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Das Heer muß nun geistig aufrüsten

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Das Image des Bundesheeres ist bei Abrüstern wesentlich schlechter als bei den einrückenden Präsenzdienern. Soweit eine heeresinterne Studie. Wie reagiert der Minister?

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Das Image des Bundesheeres ist bei Abrüstern wesentlich schlechter als bei den einrückenden Präsenzdienern. Soweit eine heeresinterne Studie. Wie reagiert der Minister?

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FURCHE: In einer Artikelserie in der FURCHE (7. 8.11. 14/1987) sagt der Generalstäbler Roland Vogel dem Bundesheer bei Fort,-schreiben der bisherigen Politik eine nicht minder gefährliche Identitätskrise wie in den sechziger Jahren voraus. Welche neuen Akzente kann da ein neuer Verteidigungsminister trotz Sparbudget setzen?

ROBERT? LICHAL: Daß meine Erbschaft aus mehreren beachtlichen Legaten besteht, kann nicht bestritten werden. Ein neuer Minister erstellt daher zunächst einmal eine Bilanz und versucht nach bestem Wissen und Gewissen, die Funktionstüchtigkeit der militärischen Landesverteidigung zu erhalten beziehungsweise auszubauen. gesagt, ich halte es für wenig sinnvoll, bereits in eine Ausbaustufe hineinzugehen, wenn die vorhandenden Organisationseinheiten noch nicht optimal ausgestattet sind. Das ändert aber nichts an den Grundsätzen des Landesverteidigungsplanes.

FURCHJE: Spart nicht auch das Bundesheer selbst am falschen Platz?So soll es zu einer Verrecht-lichung des Status der Zeitsoldaten kommen, was den Personalaufwand erheblich erhöht?

LICHAL: In der Vergangenheit hat man den Zeitsoldaten geschaffen, aber keine rechtlichen Konsequenzen daraus gezogen. Ich nage an diesem Problem.

Der Zeitsoldat bekommt weder Lohn noch Gehalt, nur eine Prämie. Und diese Prämie deckt alle seine Leistungen ab. Der Zeitsoldat ist nach diesem System nicht krankenversichert — ein für mich in Osterreich nicht zu duldender Zustand. Deshalb habe ich mit dem Sozialminister bereits eine Vereinbarung getroffen, daß den Zeitsoldaten durch eine ASVG-Novelle wenigstens die freie Arztwahl ermöglicht wird. Das alles geht aber zu Lasten meines Ressortbudgets.

FURCHE: Aber alle diese Maßnahmen zielen auf eine Professio-nalisierung im Heer. Steht am Ende vielleicht wieder mehr Berufs-soldatentum?

LICHAL: Unser Milizsystem besteht aus drei Komponenten. Die eine Komponente bildet der

Kader, die zweite die Bereitschaftstruppe und die dritte das Mob-Heer. Jede dieser Komponenten hat etwas für sich, und zusammen sorgen sie für den Milizcharakter unseres Bundesheeres. Nur mit einer fluktuierenden Einheit, in die jeder Soldat nur im Ubungs- oder Ernstfall einrückt, werden wir nicht das Auslangen finden.

Dazu kommt, daß in der Zwischenzeit bereits bis zu 40 Prozent der zu Truppenübungen beorderten Soldaten sich durch Interventionen entschuldigen. So verfügt ja ein Kommandant bei den Truppenübungen nie über seine komplette Mannschaft.

Wir werden uns daher überlegen, wie wir aus dem Milizsystem ein echt funktionierendes Milizheer schaffen können.

FURCHE: Welche konkreten Maßnahmen sollen getroffen werden?

LICHAL: Wir müssen die 8-Monate-Durchdiener reduzieren und mehr Möglichkeiten für Truppenübungen schaffen. Wir haben jetzt das System verstehe ich eine stärkere Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung und bei den Soldaten über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer funktionierenden militärischen Landesverteidigung. Vielleicht gelingt das mit Maßnahmen zur Förderung von mehr Wehrpflichtgerechtigkeit oder mit einer stärkeren Berücksichtigung des Mob-Verbandes. Auch dort soll in Zukunft dem Milizcharakter mehr Rechnung getragen werden.

FURCHE: Seit es das Bundesheer gibt, ist immer davon die Rede, daß irgendwann einmal ausreichend Budgetmittel zur Erfüllung des Verteidigungsauftrages zur Verfügung stehen. Bis dahin

„Mit einem Budgetanteil zwischen vier und fünf Prozent ein Auskommen“

müsse man sich halt gedulden. Wäre in Zeiten wie diesen nicht endlich ein politisches Signal notwendig, daß das Militär trotz aller Budgetprobleme nun einmal etwas kostet?

LICHAL: Diesen Standpunkt teile ich persönlich voll und ganz. Nur ist auch die Landesverteidigung zumindest in den Jahren 1987 und 1988 belastet durch die Notwendigkeit, das Budgetdefizit zu reduzieren. Wir alle müssen zumindest zwei Jahre lang den Gürtel enger schnallen und durchtauchen.

Nach diesen zwei Jahren aber werde ich die Bevölkerung fragen, was ihr die Landesverteidigung und damit die eigene Sicher-

ich bekenne mich zu den Zielsetzungen des Landesverteidigungsplanes und möchte daran nichts ändern, höchstens einiges komplettieren. Ich möchte auch -dem Koalitionsabkommen entsprechend — eine Verrechtlichung des Milizsystems bis zum Sommer dem Nationalrat vorlegen, um verschiedene Befürchtungen hoffentlich endgültig aus dem Weg zu räumen.

FURCHE: Gewisse Offizierskreise halten aber die Milizarmee in der derzeit praktizierten Form für eine Fehlentwicklung.

LICHAL: Ich bekenne mich zum Konzept der Landesverteidigung, wie es derzeit besteht, mit allem, was damit verbunden ist. Ich werde allerdings noch vor dem Sommer mit der Frage in den Landesverteidigungsrat gehen, ob wir in Hinblick auf die allgemeinen budgetären Restriktionen die zeitlichen Zielsetzungen des Landesverteidigungsplanes einhalten können.

Ich halte nicht viel davon, wenn wir in eine Ausbaustufe hineingehen, solange wir in dem bisherigen System Lücken haberu

FURCHE: Konkret bedeutet das eine Verzögerung des Ausbaus der militärischen Landesverteidigung?

LICHAL: Das lasse ich derzeit alles prüfen. Aber, noch eiiunal

6 plus 2 Monate und das System 8 plus 0 Monate. Nach einer Idee des Armeekommandanten könnten wir auch zusätzlich zu einem System 7 plus 1 Monat übergehen.

FURCHE:Das wäre ein System, das — wie unter dem letzten OVP-Verteidigungsminister Georg Prader — für alle Wehrpflichtigen gleiche Bedingungen schafft.

LICHAL: Ich möchte die Ungerechtigkeiten im System beseitigen. So wird zum Beispiel derzeit der Mob-beorderte Berufssoldat allein schon in finanzieller Hinsicht bei Übungen besser behandelt als der Mob-beorderte Soldat, der aus der Privatwirtschaft kommt.

FURCHE: Bei den insgesamt acht Monaten Präsenzdienstzeit wird’s bleiben?

LICHAL: Ja.

FURCHE: Wie können die Reservekader zusätzlich motiviert werden, ihre Qualifikation zu verbessern? Genügt es, an die Freiwilligkeit bei Truppenübungen zu appellieren?

LICHAL: Die Palette, in der Fortbildung Änderungen vorzunehmen, ist eine sehr breite, aber die Aufgabe, Änderungen tatsächlich herbeizuführen, ist eine sehr schwere.

Wir benötigen in erster Linie eine geistige Aufrüstung. Darunter heit tatsächlich wert ist. Dann muß der Budgetanteil für die Landesverteidigung entscheidend angehoben werden.

FURCHE: Wollen Sie das Verteidigungsbudget bis zum Ende dieser Legislaturperiode verdoppeln?

LICHAL: Das wäre zu viel verlangt. Wir liegen jetzt bei einem Anteil zwischen 3,4 und 3,6 Prozent am Gesamthaushalt. Wenn wir unser Milizsystem sinnvoll ausbauen wollen, körmten wir mit einem Budgetanteil zwischen vier und fünf Prozent ein Auskommen finden. Sondervorhaben wie etwa ^Abfangjäger der vierten Generation nach dem Draken oder moderne Abwehrwaffen gegen Panzer müßten allerdings im Wege einer Sonderfinanzierung angeschafft werden.

FURCHE: Stellt sich irgendwann für Sie einmal die Frage, wenn sich dieser Staat eine effektive Landesverteidigung nicht leisten will, dann sperren wir „den Laden“ überhaupt zu?

LICHAL: Die Landesverteidigung ist jedenfalls nicht dazu da, um in politischen Sonntagsreden strapaziert zu werden. Diese Bundesregierung gibt mir aber die Hoffnung, daß dem in Zukunft nicht so sein wird.

Mit dem Bundesminister für Landesverteidigung sprachen Christof Gaspari und Tino Teller.

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