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Das Geschäft mit Waffen

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Immer deutlicher werden Österreichs Verflechtungen mit illegalen Waffengeschäften. Ausfuhrbeschränkungen, so zeigt ein neues Buch, bewirken offensichtlich nichts.

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Immer deutlicher werden Österreichs Verflechtungen mit illegalen Waffengeschäften. Ausfuhrbeschränkungen, so zeigt ein neues Buch, bewirken offensichtlich nichts.

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Weihnachten ist vorbei. Mit dem üblichen durchschlagenden Erfolg haben auch heuer wieder diverse Organisationen davor gewarnt und davon abgeraten, die Herzen unserer Kleinen mit Kriegsspielzeug unter dem Lichterbaum zu erfreuen.

Das ist zweifellos löblich. Allerdings verbirgt sich hier ein gravierendes Problem der Glaubwürdigkeit. Denn - woher nimmt die Erwachsenenwelt eigentlich das Recht, Kindern etwas vorzuenthalten, womit sie trotz aller anderslautenden Bekenntnisse nach wie vor mit größter Begeisterung spielt? Wofür Gesetze am laufenden Band gebrochen werden, wenn ein paar gute Geschäfte gemacht werden können?

Und Geschäfte können im internationalen Waffenhandel ganz hervorragende gemacht werden. Bei einigen Millionen Dollar Provision für eine kleine Vermittlung wirft so mancher den letzten Rest eventueller Bedenken über Bord. Gesetze, die den Waffenhandel beschränken sollen, sind dazu da, um umgangen zu werden. Sind sie schwieriger zu umgehen, steigen nicht die Hemmungen, sondern die Provisionen.

Vielleicht hat sich mancher in den vergangenen Jahren gefragt, woher der Iran und der Irak in ihrem nun nach achtjähriger Dauer zumindest vorläufig beendeten Krieg die Waffen, Geräte und Sprengmittel hernehmen? Zumal ja die Eigenproduktion wahrscheinlich gering und viele Länder, die als Lieferanten in Frage kämen, sich in bombastischen Erklärungen nicht genugtun können, daß sie selbstverständlich nicht in kriegführende Länder verkaufen.

Diese Fragen beantwortet nun ein neu erschienenes Buch des Journalisten Jürgen Roth mit dem Titel „Die illegalen deutschen Waffengeschäfte und ihre internationalen Verflechtungen. Hundert Jahre Kriegskartell“.

Roth zeigt uns darin eine Welt, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Er schildert und beweist auch an Hand von Dokumenten, wie die Gesetze, die den Export von Waffen in Kriegsgebiete verhindern sollen, umgangen werden. Nicht nur von den deutschen Firmen und Waffenhändlern, sondern von einem verzweigten, konspirativ arbeitenden europäischen Kriegswaffen-Kartell, in dem auch Belgier, Schweden, Engländer, Franzosen, Spanier, Portugiesen, Italiener, Schweizer, Jugoslawen, Griechen und natürlich auch Österreicher fleißig mitmischen. (Einfacher wäre es gewesen, die Länder aufzuzählen, die nicht mitmachen.)

Dabei zeigt uns Roth nur einen Ausschnitt des internationalen Waffenhandels, wenn auch einen sehr einträglichen, nämlich vor allem die Versorgung des Iran durch europäische Lieferanten. Allein im Jahr 1987 wurden nach diversen Schätzungen Waffen und Kriegsmaterialien im Wert von 400 Millionen Dollar aus Europa in das Golf-Krieg-Gebiet geliefert. Eine ansehnliche Summe, von der viele profitieren: private und staatliche Rüstungsindustrie, Waffenhändler, Waffenvermitt-

ler, Militärs und Beamte in den Genehmigungsbehörden.

Das Prinzip der Abwicklung einer Lieferung ist denkbar einfach: Die Aufträge gelangen an eine zentrale Anlaufstelle, welche die gesamte Abwicklung organi-si«rt. Im vorliegenden Fall hat diese Rolle ein schwedischer „Händler“ gespielt. Dieser verteilt die Auftrag? an die einzelnen Kartellmitglieder. Die „Waren“ werden dann entweder überhaupt falsch deklariert, oder es werden falsche Endverbraucherbestätigungen von Ländern besorgt, die sich nicht im Kriegszustand befinden. In einer solchen Endverbraucherbestätigung bekräftigt ein Land, daß es die gegenständlichen Kriegsmaterialien für seinen eigenen Bedarf und nicht für den Reexport verwenden wird. Solche Bestätigungen sind gegen entsprechendes Schmiergeld natürlich völlig problemlos erhältlich und damit gegenstandslos. Manchmal werden die Produkte zur Verschleierung auch per Bahn und Schiff kreuz und quer durch Europa und über die Meere geschickt und ein wenig umgeladen, um schließlich aber wohlbehalten im Iran zu landen.

Solche Verfahren sind aber fast nicht notwendig, denn die Behörden pflegen beide Augen zuzudrücken und sind mit jeder noch so absurden Endverbraucherbestätigung zufrieden. Natürlich kann sich jeder ausrechnen, daß Länder wie Kenya und Nepal keine derartigen riesigen Mengen von Zündmaterialien für Gewehre, Minen und Granaten gebrauchen können. Es sei denn, sie befinden sich im Kriegszustand. (Als besondere Pikanterie am Rande sei vermerkt, daß die Bezahlungen für das Kriegsgerät nicht immer in Dollar erfolgen müssen; gelegentlich kann es da schon einmal vorkommen, daß auch in Rauschgift bezahlt wird.)

Ein deprimierendes Buch. Es muß all denjenigen die Augen öffnen, die bisher noch geglaubt haben, daß die diversen Ausfuhrbeschränkungen von Waffen in Kriegsgebiete irgend etwas bewirken. Im Gegenteil: Diese Bestimmungen sind offenbar das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Der einzige Effekt ist lediglich der, daß der Spieltrieb gereizt und der Nervenkitzel für die skrupellosen internationalen Akteure erhöht wird, was wie erwähnt Grundlage für höhere Provisionsforderungen ist. Möglich ist das alles, weil offenkundig bis in höchste Regierungs- und Justizstellen mitgespielt wird.

Denn selbst wenn einmal etwas auffliegt, so verlaufen die Untersuchungen doch allmählich im Sand. Wie etwa 1984 an der deutsch-österreichischen Grenze, als einige Waggonladungen voll Sprengstoff entdeckt wurden, die für eine österreichische Deckadresse, in Wirklichkeit aber für den Iran bestimmt waren. So kam es in der Folge zwar in Belgien zu einer parlamentarischen Untersuchung und in Schweden zu einigen für das Waffenkartell unangenehmen Erhebungen durch die Zollbehörden, Anklageerhebungen oder Prozesse fanden nicht statt.

Schon gar nicht in der Bundesrepublik. Hier kommt es zu einer Erscheinung, die Roth höflich als „Stillstand der Rechtspflege“ bezeichnet. Darunter ist das Verschleppen von Anzeigen und Hinweisen, die Nichtverfolgung von Beweisen, Ausreden auf mangelnden Rechtsbeistand durch andere Länder, eben Untätigkeit im allgemeinen zu verstehen. In Österreich wird das nicht anders sein. Wie unser Land überhaupt in einer solchen Skandalchronik nicht fehlt. Roth widmet dem einige lesenswerte Abschnitte. Österreich diente dem Waffen-kartell teils als „Lieferkanal“, das heißt, einige Firmen stellten sich als Deckadressen zur Verfügung, teils wurde auch eifrig mitproduziert. Genannt werden insbesondere eine Armaturen AG, die SMI (Südsteirische Metallindustrie), die Dynamit-Nobel-AG Wien, natürlich die VOEST, Noricum und Hirtenberger.

Dieses Buch ist empfehlenswert für alle, die nach den Weihnachtsfeiertagen rasch wieder auf den Boden der Realität zurückkehren wollen.

DIE ILLEGALEN DEUTSCHEN WAFFENGESCHÄFTE UND IHRE INTERNATIONALEN VERFLECHTUNGEN. Von Jürgen Roth. Verlag Eichbom, Frankfurt/Main 1988,228 Seiten. oS 187.20.

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