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Das Kärntner Modell

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Dr. Josef Köstner, Bischof der Diözese Gurk-Klagenfurt, war der erste Bischof Österreichs, welcher - 1967 -durch die Ernennung eines hauptamtlich angestellten Touristenseelsorgers die Touristenseelsorge als jüngsten Sproß der kategorialen Seelsorge anerkannt und offiziell eingegliedert hat. Auch die Erzdiözese Wien hat seit ein paar Jahren einen hauptamtlich angestellten Touristenseelsorger. Alle anderen Diözesen Österreichs, inklusive der Touristendiözesen „per naturell” -Innsbruck und Salzburg -, begnügen sich bis jetzt mit einem Pfarrer, der nebenbei die Touristenseelsorge seiner Diözese als kategorialer Seelsorger führt.

So ist es wohl verständlich, daß die Touristenseelsorge in Kärnten eine andere Entwicklung genommen und einen anderen Bekanntheitsgrad und auch einen anderen Umfang erreicht hat als in den anderen Diözesen. Diese Entwicklung wurde wesentlich durch die geographische, soziologische und politische Situation unseres Landes, wie auch durch die Herkunft unserer Gäste mitgeprägt. Der Großteil unserer Gäste kommt fast ausschließlich aus der Bundesrepublik Deutschland und aus Holland. In den letzten Jahren kommen im verstärkten Maße auch die Flamen aus Belgien, und während der Wintersaison die Jugoslawen.

Bedingt durch Seen und Sonne war und ist der Sommer in Kärnten die Hauptsaison; wir haben den Löwenanteil Österreichs an Campinggästen. Deshalb haben wir im Sommer 1968 in einem der größten Ballungszentren Kärntens, nämlich am Faaker See, mit einem Gottesdienst auf einem Campingplatz angefangen. Nach zwölf Jahren kommt die Touristenseelsorge Kärntens nun während der Sommerhauptsaison jeden Sonntag auf 14 der größten Campingplätze unseres Landes und gelegentlich im Laufe des Jahres in 35 der größten Hotels. Im vergangenen Jahr standen 23 Priester aus vier Ländern - freilich nicht gleichzeitig - in unseren Diensten.

Laut einer Untersuchung von Prof. Dr. E. van Trotsenburg von der Universität Klagenfurt im Jahre 1976 - es war übrigens die größte wissenschaftliche Untersuchung auf diesem Gebiet - besuchten 40.000 Gäste und Einheimische unsere Gottesdienste und sonstige Veranstaltungen. Dazu kommen noch

„...jeden Sonntag auf 14 der größten Campingplätze und gelegentlich in 35 der größten Hotels”

10.000 während der Wintersaison, welche immer stärker angekurbelt wird. 54 Prozent davon sind Männer, rund 30 Prozent Jugendliche zwischen 18 und 30 Jahren, bis zu 40 Prozent Evangelische, je nach dem, ob gerade die norddeutsche oder holländische Welle Urlaub macht.

Als Sohn eines Geschäftsmannes könnte ich sagen: „Wir könnten den doppelten Umsatz haben, hätten wir die richtige Mannschaft und mehr Geld. Denn jeder wird verstehen, daß es nicht Sachejedes Priesters ist, in Strandbädern, bei 27 bis 30 Grad, mit einem Meßkoffer wie der Handelsreisende von Miller kommend, dort Tür eine kunterbunt gemischte Menge im Freien ohne Kirche und ohne Glocken die heilige Messe zu zelebrieren. Durch Schad und Schand klug geworden, nehmen wir deshalb nur Priester, von denen wir persönlich wissen, daß sie „tourist-min-ded” sind.

Außerdem würde ein Priester allein im Sommer vollkommen untergehen. Sie kommen deshalb immer in Begleitung von musikalischen Gruppen, Quartetts, Blaskapellen und vor allem rhythmischen Bands. Die Gestaltung unserer Gottesdienste ist darum auch so, daß alle so viel als möglich aktiv durch Gebet, Singen und Fürbitten einbezogen werden. Jeder fühlt sich in unseren Gottesdiensten daheim und, um es einmal biblisch zu sagen, auch „Zöllner und Dirnen” kommen zu uns, und das freut uns aufrichtig.

Vor allem sind wir immer davon ausgegangen, daß die Kirche ein freies, spezifisches, qualitatives Angebot bringen muß. Wo heutzutage „der Gast König ist”, wo Psychologie, Soziologie und Marketing im Dienste der Gäste stehen, um das Beste vom Besten zu bieten, können wir Kirchen einfach nicht „weiterwursteln” und sagen: „Na, es wird schon gehen, Gott sorgt für die Vögel in der Luft und die Lilien auf dem Feld.” Auch wir als Kirche müssen „Qualität” bieten, das heißt konkret: Grußworte von Pfarren an die Gäste, Gottesdiensttafeln an den Ortseingängen sind schön, begrüßenswert, aber man muß diese „wahr und glaubwürdig machen”. Mundpropaganda bleibt nicht allein für Touristenseelsorge, sondern auch für unsere allgemeine Seelsorge die beste Propaganda. Denn der moderne Christ ist auch bei der Ausübung seiner Religionspflichten mobil geworden. Er geht dorthin, wo die Gottesdienste gut versorgt sind und die Priester in ihren Predigten für ihn eine wirkliche Aussage haben.

Auch wenn unser erstes und Hauptangebot die Feier der Eucharistie ist, erschöpft sich darin ganz und gar nicht unsere Tätigkeit. Wir organisieren unter anderem Europäische Abende,

Sternfahrten, Jugendveranstaltungen, Diskussionsabende und Kamingespräche und halten Vorträge auf Fremdenverkehrstagen für Hotellerie, Gastgewerbe, Reisebüroverband. Denn als eine unserer Hauptaufgaben sehen wir an, das gesamte christliche Kärntner Volk „tourist-minded” zu machen. Denn verantwortlich für den guten oder schlechten Ruf unseres Volkes, auch bei den Gästen, sind alle getauften Kärntner und Kärntnerinnen. Verantwortlich für die Touristenseelsorge in Kärnten sind alle Priester von Kärnten.

Darum haben wir vor sieben Jahren -wiederum als erste Diözese Österreichs - mit einem Praktikum für Theologiestudenten angefangen. Und zwar auf einem Campingplatz. Vier Wochen leben in einem Zelt vier, fünf (heuer sogar acht) Theologiestudenten, lernen so nicht allein den Lebensstil der Camper, sondern auch ihre zukünftige Arbeit als ' Seelsorger in einer Tourismusdiözese in der Praxis kennen. Dieses Praktikum wurde im Laufe der Jahre zu unserer größten und schönsten Hoffnung. Im nächsten Jahr hoffen wir ein ähnliches Praktikummodell in einem Hotel anzufangen.

So sind wir feste Mitarbeiter im Au-gustinerchorherrenstiftNeustift/Brixen und Mitglied des „Clubs von Neustift”. Neustift/Brixen ist unter der Leitung seines dynamischen Abtes Dr.Giner „das Rom der Touristenseelsorge” im deutschsprachigen Raum geworden. In diesem historischen größten Stift von Südtirol werden nicht allein Grundkurse über Touristenseelsorge, Besinnungstage für Fremdenverkehrstätige, Priester wie Laien, abgehalten, sondern hier treffen sich auch regelmäßig in einem jährlichen Symposium und auch privat, Topmanager der Touristik aus dem deutschsprachigen Raum. Darum auch haben wir nicht allein dienstlich, sondern auch menschlich gute persönliche Kontakte mit dem katholischen Auslandssekretariat der deutschen Bischofskonferenz in Bonn als oberste Instanz der Touristenseelsorge der deutschen Katholiken auf der ganzen Welt, mit der Kärntner Landesregierung, Handelskammer, Hotellerie, Kur- und Fremdenverkehrsdirektorenverein und dem Reisebüroverband.

Es ist uns gelungen, ein Image der Touristenseelsorge Kärntens aufzubauen - das Image einer jungen, dynamischen Seelsorge. Und es ist uns auch gelungen, daß der Gast und der Kärntner, der zu unseren Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen kommt, die Erinnnerung von einer Begegnung mit der Kirche mit nach Hause nimmt, welche ihm Hoffnung und Freude vermittelt.

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