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Das Erbe Gleißners und des Löwen

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,Mister 100 Prozent”, der erst wenige Tage zuvor vom oberösterreichischen Landtag zum Wenzl-Nachfolger gewählte neue Landeshauptmann Josef Ratzenböck, hat am Nationalfeiertag im Linzer Brucknerhaus eine eindrucksvolle, fast unerlaubte Visitenkarte abgegeben: Von 618 Delegier- ten-Stimmen entfielen 618 auf Josef Ratzenböck als neuen Landesparteiobmann der ÖVP. Wofür Ratzenböck selbst ein entwaffnend logisches Argument bei der Hand hatte: „Wenn ich mich nicht selber wähle, wer soll mich dann wählen können?”

Der neue „LH” hat guten Grund, mit einem gehörigen Schuß Selbstvertrauen und Optimismus an die Übernahme seines bisher schwersten Amtes heranzutreten, an das des Landeshauptmannes, das traditionell mit dem des Landesparteiobmannes verbunden ist: Sein politischer Vater, der auch derjenige seines Vorgängers, Erwin Wenzl, gewesen war, Altlandeshauptmann Heinrich Gleißner, hat vor nunmehr über 32 Jahren in seinem Heimatland Oberösterreich die Fundamente für eine solide, sachliche, stets fruchtbringende politische Zusammenarbeit gelegt. Eine Tatsache, die sicherlich dadurch verständlicher wird, wenn man bedenkt, daß die Länder schon aus Gründen der Verfassung zur Zusammenarbeit verpflichtet sind, eine Tatsache, jėdoch, deren Existenz jener nicht vollends gerecht werden kann, wer nicht der Männer gedenkt, die diese Zusammenarbeit erst ermöglicht haben: Es waren dies in erster Linie eben Heinrich Gleißner und auf sozialistischer Seite der umsichtige, stets das Ganze sehende Altbürgermeister von Linz, Ernst Koref.

Zur Person Heinrich Gleißners muß noch hinzugefügt werden, daß es ihm erst durch seinen bedingungslosen Einsatz für das ganze Land gelungen war, in den unmittelbaren Nachkriegsjahren in Oberösterreich die Gräben zwischen politischen Feinden von gestern zu schließen, seine Partei zu’einer sozialen und weltanschaulichen Integrationspartei, zu einer echten „Volks”-Partei zu machen.

Die politische Frage, die in diesen Tagen in Oberösterreich am häufigsten gestellt wird, ist leicht zu erraten: Ist Josef Ratzenböck der Richtige? Wird es ihm und seinen Mitarbeitern gelingen, das politische Erbe Gleißners und des „Löwen” Wenzl gut zu verwalten? Es allenfalls zu mehren?

Manches deutet darauf hin, daß Josef Ratzenböck vom Schlichten interfamiliärer Streitereien bis zur nächsten Landtagswahl 1979 suspendiert sein könnte. Nicht, daß man ihm aus purer Toleranz, aus reiner Menschenfreundlichkeit eine beliebige Schonfrist zugestehen würde. Doch ein unübersehbarer Zwang zur innerparteilichen Solidarität und Einigkeit rührt daher, daß wahrscheinlich noch vor wenigen Wochen für einige tausend oberösterreichische ÖVP-Funktio- näre eine Landespolitik ohne Erwin Wenzl so unvorstellbar wie nur etwas war. Von der Situation her erinnern die geschlossenen Reihen der ober- österreichischen Volkspartei fast an jene Tage Ende 1971, als aus heiterem Himmel den steirischen Landeshauptmann Josef Krainer der Tod ereilte und niemand zu hoffen wagte, Friedrich Niederl würden nur annähernd Krainers Schuhe passen.

Noch wissen wir nicht, ob die Latte für Ratzenböck in Linz zu hoch gelegt ist oder ob er genauso souverän bestehen wird wie Friedrich Niederl, ja ob er wenigstens die ersten Monate so erfolgversprechend durchhalten wird wie der Salzburger Wilfried Haslauer.

Die Kostproben, die Ratzenböck in den letzten Tagen angeboten hat, lassen aber bereits den vorsichtigen Schluß zu, daß in dem Mann, der schon zu kulturellen Fragen, zu Sozialproblemen und in Finanzangelegenheiten profilierte Meinungen abzugeben gewohnt war, noch neue Energien und Talente zu finden sind.

Mit der an Hannes Androsch gerichteten Forderung, der für 1979 fällige neue Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden solle nicht nur paktiert, sondern von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen werden, hat er seine Eigenständigkeit und die seines Landes nur unterstrichen.

Zu seinen rhetorischen Kraftakten- die braucht jeder erfolgreiche Politiker - scheint sich aber auch einiges an theoretischer Substanz zu gesellen: Neben der Idee des Föderalismus und des Subsidiaritätsprinzips widmete er in seiner Antritts re de irin Landtag breitesten Raum der „Neuen Sozialen Frage”. Anknüpfend an jene neu erkannten Fragestellungen, die von CDU-Po- litikern wie Katzer, Blüm oder Geiss- ler über die Grenze nach Österreich gereicht wurden, formuliert Ratzenböck: „Heute stellt sich heraus, daß mit der Integration der Arbeitnehmer in die Gesellschaft, mit der Institutionalisierung ihrer sozialen Sicherung und ihrer Interessenvertretung keineswegs alle sozialen Probleme gelöst sind.”

Sein politisches Hauptaugenmerk will der neue Landeshauptmann der schwierigen Stellung der Frauen, den Problemen der Alten, der Kinderreichen, der Alleinstehenden, der Behinderten und der sozialen Sicherung älterer Selbständiger und Landwirte widmen. Daß ihn dieses Engagement für die nächsten Wahlen zusätzliche Stimmen erhoffen läßt, ist kėine Schande.

Oberösterreich hat politisch innerhalb der ÖVP in ganz Österreich eine Schlüsselfunktion, vermerkte der neue Landesparteisekretär. Helmut Kukacka. Glaubwürdigkeit und Zukunftschance der Volkspartei hingen nicht zuletzt davon ab, ob es der ÖVP im weitgehend industrialisierten und urbanisierten Oberöaterreich gelingen wird, die Mehrheit zu behalten der Hallstattzeit beschäftigen wird.

Aus unserem Kulturbegriff läßt sich eine weitere entscheidende Aufgabe ableiten: Die Aufgabe, den Menschen Kultur nicht nur zugänglich zu machen, und zwar über materielle und regionale Ungleichheiten hinweg, sondern sie auch an dieser Kultur aktiv partizipieren zu lassen. Es gilt, die schöpferischen Kräfte des einzelnen zu wecken und Kreativität zu fördern.

Auf diesem Gebiet setzen wir in Oberösterreich vor allem drei Schwerpunkte: Schule, Betrieb und Gemeinde.

Kulturaktionen in den Schulen, wie die Autorenaktion, die Museumsaktion, Unterstützung der Schülertheatergruppen.. . sollen in verstärktem Ausmaß die Schule zum Ort kulturellen Erlebens machen.

Kultur in die Betriebe zu bringen, ist unser vordringliches Anliegen, denn nur über diesen Weg wird es gelingen, für die Kultur ganz neue Interessenten zu finden. Wir haben daher eine Betriebskulturservicestelle in der Kulturabteilung installiert, geben einen schriftlichen Informationsdienst heraus und unterstützen die Kulturgemeinschaften in den Betrieben in ihrer praktischen Arbeit (Zurverfügungstellung von Ausstellungen, Autoren, Theateraktionen für Betriebsbelegschaften, Lehrlingskulturaktionen .,.). Nicht zuletzt aber wird unsere kulturelle Lebenskraft sehr weitgehend davon bestimmt, wie viele kleinere und größere Gemeinschaften sich als aktive Kulturträger betätigen. Nur wenn die Bevölkerung vom kleinen Dorf bis hinauf in unsere Märkte und Städte das kulturelle Geschehen ariregt, verlebendigt oder selbst schöpferisch mitgestaltet, sind die Voraussetzungen für ein das ganze Land erfassende Kulturleben gegeben. Wir haben daher auch unsere Gemeinden aufgefordert, die Kulturarbeit zu einem Schwerpunkt in der Gemeinde zu machen und konkrete Bitten an sie gerichtet: Keine Gemeinde ohne Kulturreferat; kein Gemeindebudget ohne Ansitze für Kulturforderung; keine Gemeinde ohne ein jährliches Kulturprogramm.

Wenn man bedenkt, daß die Landesausstellung Kremsmünster nahezu eine halbe Million Besucher verzeichnen konnte und davon rund die Hälfte der Besucher in Gruppen (Goldhaubengruppen, Musikkapellen, Laientheatergruppen, Chöre …) gekommen sind, verspürt man am deutlichsten, daß die Sensibilität für die Kultur unvergleichlich gestiegen ist. Ein Heer von Kulturengagierten ist entstanden! Das ist nicht nur gut so, das muß weiter vorangetrieben werden. Erste und vornehmste Aufgabe der Kulturverantwortlichen muß es weiterhin sein, Privatinitiativen zu ermuntern, immer neue Möglichkeiten zu erschließen, sie zum Tätigsein animieren und nicht ihnen Kultur zu verordnen. Zentral geplante und verordnete Kultur ist erfolglos! Aufgabe der Kulturämter ist es lediglich, gemäß dem Subsidiaritätsprinzip nur jene Aufgaben unter Eigenverantwortung durchzuführen, die andere Gemeinschaften nicht in der Lage sind zu erfüllen. Unser erklärtes Ziel in der Kulturpolitik für die nächsten Jahre ist es, durch Veranstaltungen über die Gemeinde-, Schul- und Betriebsebene den. Kreis der Kulturinteressierten und Engagierten’ weiter zu vergrößern.

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