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Das neue Gesetz trifft die Kirche in der Substanz
Ein neues „aktives” Denkmal- schutzgesetz wird derzeit im Unterausschuß des Nationalrates im Parlament beraten. Am 1. März fand das zweite Hearing der Experten statt. Dr. Walter Hagel (St. Pölten) vertrat als Beauftragter der Bischofskonferenz den Standpunkt der Kirche.
Das große Interesse der Kirche an dem neuen Gesetz ist nur zu verständlich, wenn man bedenkt, daß sie nicht nur Eigentümerin so großer und berühmter Bauwerke wie des Stephansdomes oder der Stifte Melk, Göttweig oder Klosterneuburg ist, die aus Österreich nicht wegzudenken sind. Bei der Bestandaufnahme aller Denkmäler des Landes ergibt es sich, daß sich mindestens 60 Prozent sämtlicher Baudenkmäler des Landes in kirchlichem Besitz befinden. Aus dieser Zahl läßt sich ersehen, daß die Kirche der am meisten betroffene Eigentümer ist.
Die Kirche steht der Änderung und strengeren Fassung des Gesetzes positiv gegenüber, betont Dr. Hagel. Sie hat seit je ihre Baudenkmäler gepflegt, ohne ihre Fürsorge stünde Österreich wesentlich ärmer da.
Zum erstenmal wird im Gesetzesentwurf von „aktivem Denkmalschutz” gesprochen. Von nun an wird der Besitzer verpflichtet, das Bauwerk nicht nur nicht zu zerstören, sondern in denkmalpflegerischer Hinsicht zu erhalten. Dabei gibt es erstmals auch empfindliche Strafen (Geldstrafen bis zu 360 Tagsätzen) für die Unterlassung von Erhaltungsmaßnahmen. Ein Denkmalschutzgesetz ohne diese Sanktionsmöglichkeiten wäre nutzlos. Daneben gibt es eine Wertersatzstrafe für die Wiederherstellung eines gleichwertigen Gegenstandes, bei Nichteinbringung einen Freiheitsentzug bis zu sechs Monaten.
Auf diese Weise kann nun ein Stift, ein Kloster oder auch eine Landpfarre angehalten werden, für die Erhal- tungs- und Reparaturkosten wenn nötig auch Grundstücke, Äcker oder Wald zu verkaufen. Hier gibt es keine Grenze der Zumutbarkeit. Dabei ist zu unterscheiden, ob ein Gebäude bloß für die Nutzung oder als Denkmal erhalten wird, ob ein Bauwerk nur getüncht wird oder ob eine barocke Fassade eingefarbelt und mit abgehobenen Fensterstöcken wiederhergestellt werden muß.
Es wäre billiger gekommen, hätte man bei der Restaurierung des Stephansdomes statt der glasierten gemusterten Dachziegel einfachen, aber ebenso wasserdichten Welletemit verwendet. Es wäre aber wohl kaum im Sinn einer Erhaltung der Kulturdenkmäler gewesen. Der Antrag, daß für die Erhaltung eines Bauwerks der Eigentümer zuständig sein, die aus dem Denkmalschutz erwachsenden Mehrkosten aber vom Staat übernommen werden sollten, stieß bei der Diskussion des Gesetzes auf glatte Ablehnung, berichtet Dr. Hagel.
Diese neuen gesetzlichen Verpflichtungen würden mit der Zeit wohl den Lebensnerv der Kirche treffen. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden ungeheure Mittel für die Wiederherstellung und Erhaltung kirchlicher Bauwerke aufgewendet. Allein in den letzten fünf Jahren wurden im Jahr durchschnittlich 377 ÄlilUonen Schilling hierfür aufgebracht. Dem steht der seit drei Jahren unveränderte Subventionssatz des Bundes für den gesamten Denkmalschutz von 38 Millionen Schilling gegenüber. Für die notwendigen Investitionen in den kommenden fünf Jahren werden von der Kirche aber nahezu 3 Milliarden Schilling benötigt. Allein für die Erhaltung und notwendige Renovierung der großen Stifte werden in Klosterneuburg und Melk je 50 Millionen Schilling, in Göttweig 26 Millionen Schilling, in Vorau 25 Millionen Schilling benötigt. Um sie in ihrer Pracht zu erhalten, wird Grund verkauft werden müssen, es wird von der Substanz genommen, vielleicht wird man auch vom Bund, vom Land, von einigen Vereinigungen und Banken einen Zuschuß erbetteln können.
In welche Notlage aber kann ein Pfarrer einer kleinen Landgemeinde geraten, der zufällig eine gotische oder barocke Kirche zu renovieren hat, oder der eine Filialkirche, die keine Funktion mehr hat, erhalten muß? Er steht allein, nur wo der Ensembleschutz wirksam wird, ist der Staat verpflichtet, beizuspringen. Rechtsträger ist in diesem Fall der Pfarrherr selbst, auch die Diözese ist nicht gezwungen, zu helfen.
Was geschieht mit einem aufgelassenen Kloster? Wer soll sich darum kümmern, wenn es keine Insassen mehr gibt? Dem Staat schenken? Er braucht die Schenkung nicht anzu nehmen. Was passiert aber, wenn die Regierung eines Tages mit dem Gesetz auf „scharf ‘ macht? Wie werden funktionslose Objekte finanziert? Versteigern? Wer nimmt sie? Die Hofburg hat als Kongreßzentrum einen neuen Verwendungszweck gefunden, für den Kaisertrakt in Klosterneuburg aber gibt es keine Verwendung. Er kann aus finanziellen Gründen nicht einmal den Touristen gezeigt werden.
Die Textverfasser der Gesetzesnovelle sagen in ihren Erläuterungen offen, daß die öffentliche Denkmalschutzförderung „nicht ausreicht”. Tatsächlich sind rund 40 Millionen Schilling vom Bund, ergänzt durch etwa ebensoviel aus den Kassen der Länder und Gemeinden, ein viel zu geringer Beitrag. Der Vorschlag, daß im Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes die Forderungssumme um 25 Prozent angehoben werden sollte, wird auch nur der Tropfen auf diesem so heißen Stein sein!
Dr. Hagel hat nun vorgeschlagen, jährlich eine Münzenausgabe der Förderung des Denkmalschutzes zu widmen. Der Gewinn daraus soll zweckgebunden sein. Als Münzmotive würden sich denkmalgeschützte Bauwerke eignen. Auch an die Errichtung eines Fonds könnte gedacht werden, dem Bund entstünde im Budget dadurch keinerlei Mehrbelastung. Auch dafür zeigte das Finanzministerium taube Ohren. Minister Hertha Fim- berg würde großen Wert auf ein einstimmig beschlossenes Gesetz legen. Doch Denkmalschutz ohne Geld ist eine Farce! Wege gäbe es; im Finanzministerium müßte man nur ein wenig mehr Verständnis für das österreichische Kulturgut haben, auch wenn es im Besitz der Kirche ist!
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