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Das neue Erbrecht

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Das gesetzliche Erbrecht hat früher die Ansprüche unehelicher Kinder kaum berücksichtigt. Seit Jahresbeginn gelten neue Bestimmungen. Uneheliche sind ehelichen Kindern gleichgestellt.

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Das gesetzliche Erbrecht hat früher die Ansprüche unehelicher Kinder kaum berücksichtigt. Seit Jahresbeginn gelten neue Bestimmungen. Uneheliche sind ehelichen Kindern gleichgestellt.

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Der 1. Jänner 1991 war ein bedeutender Stichtag für Erblasser und künftige Erben in Österreich. Mit Jahresanfang ist das Erbrechtsänderungsgesetz 1989 in Kraft getreten. Der folgende Überblick über die drei wichtigsten erbrechtlichen Neuregelungen soll auch dem juristischen Laien Klarheit verschaffen:

1. Ehegatten-Erbrecht: gesetzli- • ches Vorausvermächtnis

Beim gesetzlichen Vorausvermächtnis - gilt nur für Ehegatten -handelt es sich um die Sicherung der Ehewohnung für den hinter-bliebenen Ehegatten. Bisher gab es das „große” und das „kleine Voraus”. Seit Anfang 1991 gibt es keine solche Unterscheidung mehr:

Dem hinterbliebenen Ehegatten gebührt „...das Recht, in der Ehewohnung weiterzuwohnen, und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind.”

Was bedeutet nun „weiterwohnen” und „Haushaltssachen” und „erforderlich”?

• Wohnrecht:

Dieses Recht ist im Erbrecht völlig neu eingeführt. Damit wurde eigentlich nur eine gesetzliche Lücke geschlossen. Denn sowohl das Mietrechtsgesetz (Eintrittsrecht) als auch das Wohnungseigentumsrecht (Sondervorschrift-Hälfteanteil) sehen eine Weiter-wohnmöglichkeit vor.

Diese Bestimmung ist zum Beispiel dann anzuwenden, wenn der Erblasser sein Haus dem Sohn vermacht hat und die Ehewohnung sich im Haus befindet. Die Witwe hat das Recht, dort weiterzuwohnen, da ihr der Erbe (Sohn) auch ermöglichen kann, in der Wohnung zu bleiben.

• Haushaltssachen-erforderlich: Grundsätzlich gehören zum

Haushalt Möbel, Teppiche oder Bilder als bewegliche Sachen. Im Fall von Wertgegenständen (Sammlerstücke) ist dies fraglich und wird wahrscheinlich im Einzelfall entschieden werden müssen.

Welche Sachen für die „bisherigen Lebensverhältnisse erforderlich” sind, wird in Grenzfällen auch individuell zu lösen sein.

2.Gleichstellung uneheliches Kind/eheliches Kind

Das neue Erbrecht hat das uneheliche Kind dem ehelichen Kind völlig gleichgestellt. Diese Bestimmung hat vor allem auf das gesetzliche Erbrecht (wenn zum Beispiel das Testament ungültig ist oder überhaupt keines vorhanden ist) und das Pflichtteilsrecht bedeutende Auswirkungen.

Das gesetzliche Erbrecht hat früher die Ansprüche des unehelichen Kindes in geringem Maß berücksichtigt: die Rechte der Witwe und der ehelichen Kinder blieben unangetastet, und nur die entfernten Verwandten waren betroffen.

Seit 1. Jänner 1991 sieht die Sache ganz anders aus. Nun müssen sich die Witwe und die ehelichen Kinder des Erblassers ihre gesetzliche Erbmasse mit dem unehelichen teilen.

Zwei Beispiele sollen die Tragweite der neuen Bestimmung verdeutlichen:

Beispiel 1:

Ein Erblasser hinterläßt seine Frau, zwei eheliche Kinder und ein uneheliches. Nach altem Recht würde die Witwe ein Drittel und die beiden Kinder die restlichen zwei Drittel bekommen. Der uneheliche Nachkomme geht leer aus. Nach neuem Recht bekommt die Frau nach wie vor ein Drittel, und die zwei Drittel werden unter allen drei Kindern gleich aufgeteilt. Beispiel 2:

Ein Erblasser hinterläßt seine Mutter, seine Frau und zwei uneheliche Kinder. Nach altem Recht würde die Witwe zwei Drittel, die beiden Kinder je ein Sechstel und die Mutter nichts bekommen. Nach neuem Recht erhält die Witwe nur mehr ein Drittel und die beiden unehelichen Kinder teilen sich die restlichen zwei Drittel.

Die Auswirkungen der neuen Regelung auf das Pflichtteilsrecht sind unter Umständen auch beträchtlich. Der Erblasser kann bestimmte Verwandte - auch wenn er diese in seinem Testament in keiner Weise berücksichtigt -nicht so einfach „enterben”. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen, Ehegatte und gegebenenfalls die Vorfahren (nur, wenn keine Nachkommen da sind). Der gesetzliche Pflichtteil kann übrigens nur in „schweren” (gesetzlich definierten)

Fällen entzogen werden.

Die Höhe des Pflichtteiles richtet sich nach dem gesetzlichen Erbteil: bei den Nachkommen und beim Ehegatten ist es die Hälfte, bei den Vorfahren ein Drittel der gesetzlichen Erbquote. Die uneheliche Verwandtschaft (väterlicher-und mütterlicherseits) wird nun auch der ehelichen Verwandtschaft zur Gänze gleichgestellt. Dies bedeutet, daß im gegebenen Fall sich nach neuem Recht erheblich mehr Personen den „Pflichtteilskuchen” teilen müssen.

3. Pflichtteilsminderung

Wie schon im zweiten Kapitel erwähnt, steht den Nachkommen, dem Ehegatten und gegebenenfalls den Vorfahren des Erblassers aufgrund des Gesetzes der sogenannte Pflichtteil zu. Die Pflichtteilsquote beträgt bei Nachkommen und Ehegatten die Hälfte, bei den Vorfahren ein Drittel je der gesetzlichen Erbquote.

Der Erblasser sollte darauf achten, daß dann seine Erben mit Ansprüchen pflichtteilsberechtigter Personen konfrontiert werden, wenn diese von ihm sonst keine Zuwendungen erhalten. Unter Umständen können solche Pflichtteilsansprüche Liquiditätsprobleme bringen, wenn im Nachlaß nicht ausreichend Geldmittel vorhanden sind.

Nach neuem Recht kann im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern durch eine letztwillige Anordnung (Testament!) der Pflichtteil auf die Hälfte reduziert werden.

Voraussetzung dafür ist der Umstand, daß „ein Elternteil und sein Kind zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis, wie es in der Familie zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich besteht”, stand.

Der Ausdruck „zu keiner Zeit” läßt darauf schließen, daß die reelle Chance für eine Minderung gering ist. Der Erblasser hat aber noch andere Möglichkeiten, wie er pflichtteilsberechtigten Personen seinen Nachlaß „verweigern” kann: durch die tatsächliche „Enterbung”, oder die betroffene Person ist „erbunwürdig”.

Diese drei wichtigen Neuerungen im Erbrecht beinhalten also nicht nur Vorteile (Gleichstellung uneheliches Kind...), sondern auch für bestimmte Personen (Witwe des Vaters eines unehelichen Kindes...) einige Nachteile. Auf jeden Fall ist es im Hinblick auf die erbrechtlichen Änderungen für den Erblasser ratsam, sein Testament mit einem rechtskundigen Fachmann zu bereden, damit die Nachlaßregelung wirklich in seinem Sinn geordnet ist.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der Ersten österreichischen Spar-Casse-Bank in Wien. Die Bank bietet zum Thema auch die Broschüre „Erster Erbschafts-Service” an (Tel. 0222/53100/1735).

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