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Das große Sterben geht weiter

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Kambodscha geht der Regenzeit entgegen, die alle militärischen Operationen unmöglich macht. Den über 200.000 Vietnamesen ist es in der trok-kenen Periode also nicht gelungen, den Roten Khmer den Garaus zu machen. Dank chinesischer Hilfe sind die 30.000 Dschungelkämpfer sogar besser ausgerüstet als vor eTnem Jahr. Damit ist der Fortgang des Guerillakriegs in diesem unglücklichen Lande eine Tatsache, damit auch das große Sterben der Zivilbevölkerung.

Seit der Übernahme der Macht durch die Roten Khmer am 17. April 1975 bezahlte, gutverbürgten Nachrichten zufolge, die Hälfte der sieben Millionen Einwohner den Versuch Pol Pots, einen integralen Kommunismus auf rein landwirtschaftlicher Grundlage zu verwirklichen, mit dem Leben. Letztes Jahr konnte durch eine großzügige internationale Hilfsaktion der westlichen Welt die schlimmste Hungersnot - die durch eine Dürre und kommunistische Mißwirtschaft verursacht wurde - abgewendet werden.

Inzwischen wurde die auch dieses Jahr mager ausgefallene Ernte aufgezehrt. Bis zur nächsten Ernte im November sind die Uberlebenden ganz auf Hilfe vom Ausland angewiesen. Vor allem ist die* Lieferung von Saatgut notwendig.

Gewiß hörte man genug Berichte, wonach die Verteilung der Hilfsgüter durch die Ineffizienz der unerfahrenen, meist aus jungen Leuten bestehenden Bürokratie und durch die Korruption der Beamten und Militärs behindert wurde. Wie es scheint, profitierten auch die von Vietnam eingesetzten Statthalter unter Heng Samrin und sogar die Besetzungstruppen selbst von den Hilfsgütern.

Trotzdem muß die Hilfe weitergehen. Denn wie der amerikanische Untersekretär für Südostasien, Richard Holbrooke, kürzlich erklärte, ist Kambodscha die einzige Nation in der heutigen Welt, die von physischer Vernichtung bedroht ist. Er fordert, daß der UNO-Generalsekretär Kurt Wald- ' heim, einer Anregung Thailands folgend, eine internationale Konferenz einberufe, um die Rettung Kambodschas zu diskutieren.

Eirle ähnliche Konferenz, die letztes Jahr wegen der Vietnamflüchtlinge zusammentrat, verdoppelte nicht nur die Beiträge zu deren Unterhalt und die Aufnahme in westlichen Ländern, sondern übte einen solchen Druck auf Vietnam aus, daß Hanoi die Ausweisungskampagne drastisch einschränkte. Die internationale öffentliche Meinung muß Hanoi zwingen, die Verteilung der Hilfsgüter zu verbessern: Lebensmittel,

Medizinen und Saatgut müssen den einfachen Mann erreichen!

Eine internationale Konferenz fordert auch Prinz Norodom Sihanouk, der kürzlich von einer Weltreise in seine neue Residenz in Nordkorea zurückkehrte. Auf einer Pressekonferenz in Peking gab er kleinlaut zu, daß sein Versuch, in Amerika, Afrika und Westeuropa Unterstützung für seine dritte Kraft zu finden, mißlang.

Er verlangte, daß der UNO-Sitz Kambodschas, der heute noch von einem Vertreter des Massenmörders Pol Pot eingenommen wird, nicht besetzt werden dürfe, bis eine internationale Konferenz die Voraussetzungen zu freien Wahlen unter UNO-Aufsicht geschaffen habe. Sihanouk lehnt die Roten Khmer ebenso entschieden ab wie das von Vietnam eingesetzte Regime Heng Samrins.

Die dritte Kraft wird im Feld vertreten durch die Blauen Khmer, die unter dem früheren Premier Son Sann im Westen des Landes operieren. Uber ihre Stärke ist nichts Sicheres zu erfahren. Die Regierung Thailands müht sich, Son Sann für eine Koalition mit dem Regime in Phnom Penh zu gewinnen. Auch Sihanouk deutete an, daß er nach dem Fehlschlag seiner Mission-dieser Idee nicht ganz abgeneigt sei.

Die Aussichten für eine Koalitionsregierung unter ihm nehmen daher zu. Chinas unbedingte Unterstützung des mörderischen Pol-Pot-Regimes stößt in der Welt auf wachsende Ablehnung. Hanoi selbst kann sich den endlosen Krieg im Dschungel nicht leisten. Seine wirtschaftliche Lage nähert sich unvermeidlich katastrophalen Zuständen, verschlimmert durch Dürre, Korruption der Kader, Mangel an qualifizierten Facharbeitern (aufgrund der Ausweisung der Chinesen) und Verweigerung der Hilfeleistung durch die Westmächte (gerade wegen der Invasion des Nachbarlandes).

Die Roten Khmer selbst scheinen Pol Pot in den Hintergrund zu drängen zugunsten einer eher akzeptablen Führung unter dem Premier Khieu Samphan, der erst kürzlich Peking besuchte und (bisher umsonst) auf eine Einladung nach Tokyo wartet. Ohne Zweifel sehen sie die Unmöglichkeit ihres „integralen Kommunismus” ein. Daß sie überhaupt noch Unterstützung in der Bevölkerung finden, erklärt sich nur aus der jahrtausendealten Erbfeindschaft mit Vietnam.

Eine politische Lösung unter einer Koalitionsregierung in Phnom Penh setzt aber den Abzug der Vietnamesen voraus, und damit den Verzicht auf eine indochinesische Föderation (mit Laos und Kambodscha) unter der Kolonialherrschaft Hanois.

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