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Digital In Arbeit

Das japanische Erfolgsgeheimnis

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Der Japaner ist zum Unterschied vom Europäer stark gruppenorientiert und weniger Individualist. Besonders stark ausgeprägt offenbart sich das am Arbeitsplatz.

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Der Japaner ist zum Unterschied vom Europäer stark gruppenorientiert und weniger Individualist. Besonders stark ausgeprägt offenbart sich das am Arbeitsplatz.

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Der japanische Arbeitnehmer denkt nicht so sehr materiell, er stuft die Sicherheit seines Arbeitsplatzes weitaus höher ein als ein Europäer.

Immer noch gilt in Japan das System der lebenslangen Einstellung, das heißt, man bleibt der Firma, in die man nach der Schulausbildung eintritt, bis zum festgelegten Ausscheidungsalter — in der Regel 55 Jahre - treu.

Das Gruppenbewußtsein des Japaners zeigt sich vornehmlich am Arbeitsplatz. Die Firma, in der man beschäftigt ist, wird „Uchi" genannt, das heißt, „mein Haus" während die Firma, in der mein Schulkollege oder mein Bekannter arbeitet, „Otaku", das heißt „dein Haus", genannt wird.

Der Japaner betrachtet die Firma nicht nur als „seinen Arbeitsplatz", sondern als „seine" oder „unsere Firma". Sie ist gleichsam eine vergrößerte Einheit der Familie.

Diese emotionelle Beziehung zum Unternehmen ist dem Management zumeist nicht unlieb und wird sogar durch verschiedene Mittel noch gefördert. So leben beispielsweise die Belegschaftsmitglieder mit ihren Familien häufig in firmeneigenen Wohnungen. Eine unmittelbare Folge davon ist, daß die Ehefrauen über die berufliche Tätigkeit ihrer Männer sehr gut informiert werden. Deshalb kommt diesen Familien gegenüber der Außenwelt auch eine Gruppenexklusivität zu, die ein solches Maß erreicht, daß sich gesellschaftliches Leben außerhalb der konkreten Gruppe kaum abspielt.

Alle diese Eigenschaften und Einstellungen haben natürlich auch Auswirkungen auf die japanische Betriebsorganisation. Anstelle einer klären Kompetenzabgrenzung für den einzelnen Aufgabenbereich wird in Japan eine Dienstbeschreibung für einen größeren Rahmen als Zielvorstellung ausgegeben.

Hier hat nicht die Funktion des einzelnen Priorität, sondern die Erreichung der Zielvorstellung durch die Gruppe. Daraus ergibt sich die Eigenart des japanischen Verantwortungsbewußtseins (die Gemeinschaft der Verantwortung), die für jedes einzelne Gruppenmitglied auch die Verantwortung gegenüber der Gruppe einschließt.

Die Arbeitskraft des einzelnen dient nicht ausschließlich der Bewältigung eigener Aufgaben, sondern darüber hinaus der Ergänzung der Aufgaben seiner Kollegen.

Mit diesem Prinzip ist ein hohes Maß an Flexibilität und damit Effektivität verbunden. Da das Kompetenzbewußtsein des einzelnen innerhalb der Gruppe kaum entwickelt ist, hat die Autorität des Vorgesetzten umso mehr Gewicht. In Japan gilt derjenige als idealer Vorgesetzter, der durch ständiges Bemühen um Verstärkung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses nicht nur das Verantwortungsbewußtsein seiner Gemeinschaft, sondern auch das Loyalitätsbewußtsein ihm gegenüber weckt, erhält und womöglich noch erhöht.

Als Folge davon gehen die menschlichen Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern nicht selten über den betrieblichen Rahmen hinaus und beziehen die private Sphäre mit ein, während in Europa die Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern eher gefühlsneutral und funktionsorientiert sind.

Neben Gruppenorientierung spielt die Anpassungsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Europäer sind grundsatz- und regeltreuer als die Japaner.

Zum anderen ist es Bestandteil der japanischen Ethik, daß das eigene Ich nicht unwandelbar, das Bewußtsein der Verantwortung, also wandelbar ist. Diese Anpassungsfähigkeit des einzelnen kommt naturgemäß der Gruppe, der Firma, dem Betrieb zugute.

In Japan liegt die Hauptaufgabe der Spitzenmänner nicht in der täglichen Kontrolle, sondern mehr in der Kontrolle der allgemeinen Richtung und der Motivierung der gesamten Belegschaft. In einer Gesellschaft wie der japanischen, in der die vertikalen Beziehungen dominieren, ist das Rangsystem unentbehrlich. In einer Firma sind beispielsweise Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Bildungsqualifikation, sowie fachliche Leistung Hauptkriterium für die Rangfolge.

Das Rangsystem innerhalb einer Firma ist im Bewußtsein des einzelnen sogar so fest verankert, daß es auch im privaten Bereich Geltung behält. Der Vorgesetzte bleibt, sei es auf der Straße, sei es im Restaurant, sei es im Kino oder im Privathaus, immer der Vorgesetzte. Die Frauen der Mitarbeiter müssen sich gegenüber der Frau des Vorgesetzten ranggemäß verhalten.

In bestimmten Organisationen ist es sogar so, daß der Rangniedrigere nicht lauter, nicht öfter und nicht eher sprechen oder lachen kann, als der Vorgesetzte dies tut.

Je größer und je älter ein Unternehmen ist, desto stärker ist die Institutionalisierung des Seniori-tätsprinzips. Ausnahmen finden sich nur unter den kleineren oder neuen Firmen, bei denen es leichter ist, das Senioritätsprinzip durch das Leistungsprinzip zu ersetzen. Grundsätzlich aber zieht man in Japan das Senioritätsprinzip vor, da ja die Beschäftigung auf Lebenszeit Charakteristikum der Arbeitswelt ist.

Die Beschäftigung auf Lebenszeit soll beibehalten werden, weil sie für Kontinuität und dauerhafte, vertrauensvolle Beziehung unabdingbar ist. Denn für die Erhaltung der Harmonie innerhalb einer Gruppe ist es vorteilhafter, wenn kein oder nur ein geringer Personalwechsel in der betreffenden Gruppe stattfindet.

Der Wegfall der Kündigung bis zum festgelegten Ausscheidungsalter allein motiviert den einzelnen noch nicht in ausreichendem Maße, deshalb wurde die Beschäftigung auf Lebenszeit mit dem Senioritätsprinzip gekoppelt.

Beide Prinzipien vermitteln den Belegschaftsmitgliedern ein Gefühl von Sicherheit, fordern das Loyalitätsbewußtsein der Belegschaft ihrer Firma gegenüber, bieten die Möglichkeit einer rangmäßigen Einstufung und Ausbildung der Arbeitskräfte, dienen den guten Beziehungen zwischen den Sozialpartnern im Betrieb und sorgen zumindest teilweise für geordnete Familienverhältnisse und gute zwischenmenschliche Beziehungen.

Der Autor ist Direktor der Bank of Tokio in Wien. Der Beitrag zitiert auszugsweise ein Referat vor der Overseas Chinese Trade Convention in Wien.

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