6845122-1976_16_01.jpg
Digital In Arbeit

Das Osterwunder

Werbung
Werbung
Werbung

In. seinem Rückblick „Vom Gestern ins Heute“ erinnerte sich Friedrich Funder einer dramatischen, durch die Inflation des Jahres 1922 ausgelösten und schon lange befürchteten Finanzkrise, welche von der „Reichspost“ — dem Origan der damals angemessenen Form des politisch relevanten Katholizismus in östrreieh — durch einen völlig überraschend eingelangten Betrag von tausend Dollar des Erzbisohofs Mündelein von Chicago überwunden werden konnte.

Mit dieser Hilfe, die Funder die Schriffcworte in den Sinn brachte: „Sehet die Lilien auf dem Felde...“, hat das „Osterwunder“ (Die „Wochenpresse“: „Wenn nicht noch ein Osterwunder geschieht...) nichts gemeinsam außer, daß das ' betroffene Blatt damit eine Krise überstehen konnte.

Was die Fortführung der FURCHE als österreichische Wochenzeitung in der Tradition (einschließlich der Ge-genwartsbezogenheit und Zukunftsgläubigkeit!) Friedrich Funders möglich machte, war diesmal nicht eine überraschende Hilfe aus einer anderen Welt. Das „Wunder“ lag darin, daß sich alle endlich zusammengefunden haben, die die publizistische Bedeutung der FURCHE für die „Mitbestimmung des geistigen Profils Österreichs“ (so der evangelische Bischof Sakrausky) erkannt haben und die nur gemeinsam in der Lage sind, ein solches Organ zu tragen. Nicht nur Repräsentanten des katholischen und christlich-öku-menisohen Österreichs, sondern auch jener, die wissen, daß heute ein menschenwürdiges Leben nur in einer Gesellschaftsführung möglich ist, die die dazu notwendigen Bewegungsräume freiläßt und die bewußt in dieser Richtung gestaltet wird: von den österreichischen Erz-bischöfen und Bischöfen über die Stifte verschiedenster Ordensgemeinschaften (deren Bedeutung für das österreichische Kulturleben sich wieder einmal bestätigt hat) und die Unternehmungen unterschiedlicher Kategorien einschließlich österreichischer Verlage bis zu einer wachsenden Gruppe, die als Kommanditi-sten weit gestreut, wichtige Elemente

der geistigen und der materiellen Fundamentierung sein werden.

Was sich im Zusammenhang mit dem drohenden Ende der bisher in einem dreißigjährigen Lebenslauf entwickelten FURCHE zu Worte gemeldet hat, war auch eine veritable Solidaritätsaktion der österreichischen Publizistik in ihrer ganzen Breite: von der Befriedigung, daß damit eine der „Stimmen, die aus der Monotonie des Massenkonsums herauszuhören sind“ und „ohne die die politische und gesellschaftspolitische Auseinandersetzung zu versumpfen drohte“, (Manfred Scheuch in der „Arbeiter-Zeitung“) über die Bezeichnung der FURCHE als ein Blatt, das — nach der Intention Funders — „in den Tumult dieser von Vorurteilen, Eigensüchtigen, Par-teiungen zerfleischten Menschheit die christliche Gerechtigkeit mit dem Respekt vor der redlichen Überzeugung der anderen tragen soll“ und dessen Motivation von damals heute gültiger denn je“ ist (Eberhard Strohal in der „Wochenpresse“) bis zur Feststellung, daß es einer „Bankrotterklärung des Katholizismus“ in Österreich gleichgekommen wäre, „wenn er sich keine kritische intellektuelle Zeitung mehr leisten könnte“ („Salzburger Nachrichten') und der Notwendigkeit des „Willens des Episkopates, der Organisationen wie des Kirchen Volkes, den öffentliöhkeitsanspruch zu wahren und also ,Katholizismus' zu sein“ — wider den „geschwächten Willen, die Gesellschaft zu durchdringen“ (Pia Maria Plechl in der „Presse“).

Diesen österlichen Leitartikel hat damit die gesamte österreichische Presse geschrieben. Kaum eine Tages- oder Wochenzeitung, die die Weiterführung der FURCHE als österreichische Wochenzeitung nicht mit positiver bis ambitionierter Aufmerksamkeit registrerte!

Die FURCHE dankt allen für diese spontane Sympathiekundgebung, vor allem jenen, mit denen sie mit größter Sicherheit noch manche publizistische Klinge zu kreuzen haben wird, wenn die Zeichen nicht trügen, die einen schärferen Wind in der gesellschafts- und kulturpolitischen Auseinandersetzung ankündigen. Was sich in der FURCHE gefunden hat (und in Zukunft noch mehr mobilisiert werden soll), ist die gesellschaftspolitische Potenz jener im weitesten Wortsinn verstandenen österreichischen christlich-humanitären Intelligenz als einen Bereich des Mittelstandes, einer neuen soziologischen Kategorie, in welcher das da und dort immer noch dominierende, aber längst anachronistische Zweiklassendenken längst sichtbar obsolet geworden ist.

Was sich mit der FURCHE zu Wort meldete und von ihr angesprochen werden soll, ist jene oft noch allzu schweigsame Mehrheit unter jenen, die — wenn sie sich nicht überrollen lassen wollen — die Anpassung ^unserer Gesellschaftsordnung an die Bedürfnisse der Menschen von heute selbst sehr maßgeblich beeinflussen, aber auch sozialistisch-kollektivistische Ordnungsversuche sehr wirksam abwehren müssen, in die man heute so rasch hineinschlittert, schwer aber wieder herausfindet, wenn das selbständige Denken einmal resigniert hat. Das läßt erwarten, daß damit die FURCHE nicht „wieder einmal gerettet“ wurde, sondern vielmehr in der österreichischen Publizistik ein neuer Faktor wirksam geworden ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung