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Das Essen hat Zukunft

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Es gibt keinen Menschen in der Welt, der nicht wüßte, daß man ohne Essen nicht leben kann. Ausgenommen vielleicht manche Mediziner und Nichtmediziner, die Diätvorschriften zusammenstellen. Denen muß man es aber verzeihen, weil sie damit ihr Geld verdienen - ein Diät-Spezialist will ja schließlich auch essen.

Wenn man alles zusammenzählt, was man nach Meinung der Spezialisten nicht essen darf - darf man nichts essen. Wenn man sich an eine einzelne Diät hält, darf man - wenn es nicht gerade die Null-Diät ist - etwas essen, nur schmecken darf es nicht. Selbst wenn die Mediziner mal ein gutes Gericht erlauben, vermiesen sie es durch Aufzählung von Kalorien, Joule, Kohlehydraten, Cholesterinen, Vitaminen und anderem nach Apotheke riechenden Zeug. Kein vernünftiger Mensch wird sowas essen, wenn er sich ein paar frische Brötchen mit Butter und Schinken, einen Matjes, ein Steak oder einen Braten leisten kann!

Zwei Dinge verraten die Wissenschaftler nicht: Wie man ohne Essen leben soll - bislang schlugen alle Versuche, sich das Essen abzugewöhnen, fehl; und wie man ohne gutes Essen die Lebensfreuden genießen kann. Denn das Essen ist nicht nur selbst eine Lebensfreude, es ist auch für die anderen Lebensfreuden eine wichtige Voraussetzung. Wenn es gut ist, ist es nicht nur zur Erhaltung der Kräfte gut, sondern auch gut an sich. So wie die Liebe nicht nur zum Kindermachen gut ist.

Wenn es nur um Ernährung ginge, könnte man Pillen herstellen, die alle Nährstoffe enthalten und das Essen ersetzen. Die könnte man streng dosieren und zum Beispiel Fettleibigkeit verhindern. (Ich kann es mir nicht vorstellen, daß jemand aus Freßgier zu viele Pillen schlucken würde.) Die Menschheit ist jedoch - trotz ihrer ganzen Wissenschaftsgläubigkeit - nicht bereit, sich mit Pillen abspeisen zu lassen.

Im Gegenteil, in den letzten Jahren finden immer mehr Menschen den Weg zu kulinarischen Genüssen, erweitern ihre alltägliche Speisekarte, probieren fremde, ja exotische Gerichte aus. «.

Viele Spezial-Zeitschriften und die meisten allgemeinen Zeitschriften und Zeitungen bringen raffinierte Rezepte und propagieren die Eßkultur.

Beide Feldzüge - für und gegen das Essen - sind Zeichen des Wohlstandes. Versuchte jemand, hungrigen Menschen Leckerbissen zu beschreiben oder das Hungern zu predigen, riskierte er seine Haut. Hier wird nicht dem Fressen das Wort gesprochen -Fressen ist eine pornographische Abart des Essens, egal ob man es auf primitive oder raffinierte Art treibt. Es geht um das gute Essen, das des Menschen Herz erfreut.

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