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Das große Rätsel Syrien

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Ein Friede zwischen dem durch den Golfkonflikt veränderten Syrien und Israel ist möglich geworden. Aber kann Israel auf die Golanhö-hen verzichten? Die dortige Bevölkerung sagt nein.

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Ein Friede zwischen dem durch den Golfkonflikt veränderten Syrien und Israel ist möglich geworden. Aber kann Israel auf die Golanhö-hen verzichten? Die dortige Bevölkerung sagt nein.

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Syriens Beitritt zur großen Koalition gegen Saddam Hussein, seine Weigerung, amerikanische und englische Flugzeuge über syrisches Gebiet Einsätze gegen den Irak fliegen zu lassen, doch andererseits syrische Truppen, die am Feldzug gegen Iraks Diktator teilnahmen, rief bei politischen Beobachtern so manches Stirnrunzeln hervor. Ist das das Syrien der syrischen Baathpartei und seines Diktators Hafez Assad?Das Rätselraten wurde noch größer, als Assad offiziell erklärte, Israel habe das Recht, sich gegen Angriffe zu verteidigen, auch gegen die Raketenangriffe Saddam Husseins.

Dasselbe Syrien, das seine Abgesandten nicht nach Kairo schik-ken wollte, weil dort die zionistische Flagge auf Israels Botschaft weht, erkannte nun Israels Existenz an. Mehr noch, es verbot den palästinensischen Terrororganisationen, die unter syrischem Einfluß stehen, Katjuscheraketen vom Südlibanon aus auf Israel und auf die israelische „Sicherheitszone” im Südlibanon zu schießen. Das amerikanische Außenministerium war begeistert und glaubte schon, nun könnten Israel und Syrien demnächst den zweiten Friedensvertrag (nach Ägypten) unterzeichnen.

Israels Likudregierung, insbesondere der gemäßigte Flügel des Likud, sah hier bereits einen Schimmer auf Erfolg, denn Israel könne nun die Likud-Doktrin verwirklichen, erst mit den arabischen Staaten Frieden zu schließen und danach mit den Palästinensern Verhandlungen über eine beschränkte Autonomie in den besetzten Gebieten aufzunehmen.

Israels Außenminister David Levy erinnerte daran, daß Likudführer und -begründer Menachem Begin bei der Unterzeichnung des Camp David Friedensabkommens sagte, daß die Golanhöhen für Verhandlungen offenstehen, weil sie kein Teil des von Gott verheißenen Landes seien. Er meinte damals, daß man bei Friedensverhandlungen auf einen Teil der Golanhöhen verzichten könne - allerdings nur auf einen Teil. Wer jedoch die Golanhöhen kennt, weiß genau, was damit gemeint ist. Israel wird niemals mehr auf das Plateau verzichten, von dem aus in der Vergangenheit syrische Soldaten ganz nach Belieben auf die Israelis im Tal hinun-terschossen und dort oft das Leben fast unmöglich machten. Israel wird auch niemals mehr zulassen, daß Syrien direkt an seinem wichtigsten Wasserreservoir wieder seine Zelte aufschlägt und die Wasserversorgung des ganzen Landes gefährden kann. Dazu wäre auch keine Regierung der linken Arbeiterpartei bereit. Denn niemand weiß, wer nach Hafez Assad ans Ruder kommt - handelt es sich hier doch um eine Diktatur.

Inzwischen meldeten sich bereits die Einwohner der Golanhöhen zu Wort. Sie bestanden darauf, daß die Regierung nochmals betont, daß es sich hier um einen Teil Israels handelt. David Levy spricht von bedingungslosen Verhandlungen, doch Syrien erinnert daran, daß der verstorbene Mosche Dayan bevor seinerzeit die Verhandlungen mit Ägypten begannen nach Marokko fuhr, sich dort mit Osama el Baas, Anwar Sadats Vertrautem traf und ihm versicherte, daß Israel bereit sei, auf die Sinaihalbinsel zu verzichten.

Israel könnte eventuell eine Ent-militarisierung der Golanhöhen anbieten. Die Frage ist, ob Syrien dazu bereit wäre. Kann es die Israelis, die sich dort befinden, akzeptieren? All das erfordert ein völliges Umdenken, eine ganz andere Einstellung als bisher.

Syriens Regime ist im Prinzip nicht weniger grausam als das Saddam Husseins. Syrien wird von einer Gruppe von Offizieren beherrscht, die der alawitischen Minderheit angehören, die nur zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung darstellt. Die Sunniten hingegen, die 70 Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind weder in der Regierung noch im Offizierscorps vertreten. Um seine Position zu halten, waren Assad alle Mittel recht. Im Kampf gegen die fundamentalistischen Moslemischen Brüder ließ er 1980 die Stadt Choms bombardieren. Es kamen dabei 20.000 bis 40.000 Menschen um. Als er Verdacht gegen einige junge Offiziersanwärter schöpfte, wurde der gesamte Jahrgang der Offiziersschule liquidiert. Ganze Familien wurden ausgerottet, weil ein Familienangehöriger in Opposition zu Assad stand. Assad, dem ruchlosen Diktator* fügten sich bis jetzt alle aus Angst; er ist aber auch verhaßt und weiß, daß er sich keine Blöße geben darf. Populär ist Assad nur bei der Landbevölkerung, bei der er sich durch die Bodenreform beliebt machte, doch einflußreicher sind die gebildeten Städter.

Assads Furcht vor dem Irak war immer groß. Bereits in den dreißiger Jahren, als im Irak und in Jordanien das haschemitische Königshaus herrschte, versuchten die beiden Herrscher - sie waren Brüder -ein vereintes haschemitisches Reich zu schaffen, in das auch Syrien eingegliedert werden sollte. Allerdings war das damals nicht so einfach und mehr ein Hirngespinst. Denn Frankreich hatte vom Völkerbund ein Mandat über Syrien erhalten und war nicht bereit, dieses aufzugeben.

Auch in den fünfziger und sechziger Jahren bestand dieser Trend, Syrien zu annektieren. Es war der Großirak, von dem alle irakischen Staatsoberhäupter träumten. Die Angst vor Saddam Husseins Großmachtambitionen machte Syrien zu Irans Verbündetem gegen Saddam Hussein. Dieselbe Angst war es auch, die Syrien in die Arme der Koalition trieb.

Dies schließt nicht aus, daß Syrien auf Wirtschaftshilfe der USA und der EG hofft. Denn seine wirtschaftliche Lage ist mehr als schlecht und ohne Unterstützung der Ölstaaten könnte es nicht existieren. Ob Syrien jedoch wirklich bereit sein wird, mit Israel Friedensverhandlungen aufzunehmen -ohne daß die Golanhöhen im voraus versprochen werden -, ist noch lange nicht klar.

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