sie außerdem vollkommen enteig­nete - zum Weihbischof von Prag ernannt und auch konsekriert wor­den. Aber er erhielt dann nicht die staatliche Genehmigung für die Ausübung seines Amtes und durfte nur als Pfarrer an der Kirche zum heiligen Adalbert in der Prager Altstadt tätig sein. Mit seiner Wie­dereinsetzung als Weihbischof be­sitzt Prag somit drei Weihbischöfe, für eine so große Diözese, wie es die Prager ist, kaum noch genug.

Auch die Tätigkeit von Orden ist wieder zugelassen. Und noch vieles andere wurde bei diesen Verhandlungen geklärt und vereinbart: Prie­sterseminare dürfen weitere eröff­net werden (die bisherigen zwei platzen aus allen Nähten), die Cari­tas wird wahrscheinlich von einer staatlichen wieder zu einer kirchli­chen Institution, die Kirchenzei­tungen werden nicht mehr zensu­riert.

Eines der wichtigsten Ergebnisse ist die Erfüllung des Wunsches der tschechoslowakischen Regierung, mit dem Vatikan wieder diplomati­sche Beziehungen aufnehmen zu wollen. Seit Beginn der Kirchen­verfolgung, also seitl948, gab es in Prag keinen Nuntius mehr.

Diese großen Erfolge für die päpstliche Politik sind nicht nur den geänderten politischen Verhält­nissen zuzuschreiben, sondern auch persönlich dem derzeitigen Sonder­nuntius für die Ostblockländer: dem Erzbischof Francesco Colasuonno, einem pechschwarzen Sizilianer. Sein Vorgänger, Sondernuntius Poggi, war den Praktiken der östli­chen Geheimdienste und Verhand­lungsmethoden nicht gewachsen. Er war zu gutgläubig. Wenn Sonder­nuntius Poggi zum Beispiel zu Ver­handlungen nach Budapest kam, bekam er - zu seiner Freude - in dem Hotel, in dem er abstieg, im­mer das gleiche Zimmer, ahnungs­los, daß dieses mit „Wanzen" voll­gespickt war, die jedes seiner Wor­te auffingen.

Als Sondernuntius Poggi einmal nach Prag kam, erlaubte ihm die Regierimg nur einen 15minütigen Besuch beim Prager Erzbischof in dessen Palais, natürlich in Beglei­tung des Staatssekretärs für Kir­chenfragen, wodurch der Prager Kardinal gehindert wurde, sein Transistorradio auf eine DDR-Welle einzustellen, was der Kardi­nal sonst bei jedem Besuch tat.

Es bedurfte erst des Hinweises eines ungarischen Bischofs, der zu seinem Quinquenalbesuch in Rom weilte, um den Papst auf diese Gefahren hinzuweisen. Der Woj-tyla-Papst, der ja selbst aus dem Osten kommt, begriff und handelte sofort: er versetzte den bisherigen Sondernuntius Poggi auf den eh­renvollen Posten eines päpstlichen Nuntius beim Quirinal. Und er­nannte mit sicherem Blick Msgr. Francesco Colasuonno, bisher Mit­glied des päpstlichen Staatssekre­tariates. Mit Zähigkeit und Ge­wandtheit hat dieser neue Sonder­nuntius die in ihn gesetzten Hoff­nungen erfüllt.

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