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Das Geschäft war „vorübergehend” gestört

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Nach einem „Stern”-Bericht über die Zustände in der Abtreibungspraxis der Wiener Ärztin Mihaela Radauer (FURCHE23/1980) wurde ihre Ordination vorübergehend geschlossen. Seit dem 13. Juni floriert ihr Geschäft wieder wie eh und je. Trotzdem ist aber die Angelegenheit für die Geschäftemacherin noch nicht ausgestanden: Die großen Schwierigkeiten dürften erst kommen.

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Nach einem „Stern”-Bericht über die Zustände in der Abtreibungspraxis der Wiener Ärztin Mihaela Radauer (FURCHE23/1980) wurde ihre Ordination vorübergehend geschlossen. Seit dem 13. Juni floriert ihr Geschäft wieder wie eh und je. Trotzdem ist aber die Angelegenheit für die Geschäftemacherin noch nicht ausgestanden: Die großen Schwierigkeiten dürften erst kommen.

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Am 29. Mai beschrieb die deutsche Illustrierte „Stern” unfaßbare hygienische Mängel in der Abtreibungspraxis der Wiener Ärztin. Und die Gesundheitsbehörde reagierte sofort: die Ordination wurde vorübergehend geschlossen.

Handhabe bot der Behörde das Ärztegesetz, das dem Arzt aufträgt, seine Ordination „in einem solchen Zustand zu halten, daß sie den hygienischen Anforderungen entspricht”.

Eine Sperre der Ordination war dann zu verfügen, weil bei einer Uberprüfung offensichtlich das zutage gekommen ist, was das Ärztegesetz als Bedingung hiefür nennt: Mißstände, „die für das Leben und die Gesundheit von Patienten eine Gefahr mit sich bringen können”.

Freilich entschloß sich Radauer erst relativ spät, ihre Patienten von der Schließung ihrer Ordination in Kenntnis zu setzen. Als das Ehepaar Marianne und Hannes Hubert am 9. Mai um acht Uhr bei Radauer anläutete, wies nichts auf eine Sperre hin.

Radauer empfing die vermutete Patientin nicht nur freundlich, sondern kam auch gleich zu den Formalitäten: Ein Fragebogen sei auszufüllen, doch solle man im Wartezimmer nicht mit anderen Patientinnen sprechen. „Wir haben da unlängst mit einer Journalistin Schwierigkeiten gehabt.”

In zwei Stunden sei alles vorbei. Angst brauche die Patientin keine zu haben. Nur einen Schwangerschaftstest brauche sie, meinte Radauer und schickte zu diesem Zweck das Ehepaar Hubert in das nahegelegene Laboratorium R. Paula in der Wiener Westbahnstraße 6 a.

Als das Paar dann zurückkehrte, fand es eine geschlossene Ordination vor. Um 9.20 Uhr stellte sich nämlich die Uberprüfungskommission bei Radauer ein. Kaum hatte diese das Haus in der Wiener Gutenberggasse betreten, setzte dort die Flucht ein.

Unter anderem stürzten Radauers Ordinationshilfe und ihre Tochter in Herrenbegleitung aus dem Haus. Eilig klebte der männliche Begleiter den Hinweis „vorübergehend geschlossen” über das Ordinationsschild, hastete mit der Ordinationshilfe zu seinem Mercedes W 558.883 und brauste davon. Wie die Feuerwehr.

Mercedes-Besitzer Heinz Fann, Graveur in der Wiener Stumpergasse, war in „geschäftlichen Dingen” bei Radauer. Mehr läßt er sich nicht in die Karten blicken. Sie müssen allerdings so gut und so intensiv sein, daß er sie nicht in Anwesenheit der Uberprüfungskommission weiterverfolgen wollte. Sie müssen zudem so eng sein, daß die Ordinationshilfe im brenzligen Augenblick mit ihm das Weite suchte.

Über weniger zufriedenstellende Geschäftsbeziehungen weiß Mihaela Radauer aus früheren Zeiten zu erzählen. Eine Firma namens „Promed”, vertraute sie dem „Wiener Wochenblatt” an, habe ihr zwar zu Beginn ihr Abtreibungsgeschäft angekurbelt und schwangere Frauen aus Deutschland zur Abtreibung vermittelt, doch sei diese Zusammenarbeit in Brüche gegangen.

Die österreichische „Promed Werbe-und Verlagsgesellschaft mbH” befindet sich derzeit in Liquidation. Mit 13. Mai

1980 wurde die amtswegige Löschung der Firma in Aussicht genommen.

Ein höchst interessantes Unternehmen. Gegründet wurde es im Oktober 1975 mit dem Ziel der Geschäftsankurbelung. Relativ unzweideutig hat man sich „die Werbeberatung, Werbegraphik und Werbungsvermittlung, insbesondere für alle medizinischen, medizinisch-technischen und damit zusammenhängenden Gegenständen und Tätigkeiten” zum Betriebsgegenstand erkoren.

Als Unternehmer zeichneten zwei Familien und ein Rechtsanwalt: eine Familie namens Heppe unter der Führung von Alfons Heppe sowie der Wiener praktische Arzt Harry Kratz, zudem noch Heidemarie Kratz und der Wiener Rechtsanwalt Manfred Gries.

Harry Kratz, Betriebsarzt der SPÖ? Zentrale in der Wiener Löwelstraße und zudem Wiener Polizeiarzt, ist der prominenteste der Runde. Derzeit kämpft er mit großen Schwierigkeiten.

Kratz, berichtete der „Kurier” vom 14. Juni, wird von steuerlichen Untersuchungsbehörden vorgeworfen, mit Hilfe eines Steuerberaters den Gewinn seiner Arztpraxis vor Steuern um 2,5 Millionen Schilling vermindert zu haben.

Woran das „Promed”-Unternehmen letztlich scheiterte, ist nur schwer zu rekonstruieren.. Fest steht allerdings, daß man im Juni 1977 die Firma auflöste.

Zum Liquidator wurde der Kaufmann Alois Heppe bestellt, den die Behörde dann in der Babenbergerstadt Klosterneuburg aufstöberte: in der Hermannstraße 6, Stiege 2.

In der Klosterneuburger Vier-Zimmer-Wohnung logierte aber nicht nur Heppe, vielmehr wird sie ab August 1977 Sitz einer neuen Firma: der Firma „Procon Verlags- und Werbegesellschaft mbH”.

Offiziell scheint für diese Firma Alfons Heppe weder als Teilhaber noch als Geschäftsführer auf. Dafür trifft man auf einen anderen bekannten Namen: auf Rechtsanwalt Manfred Gries.

Gries hat diese Firma gemeinsam mit Ing. Rainer Schmaelz, Geschäftsführer und Teilhaber der bekannten

Wiener Lustererzeugungsfirma in der Wiener Burggasse, gegründet. Schmaelz. ist auch „Procon”-Ge-schäftsführer.

Und nur bei Schmaelz in der Wiener Burggasse erreicht man jüngst Herrn Heppe: Uberraschend ist nämlich die Firma „Procon” vor etwa zwei Wochen aus der Klosterneuburger Hermannstraße ausgezogen und in die Radauer-Nähe übersiedelt. Still, heimlich und leise.

Und zufällig fast zeitgleich mit dem Erscheinen des „Stern”-Berichtes.

Hier haben sich insgesamt so viele Zufälle angehäuft, daß es schwerfällt, nur an Zufälle zu glauben. Die zahlreichen Querverbindungen stimmen jedenfalls mißtrauisch.

Das Mißtrauen rührt vor allem daher, daß Insider der Abtreibszene überzeugt sind, Mihaela Radauer sei nur das Werkzeug cleverer Geschäftsleute. Sie allein hätte auch kaum die Abtreibklinik finanzieren können, um deren Bewilligung sie im Vorjahr bei den Wiener Gesundheitsbehörden vorstellig wurde.

Nicht ausgeschlossen ist aber, daß Radauer scheitert, während die Geschäftemacher im Hintergrund weiter ihre Fäden ziehen.

Gefahr droht der Ärztin nämlich in erster Linie aus Deutschland. Dort hat die „Stcrn”-Veröffentlichung den Staatsanwalt auf den Plan gerufen.

Stellt sich nun in den Untersuchungen der Münchner Staatsanwaltschaft heraus, daß BRD-Ärzte gegen Provisionen Patientinnen an Radauer vermittelt haben, so würde das Folgen haben: ein Berufsverbot für Radauer.

Denn ein zweites Mal wird sie nach ihrer bedingten Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Werbeverbot nicht mehr so glimpflich davonkommen.

Allerdings: Die jüngsten Vorfälle haben sicherlich Radauer und ihre Hintermänner vorsichtiger gemacht. Man kann sicher sein, daß alles versucht wird, um den unliebsamen Betriebsunfall - die vorübergehende Sperre der Ordination - einmalig bleiben zu lassen.

Sicher ist aber auch, daß das Geschäft mit der Abtreibung so lange blühen wird, so lange dem kein Riegel vorgeschoben wird.

Unabhängig vom Fall Mihaela Radauer und unabhängig vom Fall der Abtreibklinik auf dem Wiener Fleischmarkt sollten Überlegungen angestellt werden, der Vermarktung der Fristenlösung ein Ende zu setzen.

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