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Das Köpferollen

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Grausames Österreich. Zu Tausenden müssen in den nächsten Monaten wieder die Köpfe rollen, die besten Köpfe unseres Landes, wertvolle, hochdotierte, auch hochgeschätzte, mitunter schöne und geliebte Köpfe.

Sie rollen über die Druckmaschinen, auf denen die Plakate und Prospekte für die im Frühling 1983 anstehende Wahl hergestellt werden. Papier-, Oberflächen-, Farben- und Druckqualität werden uns den technischen Fortschritt, den auch das heimische graphische Gewerbe gemacht hat, deutlich vor Augen führen. Im Spätwinterschnee, Frühlingsregen und Märzensturm wird so manches Plakatlächeln zumindest bis zum Wahltag zu bestehen haben. Ob solche Qualitätssteigerung auch an den Einfällen der Gestaltung abzulesen sein wird, bezweifelt der gelernte Parteienösterreicher.

Kopf kommt vor Idee. Wer während der vergangenen Wahlkämpfe das Burgenland bereist hat, wer sich in Salzburg umgesehen oder die politische Zwischensaison in Oberösterreich oder Tirol registriert hat, der weiß, was die Allgegenwart politischer Köpfe bedeutet. Kein Winkel kann so idyllisch, kein Denkmal so erhaben, keine Natur so köstlich sein, daß ihnen nicht noch etwas fehlt. Die Tafel nämlich—und darauf der Kopf.

Möglicherweise beruht der Erfolg der Ganoven-Visagen aus der jüngsten Austria-Tabakwerke-Werbung bloß auf der Kompensation jenes übersatten Macher-Lächelns der Politplakate. Mühsam und arbeitsaufwendig muß es für die Photographen sein, diese zu allem entschlossenen Mundwinkel, diese Jahrtausendblicke, diese skandalsensorischen Nasenflügel und diese budgetgestählten Stirnen zum optischen Imperativ des „Wählt mich!" zu vereinen. ÖVP und SPO treiben's zwar am buntesten, die FPÖ zwingt mehr Blau rein und die KPÖ mehr Rot, aber Kopf muß sein, Großkopf, Kopflast. Siehe, ich bin es. Wie einst der Fürst der Ahnengalerie. Im Zweifelsfalle wähle ich Rem-brandt. Um zu beweisen, daß ich nichts gegen Köpfe an sich habe.

Daß die Sehnsucht nach Alternativen auch mit der Kopf-Ubersättigung der Landschaft zu tun haben könnte, kann man den etablierten Parteien auf den Kopf zusagen. Die Grünen werden im Wahlkampf zu beweisen haben, wie man hohe Budgets durch mehr Humor und Kreativität wettmacht.

Und dann die Texte! Im deutschen Nachbarland haben neuerdings die Rechten von den linken Sprüchemachern tüchtig gelernt und dichten forsch „Mir stinken die Linken!"

Da sich heimische Parteiwerbestrategen gerne von „draußen" Anregungen holen, dürfen wir auf Import-Varianten gefaßt sein. Zum Beispiel: „Der Knast ist der beste Konferenzpalast!"- Oder: „Mock kommt aus dem Trockendock", oder „Volk begehrt — Bruno wehrt!" Letzteres mit Umlaut-A auch für die SPÖ verwendbar.

Vielleicht ließe sich auf diese Weise sogar manches Plakat verwenden, um dem so unpopulären „Tag der Lyrik" im Frühjahr ein wenig Aufwind zu geben. Es müßte jedoch streng darauf geachtet werden, daß hier keine mißbräuchliche Verwendung von Kultursubventionen stattfindet.

Die einzige Wette, die ich für den kommenden Wahlkampf wage, ist die, daß sämtliche Köpfe wieder für Freiheit, Frieden und Arbeitsplätze sein werden, für den Fortschritt nur in Verbindung mit sozial.

Und die einzige Hoffnung auf Humor ist, daß zwischen Anfang und Ende dieses Wahlkampfs ein Fasching liegt, in dem den Österreichern vielleicht auch noch etwas zum Thema einfällt.

Aphorismen

Wem Gott kein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand dazu.

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So lästig er ist, auch ein Schnupfen hat sein Gutes: man kann keinen mehr bekommen.

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Eine gute Zange, sagte der Sattler, der sich vergebens bemühte, einen Draht abzuzwicken, wirklich eine gute Zange. Sie hat noch niemandem weh getan.

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Anstand muß unter die Haut rutschen. Keiner sieht ihn, aber dem Besitzer verursacht er gelegentlich stechende Schmerzen.

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Manche meinen, weil Faulheit nach der Arbeit so süß schmeckt, müsse auch Müßiggang wohltun.

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Der Wohlerzogene muß sich erlauben, dort, wo es sich gehört, unhöflich zu sein. Ein taktloses Wort entfernt anstandslos den frisch erworbenen Bart.

ERIK G. WICKENBURG

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