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Das Lächeln soll bleiben

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„Betrachten Sie den Menschen und die Gesellschaft nicht nur mit einem unerbittlich diagnostizierenden Blick, sondern mit einem Blick der Hoffnung, mit dem Spürsinn für mögliche Veränderungen und Verbesserungen! Ermöglichen Sie es dem Guten, als wenigstens ebenso spannend erlebt zu werden wie das Unerfreuliche, und zeigen Sie auch im Bedauerlichen das damit verbundene Gute!“

Für jede der beiden Mahnungen erhielt Johannes Paul II. Demonstrativapplaus von Wissenschaftern, Künstlern, Journalisten.

Davon gebührend angetan, sei ohne Wenn und Aber angemerkt: Katholikentag und Papstbesuch waren, nehmt alles nur in allem,

ein großes positives Ereignis. Sie haben Hoffnung auf Änderung, Besserung der Kirche, der Katholiken eröffnet.

Es gab keine Kränkung und Lieblosigkeit, keinen falschen politischen Zungenschlag, dafür Schuldbekenntnisse statt Triumphalismus, Freudenglanz auf Gesichtern, die im Alltag Griesgram und Gleichgültigkeit verkarsten. Tausend kleine gute Werke wurden in diesen Tagen ungerühmt getan.

Dafür müssen wir alle dankbar sein. Daß Millionen dieses Fest unmittelbar erleben konnten, ist Fernsehen und Radio gutzuschreiben. Es wäre absurd, nicht auch dies dankend zu erwähnen.

Für einen solchen Vorteil ist natürlich auch ein Preis zu zahlen: der Preis unmittelbarer Natürlichkeit. Spontaneität leidet unter Inszenierung, Zwanglosigkeit unter Präzision. Aber das Ergebnis ist den Preis wert.

Manche Natürlichkeit hätte übrigens auch das Fernsehen wohl erlaubt: zum Beispiel mehr Volksgesang bei großen Messen — auch wenn acht Uraufführungen ein wichtiges Zeichen sind.

Aber auch das ist ein letztlich minimaler Einwand gegenüber der Größe der Leistung, die den Organisatoren des Katholikentags zu bescheinigen ist. „Eine so gut vorbereitete Kirche haben wir noch nie vorgefunden“, kommentierte ein Vatikanrepräsentant. Wir freuen uns mit ihm.

Der Papst war naturgemäß das zentrale Ereignis dieser Tage. Dem evangelischen Pfarrer und Theologen Johannes Dantine verdanken wir den Hinweis, daß „auch Protestanten sich nicht daran stören sollten, wenn ein einzelner Mensch und Priester so im Zentrum der Kirche steht — es gab und gibt immer solche einzelne Menschen, die überragende Bedeutung haben und zu Symbolen der Einheit wurden …“

Einheit gestiftet hat dieser

Papst in wenigen Tagen auf vielfältige Weise, wie auch Bundespräsident Kirchschläger zum Abschied konstatierte. Die Quelle seiner Wirkung ist vermutlich von jungen Menschen treffend beschrieben worden: „weil man ihm glaubt, was er sagt“, „weil er ist, wie er wirkt.“ So einfach ist das — und so unerreichbar für so viele andere Mächtige dieser Welt.

Neben den rein religiösen Aussagen des Papstes — schlicht, einfach, eindringlich: ein Beispiel für Prediger! — war auch bedeutend, was er politisch sagte: daß Österreich eine Funktion in der Welt hat und diese nicht zugunsten bequemer Einigelung verraten darf.

Man fühlte sich an Gabriel Marcel erinnert: Sünde, das ist „se plier sur soi-mėme“, ein Einrollen auf sich selbst. Jeder einzelne, jedes Volk, auch die Kirche ist für diese Sünde anfällig.

Ein bißchen weniger nach Katholikentag und Papstbesuch, so ist zu hoffen. Einrollen auf sich selbst wäre es auch, ließe man die naheliegende Frage unbeantwortet, wie des Papstes mehrfache Verneigung vor Ökumene und Bruderkirchen sich mit dem demonstrativen Hervorkehren seiner Marienfrömmigkeit verträgt.

Man muß offen aussprechen, daß die „Weihe Österreichs an Maria“ in Mariazell viele von denen überraschte, die in langen Debatten der Vorbereitungszeit über dieses Anliegen der Legio Mariae diskutiert und schließlich mehrheitlich eher davon abgeraten hatten — vor allem aus ökumenischen Gründen.

Zugeben muß man freilich auch, daß die vom Papst getroffene Wortwahl so feinfühlig und demütig war, daß sie ergriff und nicht vergiftete. Trotzdem wird, nicht nur um unserer nichtkatholischen Christen willen, über Marienfrömmigkeit und Petrusamt noch brüderlich zu reden sein.

Auch sind andere Gesprächsthemen nicht vom Tisch — Frau und Kirche zum Beispiel: Nur von allen guten Geistern Verlassene können es auf den schmalen Aspekt der Priesterinnenwei- he reduzieren!

Man darf, man wird weiterreden: ohne Herausforderung dessen, dem in diesen Tagen so viele Sympathien zugeflogen sind. Auf unterschiedliche Weise übrigens:

Man sah Gesichter, die sich mit einer Seligkeit über den Fischerring neigten, die jeden Spott über solche Devotion im Keim erstickte. Man sah Männer und Frauen, die ungebeugten Knies und geraden Auges dem Papst gegenübertraten, und nichts Herausforderndes war an ihrer Weise. Und man sah Ring- und Speichellecker.

Aber weil man „auch im Bedauerlichen das damit verbundene Gute zeigen“ soll: Auch sie lächelten beglückt. Dieses Lächeln wenigstens soll uns allen erhalten bleiben.

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