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Das Leben in einer neuen Ära bringt auch positive Ergebnisse

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Familiäre Beziehungen zu Osterreich hat Israels neuer Botschafter in Wien, Josef Govrin (63), nicht. Er hofft jedoch, daß er eine neue Epoche in den österreichisch-israelischen Beziehungen einbegleiten wird.

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Familiäre Beziehungen zu Osterreich hat Israels neuer Botschafter in Wien, Josef Govrin (63), nicht. Er hofft jedoch, daß er eine neue Epoche in den österreichisch-israelischen Beziehungen einbegleiten wird.

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DIEFlJRCHE: Welches Bild haben die Israelis heute von Österreich, auch was die gemeinsame Vergangenheit betrifft?

Botschafter Josef Govrin : Schauen Sie, es gibt bestimmte Kapitel in der Geschichte, die man nicht umschreiben und nicht mehr korrigieren kann. Aber in Österreich lebt heute eine neue Generation, und Österreich ist eine Demokratie par excellence. Wir versuchen heute mit Österreich Brücken auf der gemeinsamen Vergangenheit zu bauen, vor allem aber auf der Basis der Gegenwart.

Natürlich gibt es viele Israelis, die sich an die dunklen Zeiten Österreichs erinnern, an 1938 und 1939. Was wir als gemeinsame Anstrengung tun müssen, ist, nicht die Vergangenheit zu relativieren, sondern sie zu erklären und zu erhellen. So wird auch gewährleistet, daß sich so etwas nicht mehr wiederholt.

DIEFURCHE: Während der Amtszeit von Bundespräsident Kurt Wildheim sind viele harte Worte gefallen Halten Sie in diesem Fall eine gemeinsame Vergangenheitsbewältigung für notwendig?

GovRIN: Ich halte dieses Kapitel für abgeschlossen. Und ich glaube auch nicht, daß es in der Zukunft als ein wichtiges Kapitel in den Beziehungen zwischen Österreich und Israel aargestellt werden wird. Ich glaube, künftige Historiker werden einmal sagen, das war eine bestimmte Episode der Vergangenheit.

Ich möchte nochmals betonen, wir leben jetzt in einer neuen Ära. Es ist der gemeinsame Wunsch Israels und Österreichs, den Prozeß der Verständigung und der Freundschaft zu stärken. Und die Chancen stehen gut dafür. Außenminister Shimon Peres hat Österreich besucht, Kanzler Vranitzky besuchte Israel. Und wir erwarten noch weitere Besuche hochrangiger Persönlichkeiten. Es liegt an uns, die Möglichkeiten zu nützen. Ich persönlich glaube sehr an die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und Österreich.

diefurche: Das Verhältnis zwischen dem World Jewish Congress und Osterreich war schlecht und ist noch immer nicht normalisiert Sehen Sie hier eine Aufgabe? govrin: Ich sehe keine Hindernisse dafür, warum sich diese Beziehun-

Basis entwickeln sollten. Sehen Sie, wir leben in einer neuen Phase, es wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Es gibt nichts dafür zu tun. Diese Dinge laufen ohne Fernsteuerung ab.

diefurche: Es geht hier aber auch um das Image Österreichs in den USA.

govrin: Österreich hat einen neuen, bekannten Präsidenten. Und Österreich hat eine Regierung, die gute Beziehungen zu allen Ländern der Welt sucht. Und das Leben in dieser neuen Ära wird automatisch positive Ergebnisse bringen.

diefurche: Herr Waldheim ist immer noch auf der Watch-list und darf deshalb nicht in die USA einreisen Herr Demjan-juk hingegen darf einreisen Wie kann dieser Unterschied den Österreichern erklärt werden? govrin: Das ist eine sehr unfaire Frage. Erstens, ich bin kein Amerikaner, der entscheidet, wer in die USA einreisen kann und wer nicht. Ich habe damit nichts Die USA sind ein unabzu tun.

hängiger Staat und können selbst entscheiden, was sie für richtig halten.

Unfair ist diese Frage auch wegen des Prozesses. Demjanjuk wurde als Krimineller von den USA an Israel ausgeliefert. Es wurde ihm der Prozeß gemacht und die Richter sind

nachdem sie seinen Fall lange geprüft haben und er jahrelang im Gefängnis war.

diefurche: Für ein Land wie Österreich war und ist es nicht leicht, die Politik Israels zu kritisieren Es drohte der Vorwurf des Antisemitismus. Wie weit kann und darf Kritik geübt werden, oder wird das als Einmischung in die inneren Angelegenheiten

govrin: Das ist eine sehr heikle Frage. Es wäre ein sehr einseitiges Denken, daß jeder, der Israel kritisiert, automatisch ein Antisemit ist. Das stimmt nicht.

Was wir aber immer erwartet haben und auch noch immer erwarten, ist, daß die Staaten verstehen, in welcher Umgebung und unter welchen Bedingungen wir in Israel leben. Diese Situation wurde uns aufgezwungen.

Wenn unsere Nachbarn den Teilungsplan von 1947 akzeptiert hätten, dann hätte es keinen Unabhängigkeitskrieg gegeben. Wenn sie die Situation von 1948 bis 1967 akzeptiert hätten, wäre es zu keinem Sechs-Tage-Krieg gekommen.

Wenn die Palästinenser einen eigenen Staat gewollt hätten, hätten sie zwischen 1948 und 1967 die Möglichkeit dazu gehabt. Also, wir sind in einer Situation, in die wir ee-

Wir haben von den Staaten erwartet, daß sie vor einer offiziellen Anerkennung der PLO diese darauf verpflichten, daß sie den Terror aufgibt und Israels Existenzrecht anerkennt. Doch keiner dieser Staaten machte das zur Bedingung. Heute sind diese Fragen nicht mehr relevant. Die PLO hat Israel und dessen Existenzrecht anerkannt und Israel hat deshalb die PLO anerkannt. Heute ist die Gesprächsebene eine völlig andere geworden.

Natürlich haben bestimmte Rahmenbedingungen diesen Friedensprozeß erleichtert. Als erstes ist das Ende des Kalten Krieges zu nennen sowie die Zusammenarbeit zwischen Ost und West. Die Nationen der Region erhalten heute keine massiven politischen, wirtschaftlichen und militärischen Hilfen mehr, so wie früher aus dem Ostblock.

Noch einen anderen Aspekt möchte ich anmerken. Die europäischen Staaten haben nicht immer den Hintergrund des Konfliktes zwischen Israelis und Arabern verstanden. Das war ein Zusammenprall von Nationen und Zivilisationen. Je geringer der Einfluß des Kalten Krieges, der nun nicht mehr existiert, wurde, umso mehr offenbarte sich die eigentliche Natur des Konflikts.

Wir haben von den europäischen Staaten erwartet, daß sie verstehen, daß Israel der einzige Staat der Welt war, dessen Existenzrecht von seinen Nachbarn nicht anerkannt wurde. Es .gibt dafür kein weiteres Beispiel. Aber jetzt, mit einem besseren Verständnis und gegenseiter Anerkennung, glaube ich, können viele Hindernisse überwunden werden.

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