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Das neue Schisma

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Worum geht es eigentlich bei der Bewegung des traditionalistischen Erzbischof s Marcel Lef ebv-re? Zunächst schien es, als bilde lediglich die neue, durch das II. Vatikanische Konzil eingeführte Form der Liturgie und die damit verbundene Abkehr von der tri-dentinischen Messe den Stein des Anstoßes. Bald aber zeigte sich, daß der Konflikt viel tiefere Ursachen hat. Lefebvre und seine Anhänger sind mit dem vom Konzil gezeichneten Kirchenbild nicht einverstanden. Sie wünschen eine Kirche der klaren und harten Konturen, die sich deutlich von anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften abhebt, die sich als die „allein seligmachende“ versteht.

Jede Form von Ökumenismus ist demzufolge Verrat am genuin katholischen Erbgut. Insbesondere lehnt Lefebvre das Konzilsdekret über die Religionsfreiheit ab, und er meint, mit seinem Widerstand gegen konziliare und nach-konziliare Abweichungen und Aufweichungen die wahre katholische Kirche vor dem Untergang retten zu müssen.

Am 30. Juni hat Lefebvre gegen den Willen des Papstes vier Priester seiner Bewegung zu Bischöfen geweiht. Was bedeuten diese Bischofsweihen, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Kirche?

Die erlaubte Weihe von Bischöfen ist in der katholischen Kirche an eine päpstliche Ermächtigung gebunden. Ein Bischof, der ohne eine solche Ermächtigung eine Bischofsweihe vornimmt, verfällt ebenso wie die Geweihten automatisch der strengsten Form der Kirchenstrafe, nämlich der Exkommunikation, deren Lossprechung dem Heiligen Stuhl reserviert ist (can. 1382). Die Weihe selbst ist allerdings gültig.

Welche Folgen verknüpfen sich mit der Exkommunikation? Zunächst ist auf eine Eigenart des kirchlichen Straf rechts hinzuweisen, derzufolge im vorliegenden Fall die Strafe nicht erst durch Urteil oder Dekret verhängt, also ausgesprochen werden muß, sondern sie ist mit der Begehung der Straftat von selbst eingetreten (sogenannte poena latae senten-tiae). Aller Voraussicht nach wird in den nächsten Wochen eine päpstliche Erklärung erfolgen, daß sich Lefebvre und die vier von ihm geweihten Bischöfe diese Strafe zugezogen haben.

Exkommunikation bedeutet nicht, daß die Betroffenen nicht mehr Mitglieder der katholischen Kirche wären. Einen „Ausschluß“ in diesem Sinne kennt die Kirche nicht. Eine Exkommunikation zieht aber die stärkste Minderung der Rechtsstellung innerhalb der Kirche nach sich, das heißt, der Exkommunizierte ist insbesondere von der Teilnahme am euchari-stischen Mahl ausgeschlossen. Nach amtlicher Feststellung der Exkommunikation ist den Betroffenen auch die passive Teilnahme an jeder Form der Liturgie, ja sogar die bloße Anwesenheit untersagt (can. 1331 2,1).

Steht die Kirche damit am Beginn eines neuen Schismas? — Schisma (Spaltung) besagt, daß ein einzelner oder eine Personengruppe die Unterstellung unter den Papst beziehungsweise die Gemeinschaft mit den mit dem Papst verbundenen Mitgliedern der Kirche verweigert (can. 751). Lefebvre stand schon geraume Zeit hindurch in einem Gegensatz zum Papst und zu den übrigen katholischen Bischöfen, weil er einerseits eine Reihe von Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils ablehnte und andererseits eigenmächtig über 200 Priester weihte, wozu er einer Beauftragung durch einen Diözesanbischof oder Ordensoberen bedurft hätte.

Die nunmehrige unerlaubte Bischof sweihe begründet nicht erstmalig das Schisma, sie läßt allerdings einen bereits de facto bestehenden Zustand des Schismas in voller Deutlichkeit zutage treten. Ob dies auch zur Gründung einer neuen Kirche führen wird, dürfte weitgehend vom Verhalten Lefebvres und seiner Anhänger abhängen. Es wäre freilich nicht das erste Mal, daß der Versuch, die Kirche vor (wirklichen oder vermeintlichen) Fehlentwicklungen zu bewahren, trotz gegenteiliger Zielvorstellungen der Reformatoren zur Gründung eigener Kirchen geführt hat.

So wollte Martin Luther sicher keine neue Kirche, ebensowenig wie im 19. Jahrhundert Ignaz von Döllinger, der sogar seine Anhänger davor warnte, „Altar gegen Altar“ aufzurichten. Beide vermochten allerdings einer (beinahe automatisch?) entstehenden Sogwirkung nicht zu widerstehen und befanden sich schließlich außerhalb jener Kirche, die sie von innen her zu reformieren versuchten.

So ist auch im Fall Lefebvre zu befürchten, daß am Ende dieser Entwicklung wirklich eine Kirchenspaltung steht.

Das Ereignis vom 30. Juni weist allerdings nicht nur negative Aspekte auf. Positiv ist zum eine zu vermerken, daß der Papst — trotz bisweilen geäußerter gegenteiliger Befürchtungen — eindeutig an der Linie des II. Vatikanischen Konzils festhält. Zum anderen wird die nunmehr offen zutage tretende Rebellion Lefebvres wahrscheinlich auch einen Reini-gungs- und Klärungsprozeß innerhalb seiner Anhänger im Gefolge haben. Viele von ihnen meinten wohl bisher, die Linie Lefebvres könne noch mit voller Katholizität in Einklang gebracht werden. Diese Illusion ist jetzt zerstört.

Der Autor ist Professor für Kirchenrecht und derzeitiger Dekan der Theologischen Fakultät an der Universität Wien.

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