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Das Fleisch wird kein Schwein mehr"
Leitartikel sind meist ein schwungvolles Plädoyer, gewürzt mit scharfer Wortkost, um eine Argumentation zu profilieren. Bisweilen ist eine Geschichte freilich stark genug, um ohne Blitz und Donner Kommentar und Profil zu schaffen. Die folgende Geschichte gehört wohl in diese Kategorie.
Die Länder der Dritten Welt sind teilweise so verschuldet, daß einzelne von ihnen ihre Zahlungsunfähigkeit einbekennen mußten. Zweimal so hoch wie seine Einnahmen aus Exportgeschäften ist bereits die Finanzschuld Mexikos. Gleiches gilt im wesentlichen für Brasilien, gleiches für Argentinien. Polen schuldet schon 260 Prozent dessen, was es an Ausfuhren verdient.
Die Gläubigerbanken versicherten Mexiko (wie vor ihm 21 anderen Ländern): Ihr bekommt neue Kredite, damit ihr die alten abzahlen könnt!
Das mag noch hingehen, solange die Wirtschaft expandiert. Wenn sie stagniert oder gar schrumpft, kommt das (wie der Londoner „Economist" treffend schrieb) dem Versuch gleich, Schweinefleisch durch künstliche Beatmung in eine Lebendsau verwandeln zu wollen.
Denn immerhin bekommen solche Superschuldner nunmehr Verhaltensweisen vom Internationalen Währungsfonds vorgeschrieben, die im Effekt Pleiten in der Privatwirtschaft auslösen und Privatinvestoren zur Flucht aus diesen Staaten veranlassen werden.
Die Dritte Welt steht bei der Ersten, also den Industriestaaten des Westens, tief in der Kreide. Die Zweite Welt, der Osten also, auch. Ist dafür denn die Erste reich genug?
Tatsache ist: Auch diese verschuldet sich immer mehr. Österreichs Defizit wird heuer nicht etwa weniger als 60 Milliarden, wie vom Finanzminister versprochen, sondern über 70 Milliarden Schilling ausmachen. Wer will ihm glauben, was er nun von 1983 sagt?
Beschimpft werden aber weiterhin nicht die Verantwortlichen für solche Verantwortungslosigkeit, sondern die Kritiker, denen man „Miesmacherei" unterstellt. Und die schmerzhaften Sanierungspläne, auch in Regierungsschreibtischen sonder Zahl schon angesammelt, bleiben ein Jahr länger liegen: 1983 wird ja gewählt!
In den Banken der westlichen Welt müßten ungeheure Schätze liegen, um alle Schulden zu dek-ken. Sie liegen aber nicht. Jedes Kind weiß: Eine Bank lebt davon, daß nicht alle Sparer ihr Geld zur selben Zeit abheben.
Das gilt auch international. Wenn aber irgend einmal irgendwo die Panik ausbrechen sollte (und genau das zu verhindern, ist ja der Sinn aller verzweifelten Umschuldungen), bräche die Weltwirtschaft mit einem Krach zusammen, der den Knall von 1929 als harmloses Böllerschießen erscheinen lassen könnte.
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