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Das Gespräch als Hilfe im Konflikt zwischen den Partnern

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Der Schwerpunkt katholischer Ehe- und Familienberatung besteht darin, Ehepaare, die Gesamtfamilie oder Einzelpersonen dazu zu befähigen, ihre Konflikt- und Krisensituationen in eigener und selbständiger Weise zu bewältigen. Daraus ergibt sich, daß die Beratung bei Konflikten durch unerwünschte Schwangerschaft ein sehr wichtiger Teilbereich in der katholischen Ehe- und Familienberatung ist. Ein Mensch, der Angst hat, neigt zu Kurzschlußhandlungen. Eine beabsichtigte oder erfolgte Abtreibung stellt in den meisten Fällen eine Kurzschlußhandlung der betroffenen Frau dar, ausgelöst durch ihre eigenen Ängste und den Druck der Umwelt.

Bei den Frauen, die mit dem Problem einer unerwünschten Schwangerschaft konfrontiert sein können, gibt es drei Gruppen:

• Junge Mädchen, die ein uneheliches Kind erwarten (Angst, es dem Freund zu sagen, Angst vor den Eltern, vor der Schule)

• Paare, bei denen die Frau ein außereheliches Kind erwartet (Angst vor dem Ehepartner oder derzeitigen Lebensgefährten)

• Familien, in denen schon einige Kinder vorhanden sind (Angst vor finanzieller Not, Angst vor psychischer oder physischer Uberforderung, Wohnungsprobleme, Angst vor einer zerbrechenden Ehe).

Aufgabe der katholischen Ehe- und Familienberatung ist es nun, in einer vertrauensvollen und angstfreien Atmosphäre mit dem Ratsuchenden über seine Angst zu sprechen und gemeinsam mit ihm und seiner Familie andere Lösungen, die ihn von dieser Angst und dem damit verbundenen Konflikt befreien, zu erarbeiten, als die scheinbar einzige Lösung einer Abtreibung. Eine Lösung, die auf jeden Fall auf Kosten eines Menschen, des Ungeborenen, geht.

Klar ist, daß der Eheberater in solchen Fällen eng mit dem Arzt der Beratungsstelle in Kontakt steht und dem Ratsuchenden eine fachgerechte medizinische Beratung anbietet. Klar ist ferner, daß alle konkreten Hilfsangebote (Lösung von Quartierproblemen, von finanziellen Engpässen, Hilfe bei der Suche nach Adoptiveltern, bei Arbeitsplatzproblemen) in Zusammenarbeit mit privaten und auch städtischen Stellen herangezogen werden.

Unerwünschte Schwangerschaft ist jedoch nicht das einzige Problem, das an eine Ehe- und Familienberatungs-

stelle herangetragen werden kann. Erfahrungsgemäß geht es um eine ganze Reihe von Themen: Partnerschaftskonflikte (zwischen Eheleuten, aber auch anderen Partnerschaftsformen), Sexualprobleme, Familienplanung, Probleme alleinstehender Mütter, Erziehungsprobleme, Generationenkonflikte, Familienrechtsfragen, wirtschaftliche und soziale Fragen, Alkoholismus. Grundsätzlich werden in der Beratungsstelle alle Lebensprobleme besprochen. Die Beratungsstellen der Kirche stehen allen offen, ohne Unterschied der Konfession oder der Weltanschauung, die Beratung erfolgt auf Wunsch anonym, jede Beratungsstelle verfügt neben diplomierten Eheberatern und Sozialarbeitern auch über ein Team von Experten, die bei der Erörterung von Spezialfragen herangezogen werden, Seelsorger, Ärzte, Juristen, Psychologen. Jede Beratung erfolgt kostenlos. Die katholische Kirche besitzt in Österreich 42 Ehe- und Familienberatungsstellen sowie fünf Ausbildungszentren für Eheberater mit öffentlichkeitsrecht. Die Eheberater werden in dreijähriger Ausbildungszeit sorgfältig für ihre Tätigkeit ausgebildet.

„Das Wichtigste ist, daß man lernt, sich selbst zu helfen!“ sagte mir ein jüngerer Mann im Gespräch, ein Mensch, mit dem ich bis zu diesem Zeitpunkt im Verlauf eines halben Jahres etwa zehn Beratungsgespräche geführt hatte. Beim ersten Besuch in der Beratungsstelle wäre er nicht in der Lage gewesen, diese Äußerung zu tun, sosehr war er bedrückt und verzweifelt über sein bisheriges Leben. Seine Hoffnung, sich und sein Leben

zu verändern, war zu diesem Zeitpunkt äußerst gering.

Damit sei auf etwas sehr Wichtiges im Zusammenhang mit der Beratung hingewiesen: Viele Menschen glauben, in einem einmaligen Gespräch einen lang dauernden Konflikt mit dem Partner oder ein jahrelang brennendes Problem lösen zu können. Sie erwarten vom Berater ein Rezept oder einen Ratschlag mit „Sofortwirkung“, sind enttäuscht, wenn die „Sofortlösung“ nicht angeboten oder gar eigene Mitarbeit von ihnen erwartet wird. Bei vielen Ehepaaren entschließt man sich zum Besuch einer Beratungsstelle erst, wenn die Situation hoffnungslos geworden ist und man unmittelbar vor dem Entschluß steht, sich scheiden zu lassen.

Vielleicht ist auch der Hinweis notwendig, daß die Beratungsstellen der Kirche nicht bloß für Fernstehende, sondern auch für katholische Eheleute da sind. Katholische Ehepaare stehen oft unter einem besonderen Druck, wenn sie mit einem Konflikt oder Problem nicht zu Rande kommen. Man meint vielfach, daß katholische Ehen keine Schwierigkeiten kennen dürften. „Ich hätte nicht gedacht, daß in einer katholischen Ehe so etwas möglich ist!“ Diesen Satz habe ich schon oft gehört, besonders, wenn es sich um Familien handelt, die in Kirche und Pfarrgemeinde aktiv tätig sind. Eine bewußt katholisch gelebte Ehe ist nicht weniger krisenanfällig als jede andere Ehe auch. Nur bieten sich ihr aus dem Glauben heraus, aus dem Kontakt mit Priestern und der Hilfe verstehender Mitchristen vielleicht mehr Möglichkeiten zur Bewältigung an. Aber das ist nicht immer der Fall, und so sind die Eheleute auf die Hilfe eines verstehenden Dritten angewiesen.

Wer den Willen hat, sich selbst, sein Zusammenleben mit dem Partner oder die Beziehung zu anderen Familienmitgliedern positiv zu verändern und neu zu gestalten, nimmt ein schönes Stück Arbeit auf sich. Der Berater hilft

dabei, Zusammenhänge zu erkennen, die er bisher nicht beachtet hat, Ursachen für eine Verkrampfung oder Verdrängung zu entdecken, die mitunter bis in die Kindheit zurückreichen. Der Eheberater wird vor allem versuchen, die lang verlorengegangene oder nicht vorhandene Gesprächsbereitschaft und Gesprächsfähigkeit zwischen den Partnern zu beleben. „Wir können nicht oder nicht mehr miteinander reden!“ Diese Klage hört man immer wieder von Eheleuten, und dieses

Nicht-miteinander-reden-Können verbaut den Weg zu einer lebendigen Neugestaltung der Beziehung.

Gerade von der Kirche wird erwartet, daß sie Verständnis und Engagement den in Krisensituationen stekkenden Menschen entgegenbringt und im Bereich von Ehe und Familie eine Vielfalt von Hilfsangeboten zur Verfügung hat. So versteht sich Ehe- und Familienberatung in kirchlicher Trägerschaft als Diakonie, die den Menschen in seiner Einmaligkeit respektiert, ihn auch in seinem Versagen akzeptiert und nicht verurteilt und sein Bedürfnis nach Entscheidungsfreiheit und nach Diskretion berücksichtigt. Das tiefste Motiv eines katholischen Eheberaters ist Liebe dem in Not befindlichen Mitmenschen gegenüber und das Bestreben, ihm neue Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für £in erfülltes Leben zu vermitteln.

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