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Das Gesetz für die Retortenbabys

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Was der Gesetzgeber nicht zustande bringen will, legt DIE FURCHE auf den Tisch: ein Gesetz, das die drängenden Fragen in Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung bei Menschen umfassend regelt.

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Was der Gesetzgeber nicht zustande bringen will, legt DIE FURCHE auf den Tisch: ein Gesetz, das die drängenden Fragen in Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung bei Menschen umfassend regelt.

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Vorauszuschicken ist, daß es nicht Aufgabe des Strafrechts sein kann, Moral um ihrer selbst willen durchzusetzen. Vielmehr ist im Sinne einer rationalen Kriminalpolitik nur dort mit Strafrechtsnormen einzugreifen, wo gesellschaftlich unerträgliche Verhaltensweisen oder Rechtsgutbeeinträchtigungen bekämpft werden müssen.

Dabei hat der Einsatz des Strafrechts „ultima ratio“ zu sein und so zu erfolgen, daß die strafrechtlichen Normen auch effizient sind.

Zu Paragraph 1: Der Begriff „künstliche Befruchtung“, wie er hier verstanden wird, umfaßt sowohl die intra- als auch die extrakorporale („In-vitro-Fertilisie-rung“) künstliche Insemination in homologer und heterologer Form.

Bei der homologen Insemination stammt der Samen ausschließlich vom Ehemann, bei der heterologen von anderen Samenspendern; bei Identität von Eizellenspenderin und Eizellenempfängerin spricht man vom „homologen Embryotransfer“, wenn eine Frau eine nicht von ihr stammende Eizelle austrägt, vom „heterologen Embryotransfer“.

Paragraph 1, Littera c hat — jedenfalls derzeit noch in Österreich — keine eigenständige Bedeutung, da in der Praxis einem Embryotransfer immer eine künstliche Befruchtung in der Retorte vorausgeht.

Die Technik des „Ausschwemmens“ befruchteter Eizellen vor der Nidation (Einnistung) von einem Uterus in einen anderen („In-vivo-Fertüisierung“) ist aber theoretisch durchaus möglich. Diese Form der „künstlichen Befruchtung“ wäre dann wirklich nur durch die Littera c zu erfassen, auf die daher — im Sinne der Vollständigkeit und Dauerhaftigkeit einer Regelung — nicht verzichtet werden sollte.

Zu Paragraph 2: Jeder Form künstlicher Befruchtung geht eine ganze Reihe schwieriger und komplizierter diagnostischer Eingriffe voraus. Auch die Technik der künstlichen Befruchtung selbst erfordert — jedenfalls bei der „In-vitro-Fertilisierung“ -schwierige medizinische Eingriffe.

Es ist daher geboten und auch mit der Freiheit ärztlicher Berufsausübung durchaus vereinbar, diese Eingriffe nur von Fachärzten durchführen zu lassen, die über die dafür nötige Spezialausbildung verfügen.

Die Beschränkung der künstlichen Befruchtung auf volljährige und unbeschränkt geschäftsfähige Frauen empfiehlt sich deshalb, weil mit Erreichen der Volljährigkeit ein gewisses Maß an persönlicher Reife vermutet werden kann und man sich außerdem die Problematik des Mitspracherechts der Erziehungsberechtigten oder des Vormundes erspart.

Zu Paragraph 3: Die Verpflichtung, über alle vorgenommenen künstlichen Befruchtungen genau Buch zu führen, ist schon unter dem Gesichtspunkt familienrechtlicher Statusfragen unverzichtbar.

Die Frage, ob der Ehemann einer Frau, die mit seiner Einwilligung durch Samen eines anderen Mannes künstlich befruchtet wurde, das Recht hat, trotz seiner Einwilligung die Ehelichkeit des künstlich gezeugten Kindes zu bestreiten, ist strittig, kann aber in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

Solange das Familienrecht die sich durch Befruchtung mit Fremdsamen („heterologe Befruchtung“) oder Implantation fremder Eizellen („heterologer Embryotransfer“) ergebenden Probleme nicht eindeutig gelöst hat und die Unterhaltspflicht weiterhin im Regelfall von der biologischen Elternschaft abhängig macht, ist es im Interesse des Kindes unbedingt erforderlich, die Identität von Eizellen- und Samenspendern erforderlichenfalls erheben zu können.

Bei einer künftigen gesetzlichen Regelung wäre freilich durchaus darüber zu diskutieren, diese familienrechtlichen Probleme durch die Einführung neuer Formen pränataler oder vielleicht sogar präkonzeptioneller Adoption zu beseitigen.

Zu Paragraph 4: Die erweiterte Dokumentationsverpflichtung für die Fälle extrakorporaler künstlicher Befruchtung dient dem Schutz der dabei gewonnenen befruchteten Eizellen, die alle das gleiche Recht auf die Chance einer Lebendgeburt durch Implantation in die Gebärmutter haben.

Der Arzt hat somit zu bestätigen, daß er alle befruchteten Eizellen implantiert hat, beziehungsweise dann, wenn dies nicht möglich war, die genauen Gründe dafür anzugeben.

Zu Paragraph 5: Ein zentrales Register über alle in Österreich vorgenommenen künstlichen Befruchtungen empfiehlt sich schon deshalb, weil es sich hier um ein Gebiet mit rasch fortschreitender medizinisch-technischer Entwicklung handelt und der Staat gut daran tut, sich einen möglichst genauen Uberblick über diese Entwicklungen zu bewahren.

Ein solches Register ist auch notwendige Grundlage für allfällige künftige legislatorische Maßnahmen auf diesem Gebiet.

Chance auf Geburt

Zu Paragraph 7: Jede befruchtete Eizelle steht als „nasciturus“ unter dem Schutz der Gesetze (Paragraph 22, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, ABGB). Dieser gesetzliche Schutz des ungeborenen Lebens wird nur dort durchbrochen, wo ihm andere Interessen, die für den Gesetzgeber schwerer wiegen, entgegenstehen. Auf diesem Grundgedanken beruht etwa die „Fristenregelung“.

Es besteht kein Grund, von der grundsätzlichen Regelung des ABGB abzugehen und befruchteten Eizellen außerhalb des Mutterleibes den gesetzlichen Schutz zu versagen. Es dürfen daher an befruchteten Eizellen außerhalb des Mutterleibes nur solche Handlungen vorgenommen werden, die dazu dienen, die Chance auf eine Lebendgeburt zu wahren.

Aus der Sicht des dadurch geschützten Rechtsgutes ist es auch von sekundärer Bedeutung, ob die Implantation in den Uterus der Eizellenspenderin oder einer anderen Frau erfolgt.

Diskutieren läßt sich freilich über die Frage, ob befruchtete Eizellen im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung „verbraucht“ oder auch nur dem Umstand geopfert werden dürfen, daß die Erfolgschance einer In-vitro-Fertilisierung ab einer bestimmten Zahl implantierter befruchteter Eizellen sinkt, daß es — nur unter diesem Gesichtspunkt betrachtet — zweckmäßig wäre, „überflüssige Embryonen“ auch als solche zu behandeln, sprich: sie zu vernichten.

Beide Gesichtspunkte sind jedoch unserer Auffassung nach wertungsmäßig viel zu schwach, um die Durchbrechung des Schutzes für ungeborenes Leben rechtfertigen oder auch nur entschuldigen zu können. Darüber hinaus sind derzeit auch keine wirklich bedeutsamen Forschungserfolge absehbar, die man nur durch gezielte Vernichtung befruchteter Eizellen erzielen könnte.

Zu Paragraph 8: Die Kommerzialisierung der künstlichen Befruchtung stößt auf breite Ablehnung. Der Grundsatz, daß ungeborenes Leben niemals Gegenstand kommerzieller Geschäfte sein darf, ist praktisch allgemein anerkannt.

Unter „entgeltlichem Verwerten“ ist vor allem der Handel mit befruchteten Eizellen zu verstehen.

Da der allgemeine Teil des Strafgesetzbuches (StGB) gemäß Artikel 1, Absatz 1 des Strafrechtsanpassungsgesetzes auch auf alle Taten anzuwenden ist, die in anderen Bundesgesetzen als dem StGB mit gerichtlicher Strafe bedroht werden, erübrigen sich eine spezielle Verfallsbestimmuiig sowie eine ausdrückliche Ausdehnung der Strafbarkeit auf Tatbeteiligte.

Zu Paragraph 9: Gegenstand der Verbotsnormen ist die „Mietmutterschaft“. Darunter sind jene Fälle künstlicher Befruchtung zu verstehen, bei denen eine Frau eine befruchtete Eizelle, die von ihr oder von einer anderen Frau stammen kann, gegen Entgelt austrägt.

Die Vermarktung der eigenen Gebärfähigkeit und die Übernahme des Schwangerschaftsrisikos für eine andere Frau gegen Entgelt ist gesellschaftlich unerträglich und daher auch strafwürdig.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei noch angemerkt, daß der kürzlich in Österreich bekanntgewordene Fall jener Frau, der eine mit dem Samen ihres Ehemannes befruchtete fremde Eizelle eingepflanzt wurde, nicht unter diese Strafbestimmung fiele. Diese Frau trug das Kind nicht für eine andere Frau, sondern für sich selbst aus. Daran ist nichts Strafwürdiges.

Der Autor ist Universitätsassistent an der Juridischen Fakultät der Universität Wien.

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