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Das Phänomen Mystik

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Im 60. Jahr ihres Bestehens ist es den Salzburger Hochschulwochen gelungen, mehr Teilnehmer denn je anzuziehen. „Der Christ der Zukunft - ein Mystiker" war das Generalthema der Vorlesungen und Seminare vom 22. Juli bis 3. August, die das Phänomen Mystik von verschiedenen Seiten beleuchteten.

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Im 60. Jahr ihres Bestehens ist es den Salzburger Hochschulwochen gelungen, mehr Teilnehmer denn je anzuziehen. „Der Christ der Zukunft - ein Mystiker" war das Generalthema der Vorlesungen und Seminare vom 22. Juli bis 3. August, die das Phänomen Mystik von verschiedenen Seiten beleuchteten.

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Begriffe von Mystik gibt es so viele wie Menschen, die darüber sprechen; so weigerte sich Josef Sudbrack in seinem Eröffnungsreferat, eine Definition zu geben, sondern beschrieb verschiedene Mystiktraditionen. Christliche Mystik ist für ihn wesentlich Mystik der Begegnung, der Mensch Gottes Ursymbol; so ist gerade die persönliche Prägung und Verschiedenheit der Erfahrung für die Mystik des Christentums typisch.

New-Age-Bewegung und Esoterik-Boom waren ein Hintergrund des diesjährigen Themas; umso bedauerlicher, daß eine eingehende Darstellung dieser Gruppen fehlte. Je eine Veranstaltung war dem Chassidismus und dem Za-Zen gewidmet, während etwa die Sufi-Mystik nur in wenigen Nebensätzen abgehandelt wurde.

Große Bedeutung kam der Vorlesung des Fundamentaltheologen und Religionsphilosophen Hans Waidenfels zum Thema „Mystik - Mitte aller Religionen?" zu. Waidenfels wies daraufhin, daß das II. Vatikanum den Buddhismus ganz selbstverständlich unter die Religionen eingereiht und damit zur Kenntnis genommen hat, „daß es ein Gottesverhältnis des Menschen gibt, das zunächst nichts anderes ist als eine radikal gelebte Offenheit beziehungsweise ein offenes Transzendenzverhalten". Er plädierte für gelassene Offenheit, auch in anderen Religionen und religiösen Erfahrungen eine Nähe zum eigenen Weg zu sehen.

Neuere Denkansätze, Mystik ohne metaphysische Gottesvorstellung zu beerben, waren kein Thema, zumal die einzige philosophische Vorlesung - der Unterscheidung von Wissenschaft und Weisheit gewidmet - sich zu sehr in Details verlor, die Philosophiegeschichte recht selektiv zur Kenntnis nahm und sich allzu leicht tat beim Übergang von philosophischer zu theologischer Argumentation.

Ein Höhepunkt war zweifellos die Analyse des Religionspsychologen und -pädagogen Bernhard Grom, die „Mystik in der Vielfalt gesunden und gestörten Erlebens" zum Gegenstand hatte. In seiner Deutung mystischer Erlebnisse ging Grom davon aus, daß es keine „reinen", von Deutung unabhängigen Erfahrungen gibt. Das Pathologische lasse sich nur bedingt an den Vorstellungsinhalten ablesen, viel eher am Kontext, in dem sie entstehen, und am „Gebrauch", den man von ihnen macht. Freilich sage die psychische Gesundheit oder Krankheit eines Menschen nichts über den Wahrheitsgehalt oder die „Echtheit" religiöser Erfahrungen und Auffassungen aus.

Viel Resonanz fand der Kar-melit Reinhard Kömer mit seiner Festrede über Johannes vom Kreuz - sein 400. Todestag hat das Thema mitbestimmt., JDer gewöhnliche Weg zur Vollendung in Gott und zur letzten Zukunft der Menschheitsfamilie ist das Menschsein, nicht das Christsein", stellte Kömer fest; die Kirche könne daher „Licht der Welt" in der Zukunft nur sein, „wenn sie den Blick für die mystische Innenseite allen Lebens bekommt". Johannes vom Kreuz und Bernhard von Clairvaux war auch ein Lektüre-Seminar gewidmet, Hildegard von Bingen stand exemplarisch für die Frauenmystik.

Der Salzburger Neutestamentier Wolfgang Beilner förderte bei Paulus, Johannes und den synoptischen Evangelien zahlreiche Elemente „kleiner" Mystik zutage, die nicht zur Gottunmittelbarkeit, aber auf den Weg der Gottnähe in Jesus führt.

„Liebe und Licht" waren die Leitbegriffe, unter denen der Mozart-Experte Gemot Gruber (im Anschluß an H. U. v. Balthasar und Emst Bloch) die „Zauberflöte" interpretierte. Eine Vorlesung über Literatur bewegte sich eher auf ausgetretenen Pfaden. Alles in allem darf man den Salzburger Hochschul wochen für das Thema des nächsten Jahres, „Evangelium und Inkulturation", ebensoviel Interesse und Resonanz wie diesmals wünschen. Obmann P. Paulus Gordan hat in seiner Vorlesung über „Mystik und Weltverantwortung" ebenso wie Gotthard Fuchs bereits eine Brücke zur Kirche Lateinamerikas geschlagen, die 1992 im Zentrum nicht nur der Salzburger Hochschulwochen stehen wird.

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