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Das österreichische Bildungssystem im Wandel

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Anläßlich der Prüfung des österreichischen Postsekundarberei-ches durch die OECD 1975 war von den Prüfern die .Frage aufgeworfen worden, wie Österreich der Expansion des Postsekundarbe-reiches und der wachsenden Verschiedenheit der Bedürfnisse der Studenten Rechnung tragen würde. In diesem Zusammenhang ist von der OECD die Erweiterung des nichtuniversitären Postsekun-darbereiches (NUS), der quantitativ nicht bedeutsam war und ist, zur Debatte gestellt worden.

Seitens Österreichs wurde damals die Ansicht vertreten, das Studienrecht der Universitäten ermögliche trotz seiner strukturellen Uni-formität unterschiedliche Studienangebote. Als Argument gegen eine Diversifikation des Postse-kundarbereiches wurde eingewandt, daß das höhere berufsbildende Schulwesen in Österreich jene Funktionen wahrnehmen, die in den anderen OECD-Staaten der NUS erfülle.

Diese Einwände hatten bereits 1970 einen Reformvorschlag eines Beamten des BMUK zur Einrichtung eines NUS zu Fall gebracht. Erst zwanzig Jahre später, Ende der 80er Jahre, wurde die Einführung von Alternativen zum Universitätsstudium in Österreich erneut diskutiert, und schließlich Ende 1990 - unter dem Eindruck der Annäherung an die EG - im Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien die Schaffung eines NUS vorgesehen.

Im Sommer 1991 richtete Österreich an die OECD das Ersuchen, eine Prüfung seines Bildungssystems durchzuführen. Ziel der Prüfung sollte die Beratung der österreichischen Entscheidungsträger bei der Einrichtung dieses nichtuniversitären postsekundären Sektors sein. Bedeutsame Fragen fürÖsterreich sind: Dimension, Fachbereiche und Standorte der neuen Einrichtungen.

Ausgehend von dem im vergangenen Jahr publizierten Endbericht zum OECD-Bericht "Alternatives to Universities in Higher Education" wurden von Beamten des BMWF und BMUK verschiedene Konzepte für den Aufbau eines NUS erstellt und schließlich ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet und zur Begutachtung ausgesendet.

Er stellt eine Abkehr vom bisherigen Regelungsmechanismus des österreichischen Bildungswesens dar, indem er auf detaillierte rechtliche Vorschriften betreffend Studienprogramme und Organisation verzichtet. Neben einer Qualitätskontrolle der Studienpläne durch ein akademisch professionelles Gremium gewinnt die ex-post-Kon-trolle Bedeutung. Auf die Rolle des Bundes als alleiniger Anbieter im NUS wird verzichtet. Statt dessen ist vorgesehen, Finanzentscheidungen gezielter zur politischen Steuerung einzusetzen. Voraussichtlich wird der Bund über den Ankauf neuer Studienplätze die quantitative Dimension und die Auswahl der Fachbereiche steuern.

Seit einiger Zeit wird das traditionelle Schul- und Universitätssystem mit seiner gesetzlichen Detailregelung, seiner Einheitlichkeit und seinen zentralistischen Entscheidungen mit der Kritik konfrontiert, daß es auf sozio-ökono-mische Veränderungen zu langsam reagiere. Auch im Schul- und Universitätsbereich werden daher Überlegungen zu einer Stärkung von institutioneller Autonomie, zu Deregulierung und zu einer stärkeren Differenzierung der einzelnen Bildungseinrichtungen angestellt.

Die neuen organisatorischen Überlegungen sind jedoch keineswegs unumstritten, und daher stößt auch der Entwurf für ein Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge auf Kritik. Diese Kritik entzündet sich vorwiegend an folgenden Punkten:

• Am lockeren Regelungsrahmen dieses Gesetzes: Die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf die Ebene der Institution stellt eine Abkehr vom Prinzip der Einheitlichkeit dar. Daran wird kritisiert, daß nun die politische Kontrolle dieses Bildungsprofils durch den Gesetzgeber verlorengeht, weiters, daß Rechtssicherheit und Übersichtlichkeit für die Bildungsnachfrager vermindert werden.

• An der Zulassung anderer Anbieter als dem Bund: Dies wird als Privatisierung öffentlicher Aufgaben und Untergrabung von Chancengleichheit angesehen.

• Am Modus der öffentlichen Finanzierung: Das Fachhochschulgesetz ist ein Ermächtigungsgesetz, das dem Bund keine finanziellen Verpflichtungen auferlegt. Die Höhe der öffentlichen Ausgaben für Fachhochschulen wird durch den Fachhochschul-Ent-wicklungsplan festgelegt. Das wird als Flucht des Bundes aus seiner budgetären Verantwortlichkeit angesehen.

• Last, but not least wird dem Aufbau eines NUS von vielen Seiten weiterhin jene Skepsis entgegengebracht, die 20 Jahre hindurch eine Diskussion um eine Diversifikation des Postsekundar-bereichs verhindert hat: Man hält das neue Bildungsangebot auf postsekundärer Ebene nicht für notwendig. Viele BHS-Vertreter glauben nach wie vor an eine inhaltliche Gleichwertigkeit des österreichischen BHS-Abschlus-ses mit den Abschlüssen des NUS anderer Länder. Der neue Sektor würde sich somit erübrigen. An den Universitäten dominiert eine hierarchische Betrachtungsweise. Indem die Fachhochschulen als weniger anspruchsvoll etikettiert werden, versucht man die Herausforderung und den Wettbewerbsdruck abzublok-ken, den die Differenzierung des Postsekundarbereichsfürdie Universitäten mit sich bringt.

Eine umfassende-Zusammen-stellung der verschiedenen Perspektiven für die Errichtung von Fachhochschulen in Österreich bietet der nun vom Wissenschaftsministerium publizierte Bericht an die OECD über geplante Diversifikationen des Postsekundarsektors, der unter dem Titel "Das österreichische Bildungssystem in Veränderung" als Band 2 der Reihe "Materialien zur Bildungspolitik" erschienen ist.

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