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Das Lernen endet nicht mit dem Schulabschluß

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KEBÖ. IKEB. BF1, VHS, WIFI - diese Liste ließe sich noch um einiges verlängern, doch nur Eingeweihte wissen, daß mit diesen rätselhaften Bezeichnungen Institutionen der Erwachsenenbildung in Österreich gemeint sind.

Für den Laien wirkt der gesamte Bereich verwirrend und undurchsichtig, da es keine „Zentralstelle“ für Erwach-

senenbildung gibt. „Es entsteht der Eindruck eines Orchesters, in dem jeder auf einem anderen Instrument spielt, zwar zur selben Melodie, doch ohne Dirigenten“, lautete einmal ein treffender Vergleich.

Und dennoch versuchen die einzelnen Institutionen an einem Strang zu ziehen, was bei den unterschiedlichen weltanschaulichen Grundsätzen der vielen Verbände sowie ihrer pluralistischen Organisation und Struktur nicht ganz einfach ist.

Toleranz gegenüber den anderen,

Diskutieren gemeinsamer Fragen und Suchen einheitlicher Lösungen - oft bleibt es bei Kompromissen wird im Rahmen der KEBÖ, der „Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs“ seit 1972 geübt.

Die zehn größten Institutionen der Erwachsenenbildung Österreichs sind zu dieser Plattform des Informationsaustausches zusammengeschlossen . Diskutiert werden vor allem Fragen der Bildungspolitik, pädagogische Probleme und die Finanzierung.

Erst kürzlich gelang es, einen weiteren Schritt in Richtung Gemeinsamkeit zu gehen. Nach vierjähriger Arbeit und einjähriger Diskussion des Entwurfes hat man sich zu einem gemeinsamen „Entwicklungsplan für ein kooperatives System der Erwachsenenbildung in Österreich“ durchgerungen, eine Ausgangsbasis für vernünftige Weiterarbeit. ‘

Lang umstritten war der Punkt, in dem die Ziele der Bildungspolitik formuliert werden sollten, einzelne Institutionen befürchteten den Verlust ihrer Eigenständigkeit im Erstellen von Bildungsprogrammen. -

Schließlich einigte man sich dahingehend, daß das Bildungsangebot folgende Bedürfnisse befriedigen sollte:

• Entfaltung der Persönlichkeit,

• Hilfe zur Lebensbewältigung,

• Befähigung zur Informationsverarbeitung, zum kritischen Denken und selbständigen Handeln,

• aber auch die Pflege musisch-kreativer Fähigkeiten und

• die Vorbereitung auf die sich ständig ändernden Anforderungen im Beruf.

Denn die mehr als 3,9 Millionen Menschen, die in Österreich der Altersgruppe zwischen 20 und 60 Jahren angehören, sind im Beruf und Privatleben zunehmend mit neuen Entwicklungen konfrontiert. Bildung endet schon lange nicht mehr mit dem Schulabgang allein, das Lernen nach Abschluß der Schule muß aufgewertet werden.

Anläßlich der Jahrestagung 1981 der KEBÖ in Strobl sprach Unterrichtsminister Fred Sinowatz die Hoffnung aus, noch heuer ein gemeinsames Erwachsenenbildungsprogramm fertigstellen zu können. Selbstverständlich solle die Erwachsenenbildung auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und getragen von der weltanschaulich breiten Palette der verschiedenen Verbände mobilisiert werden. Geplant sind gemeinsame Projekte und möglicherweise schon ab 1982 Modellversuche.

Allerdings erfordern neue Aktivitäten auch einen höheren Bedarf an finanziellen Mitteln. Vertreter einzelner Verbände sehen ein Prozent des gesamten Budgets des Unterrichtsminsteri- ums als Minimalforderung. Derzeit werden 50 Millionen Schilling aus dem Staatssäckel für die Erwachsenenbildung aufgewendet, eine schrittweise Erhöhung dieses Budgets kündigte Sinowatz in Strobl bereits an.

Eine Regelung der finanziellen Situation ist auch dringend nötig. Denn trotz einer Erhöhung der Förderungsmittel des Bundes im letzten Jahrzehnt, rechnen Vertreter der einzelnen Verbände vor, daß ihnen zur Zeit inflationsbedingt nur mehr 30 bis 40 Prozent der Mittel von 1969 zur Verfügung stehen. Der weitaus größere Beitrag muß daher von den Ländern, Gemeinden, Kammern und der Kirche geleistet werden, die Programme wären sonst nicht durchzuführen.

Zusammenbrechen würde das gesamte System auch ohne die Tätigkeit des Heeres der ehrenamtlichen Mitarbeiter, die einen großen Teil der rund 35.000 in der Erwachsenenbildung Tätigen ausmachen.

Sieht man sich die Bildungsprogramme der verschiedenen Organisationen an, findet man kaum eine Lücke im Angebot. Die sehr bunte Palette reicht von Sprachkursen - sogar Chinesisch und Isländisch werden geboten - über Veranstaltungen im musisch-kreativen Bereich wie Töpferkurse oder Kurse über japanische Malerei, berufsfördernde Kurse mit der Möglichkeit, im zweiten Bildüngsweg einen höheren Schulabschluß zu schaffen, bis zu Seminaren aus dem Bereich der politischen und sozialen Bildung.

Generell muß man unterscheiden zwischen Organisationen, die die berufsorientierte Erwachsenenbildung zum Ziel haben und denen, die allgemeine Bildungsprogramme anbieten.

Zwar, registrieren allein die in der KEBÖ vertretenen Verbände jährlich über eine Million Besucher, andererseits sind es aber höchstens 15 bis 20 Prozent aller erwachsenen Österreicher, die das reiche Bildungsangebot nützen. So gesehen fristet die Erwachsenenbildung’neben Schule und Universität ein stiefmütterliches Dasein.

„Es ist eine Frage der Motivation. Entscheidend ist sicher, ob jemand in der Schule nur negative Erfahrungen gemacht hat, denn dort wird der Grundstein für das spätere Bildungsbedürfnis gelegt“, meint dazu Min.-Rat Karl Dillinger vom Unterrichtsministerium.

Generell gilt: Je höher die Schulbildung bereits ist, desto größer ist auch der Wunsch, später sein Wissen zu erweitern. Sicher hängt auch schon davon die Definition des Begriffes „Bildung“ ab. (Weitere Berichte folgen)

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