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Das „Heil Hitler" war befohlen

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Zu den Hintergründen über das Zustandekommen des Aufrufes der österreichischen Bischöfe für die Volksabstimmung am 10. April 1938, verbunden mit einem Begleitschreiben, auf dem das berühmt-berüchtigte „Heil Hitler" des Wiener Kardinals Innitzer steht, sind von Univ.-Prof. Maximilian Liebmann (Graz) neue Forschungsergebnisse vorgelegt und in einer ausführlichen Abhandlung in der jüngsten Ausgabe der Linzer Theologisch-Praktischen Quartalschrift veröffentlicht worden.

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Zu den Hintergründen über das Zustandekommen des Aufrufes der österreichischen Bischöfe für die Volksabstimmung am 10. April 1938, verbunden mit einem Begleitschreiben, auf dem das berühmt-berüchtigte „Heil Hitler" des Wiener Kardinals Innitzer steht, sind von Univ.-Prof. Maximilian Liebmann (Graz) neue Forschungsergebnisse vorgelegt und in einer ausführlichen Abhandlung in der jüngsten Ausgabe der Linzer Theologisch-Praktischen Quartalschrift veröffentlicht worden.

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Einleitend hebt Prof. Liebmann ausdrücklich hervor, daß begrifflich genau zwischen der „Feierlichen Erklärung" und dem sogenannten Begleitbrief mit Innitzers „Heil Hitler" (beide tragen das Datum vom 18. März 1938) und dem „Vorwort zur Feierlichen Erklärung", das mit 21. März datiert ist, zu unterscheiden sei.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich kam es am 15. März zu einer Unterredung zwischen Kardinal Innitzer und Hitler im Hotel Imperial in Wien. Am nächsten Tag wurde von Klaus Selzner, dem Adjutanten des Gauleiters Bürckel, ein Entwurf der späteren „Feierlichen Erklärung" an Innitzer übergeben. Die für 18. März nach Wien zu einer Bischofsbesprechung gerufenen österreichischen Bischöfe änderten den Entwurf Bürckels ab und entschärften ihn weitgehend. Der von den Bischöfen redigierte Text wird von Liebmann als „für die damaligen Verhältnisse nüchtern, verantwortungsvoll, zurückhaltend und unverfänglich" beurteilt.

Die von den Bischöfen redigierte und akzeptierte Fassung des Aufrufes wird wieder dem Gauleiter übermittelt. Wie lautete der jetzt gefundene Text, dem die Bischöfe zustimmten? Hier der vollständige Text:

„In einer Aussprache mit den österreichischen Bischöfen legte Gauleiter Bürckel die Arbeit und die Erfolge der

nationalsozialistischen Bewegung auf dem Gebiete des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der Sozialpolitik dar. Die Bischöfe gaben darauffolgende Erklärung ab:

a) Wir anerkennen dieses Wirken der NS-Bewegung für das deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten, zumal dadurch die Gefahr des Bolschewismus abgewehrt wurde.

b) Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren Segenswünschen.und werden die Gläubigen in ähnlichem Sinn ermahnen.

c) Wir werden uns am Tage der Volksabstimmung als Deutsche zum Reich bekennen und erwarten auch von allen gläubigen Christen, daß sie wissen, was sie ihrem Volke schuldig sind. Wien, am 18. März 1938."

Diese von den Bischöfen gebilligte Fassung reichte nicht für Bürckels propagandistische Wünsche. Der Gauleiter änderte den von den Bischöfen genehmigten Text und diktierte die folgende Fassung der „Feierlichen Erklärung":

„Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinzen anläßlich der großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch-Österreich:

Wir erkennen freudig an, daß die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiete des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der So-

zialpolitik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, daß durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden, gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde.

Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen.

Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständlich nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, daß sie wissen, was sie ihrem Volke schuldig sind. Wien, am 18. März 1938."

Unterzeichnet vom österreichischen Episkopat.

Dieses „Bürckel-Diktat" ließ nun der Gauleiter einfach den Bischöfen zur Kenntnis bringen und reiste unmittelbar danach ab. Die Bischöfe akzeptierten die Neufassung nicht; ihr vehementes Drängen, noch etwas zu ändern und neu zu formulieren, scheiterte aber am sofortigen Abflug Bürckels zum Reichstag nach Berlin.

Ist denn dieses Diktat überhaupt jemals von den Bischöfen unterschrieben worden? Dazu stellt Liebmann fest, daß manche Quellen dafür sprechen, daß die „Feierliche Erklärung" neu geschrieben und die Unterschriften nachträglich zum Text dazugesetzt (klischiert) worden sind, denn nachweislich existieren zwei Fassungen der „Feierlichen Erklärung".

Schwerste Bedenken des Erzbi-schofs Waitz, aber auch Kardinal Innitzers wegen der von Bürckel diktierten „Feierlichen Erklärung" ließen immer mehr den Gedanken reifen, daß diese entweder eine Ände-

rung - wegen Bürckels Abflug unmöglich - oder wenigstens eine Ergänzung erfahren müsse. Wollten in dieser Situation die Erzbischöfe noch etwas erreichen, dann mußten sie weiterverhandeln -, die übrigen Bischöfe waren wieder in ihre Diözesen abgereist.

Die folgenden Verhandlungen führten zunächst zum Vorwort und dann noch zum Begleitschreiben. Die Erzbischöfe verhandelten jetzt mit Josef Himmelreich als Vertreter für Klaus Selzner, der zu einem Krankenhausaufenthalt gezwungen war, über die Änderung bzw. Ergänzung der „Feierlichen Erklärung", dann über Religionsunterricht in Volks-, Haupt- und Mittelschulen, Schulgebet, Bischöfliche Knaben- und Priesterseminare, das Presse- und Zeitungswesen, Militärjahr für Priesteramtskandidaten und erreichten befriedigende Zusagen.

Außerdem überreichte Kardinal Innitzer Himmelreich eine zwei Seiten umfassende Liste, in der um Entlüftung von namentlich aufgezählten Personen, um Rücknahme von Dienstenthebungen, um Freigabe von besetzten Räumen und beschlagnahmten Gütern gebeten wurde.

Noch am 19. März erhielt Innitzer vom Büro Bürckel die schriftliche Antwort, in der ihm versichert wurde, daß Jede Ungerechtigkeit sobald wie möglich abgestellt werden soll". Dazu kündigte Bürckel auch im Rundfunk eine „Erklärung über den Frieden zwischen Staat und Kirche in Österreich" an, die ursprünglich für 26. März festgesetzt war. Um Bürckels Rundfunkerklärung abzuwarten, stoppten die Bischöfe die für 20. März festgelegte Verlesung des Aufrufes in den Domkirchen.

Ein Brief an Bürckel vom 20. März, von beiden Metropoliten abgefaßt, aber nur von Innitzer unterzeichnet,

sollte einen neuen Termin für die von den Bischöfen verschobene Verlesung der „Feierlichen Erklärung" festsetzen. Die Angst Innitzers, das Erreichte zu gefährden, und Bürckels nachdrücklicher Wunsch, den Eindruck der „Freiwilligkeit" und „innersten Uberzeugung" der Bischöfe zu erwecken, bewog Innitzer zu diesem Brief an Bürckel, den er schließlich mit „Heil Hitler" unterzeichnete - „ein sehr, sehr hoher Preis", wie Liebmann feststellt.

Das „Vorwort zur Feierlichen Erklärung" erreichten die Metropoliten am 21. März im Parlament in der Besprechung mit Bürckel persönlich. Beeindruckt hat die Erzbischöfe vermutlich auch Bürckels rasches Handeln, das die Zurücknahme eines Schulgebetsverbotes des Wiener Stadtschulrates zur Folge hatte. Der „Begleitbrief", der besonders auf die Einleitung der „Feierlichen Erklärung" Bezug nehmen sollte, wurde auf den 18. März rückdatiert und von Kardinal Innitzer auf Wunsch Bürckels mit jenem ominösen „Heil Hitler" unterzeichnet.

Für die beiden Metropoliten mußte das zugesicherte Verhandlungsergebnis als ein Erfolg erscheinen ...

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