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DAS KONZIL WIES DIE RICHTUNG

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„Der Priestermangel in und für Osterreich ist akut”, meinte einst Bischof Johann Weber (FURCHE 12 1991). Er nannte die Situation ein „Spiegelbild für den Glauben im Land.” Ich sehe im Spiegel etwas anderes!

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„Der Priestermangel in und für Osterreich ist akut”, meinte einst Bischof Johann Weber (FURCHE 12 1991). Er nannte die Situation ein „Spiegelbild für den Glauben im Land.” Ich sehe im Spiegel etwas anderes!

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Ist der Priestermangel nicht eher ein Spiegelbild für das Image des Berufes und was er gegenwärtig repräsentiert? Also so etwas wie ein Protest, Ausdruck für das Empfinden der Ohnmacht angesichts erstarrter Strukturen! Jugendliche orientieren sich mehr an Jesus als an der Kirche, weil sie da eine schreiende Diskrepanz entdeckt haben, den faulen Zahn eines Systems, dasoffensichflich trotz wohlklingender (Konzils-)Dokumen-te nicht reformwillig (oder -fähig?) ist. Es zieht sich deshalb mehr und mehr ins vorkonziliare Schneckenhaus zurück und erstickt jede ernsthafte Diskussion über brennende Fragen (zum Beispiel Priester heute) im Keim oder versucht, die Probleme mit Rezepten von gestern zu erledigen.

Die relativ große Zahl der Theologie-Studierenden, die aber bei dem gegenwärtigen regressiven Trend der Kirchenführung nicht Priester werden wollen (beziehungsweise können), spricht ja für sich.

„Man kann im Grunde für den Priesterberuf nicht werben”, sagte Bischof Weber. Man startete aber gleichwohl eine Millionen-Werbekampagne. Verlorenes Geld, verlorene Mühe!

Wann wird dieses runzelig, gichtig, taub und auch sonst recht häßlich gewordene Domröschen Kirche endlich wieder aus dem Schlaf erwachen, zu neuer Jugend (das Konzils-Erwachen war leider nur ein kurzer Augenaufschlag, und wie hübsch!)? Wann wird die „Magd des Herrn” die Krücken ausgedienter Traditionen und ausgeliehener Ideologien von sich werfen und in Jesu Geist die Zeichen der Zeit als Gottes Anruf einer neuen Zuwendung zu dieser Welt ergreifen, damit sie heil wird?

Statt dessen jammert sie Gott die Ohren voll von wegen Arbeiter im Weinberg, macht ihm aber gleichzeitig unmißverständlich und kompromißlos klar, daß sie nur zölibatäre Arbeiter akzeptieren kann, denn „Traditionen der Kirche haben einen verpflichtenden Grad” (so Weber), wohl auch für Gott. Das mag beharrliches Beten sein, aber demütig? Auch Gott gibt seine beharrliche Antwort, nur mag seine störrische Magd, die Kirche, sie partout nicht hören!

Zölibat: Kein Problem?

Die Zölibatsfrage stehe bei denen, die das Seminar verlassen (über die Hälfte!) „nicht an erster Stelle” (ich wage zu zweifeln!). Freilich, denn die, für die sie wichtig ist, gehen schon gar nicht hinein. Schäm dich, heiliger Petrus, du hattest auch ein Weib bei dir!

Wann wird „Mutter Kirche” (wer trägt da eigentlich der Mutter Titel?) erkennen, daß eine Berufung zum Priester nicht identisch sein muß mit einer Berufung zum zölibatären Leben?

Wann wird „Mutter Kirche” erkennen, daß mit Pflichtzölibat dem Ideal der Jungfräulichkeit als evangelischer Rat ein schlechter Dienst erwiesen wird, weil er die volle, freie, immer neue innere Zustimmung selbst bei den von Gott dazu Berufenen eher hindert und mindert, gleichzeitig aber unzählige Menschen in tiefe innere Not und ausweglose Konflikte stürzt, ganz im Widerspruch zur befreienden

Frohbotschaft Jesu. Welche Perversion eines evangelischen Rates!

Nie fehlt in diesem Zusammenhang der Hinweis auf das angeblich warnende Beispiel der evangelischen

Kirchen, wobei man mit den Fakten nicht allzu zimperlich umgeht. Denn Faktum ist, daß die evangelische Kirche sich einer wahren Pastoren-Schwemme erfreut; Faktum ist auch, daß Sexualdelikte und außereheliche Beziehungen unserer Priester nicht weniger häufig oder weniger skandalös sind als gescheiterte Pastoren-Ehen. Wir alle gehören zum menschlichen Geschlecht!

Und sind nicht unzählige Pfarreien ohne eucharistische Hilfe ebenso am Rand des Zerfalls?

Aber da tauchen ja am düsteren Horizont die „Zehntausende von Laien (welch häßliches Wort!) auf, die zunehmend Verantwortung in der Kirche übernehmen”: Ist das nicht simple Ablenkung, ein Alibi für den Status-Quo? Denn auch diese sogenannten Laien (laut Bibel sind auch sie Abrahams Kinder, königliches Geschlecht...) - um der Reinheit des Altares willen vorsorglich in zwei Klassen gestuft - ändern nichts an der Tatsache, daß um der Tradition der Kirche willen mehr und mehr Pfarrer sich in zwei oder mehr Pfarren zerreißen (welch ein Ansporn für Priester-Aspiranten !), während im Armenhaus der Kirche, in den sogenannten Missionsländern, schlicht ein Großteil der Gläubigen ohne Eucharistie, ohne' Sakramente katholische Identität wahren soll.

Wie? So werden Menschensatzungen zum Hindernis für ein katholisches Gemeindeleben! Was hat da Vorrang: „heilige” Tradition, oder Jesu „Mich erbarmt des Volkes”?

Was ist wahr: „Aggiornamento” oder real existierende Restauration, Rücknahme von Vatikanum II auf dem Verordnungs- und Ernennungsweg?

Die Attraktion des Priesterberufs hat nichts mit Werbung durch Glanz-Prospekte, aber viel mit Glaubwürdigkeit der Kirche zu tun. Das Zweite Vatikanische Konzil wies die Richtung.

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