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Das Problem heißt Inflation

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„Wir dürfen uns bei der Frage der Neuordnung des Währungssystems nicht darauf verlassen, daß die Zeit für uns arbeitet. Im Gegenteil: Je länger der derzeitige Schwebezustand andauert, desto mehr Gefahrenstoff für den Welthandel und die allgemeine Kooperationsbereitschaft wird sich ansammeln. Wir alle wissen, welcher Anstrengungen es bedurfte, einmal eingeführte protektionistische oder restriktive Maßnahmen wieder abzubauen.“

Diese mahnenden Worte, die der Präsident der österreichischen Nationalbank, Dr. Wolfgang Schmitz, kürzlich bei der Jahrestagung 1971 des Internationalen Währungsfonds in Washington aussprach, machten deutlich, worauf es wirklich ankam: nicht Prinzipien zu verfechten, sondern eine brauchbare Lösung für die Währungsmisere zu finden; gerade die aber wurde, wie leider zu erwarten war, auf der Tagung nicht gefunden.

Das Betrübliche aber war, daß an den wichtigen Fragen von den Vertretern der führenden Länder vorbeigeredet wurde, und sie eine Frage hochspielten, die eigentlich nebensächlich ist: die Dollarabwertung; denn wie immer man zu ihr stehen mag, der Kern des Problems ist sie wahrlich nicht.

Aber Frankreich hatte sich zuerst bei EWG-Besprechungen in Brüssel und dann bei der Vorkonferenz des Zehnerklubs in London Mitte September gerade in diesem Punkte stark gemacht, bei einigen anderen Ländern auch Unterstützung gefunden, und schließlich sowohl EWG wie Zehnerklubmitglieder auf der Linie der Dollarabwertung vergattert. Der amerikanische Finanzminister Conally lehnte jedoch bei der Jahrestagung in Washington diese Forderung brüsk ab, und so waren die Fronten festgefahren.

Der eigentliche Grund für die Forderung nach der Dollarabwertung, die in Wirklichkeit eine Goldpreiserhöhung ist, blieb unausgesprochen: sämtliche Mitglieder des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben ihre Währungsreserven satzungsgemäß in Gold oder Dollar angelegt; eine Aufwertung der eigenen Währung gegenüber dem Dollar bedeutet daher eine Wertverminderung der Notenbankreserven und somit eine schlechtere Deckung der eigenen Währung. Wertete nun der Dollar gegenüber dem Gold ab, so würden bei einer gleichzeitigen Aufwertung der Landeswährung gegenüber dem Dollar nur die Dollarreserven, nicht aber die Goldbestände der Notenbank an Wert verlieren.

Staaten, die, wie etwa Frankreich, einen großen Teil ihrer Reserven in Gold angelegt haben, würden daher an einer Goldpreiserhöhung verdienen, wogegen solche Länder, die, wie Deutschland, aus Rücksicht auf Washington auch schon vor dem 16. August ihre Dollarbestände nicht gegen Gold Umtauschen ließen, das Nachsehen hätten. Diese sehr handfesten geschäftlichen Gründe sind es, die sich hinter tiefschürfenden Überlegungen zur Dollarabwertung verbergen; aber die Europäer haben sich nun einmal der gemeinsamen Linie willen auf diese Forderung festgelegt, es kann kein Land aus der Reihe tanzen, und die Fronten versteifen sich somit gerade auf diesem Nebenkriegsschauplatz.

Viel wichtiger wäre die Aufhebung der amerikanischen Einfuhrabgabe, die mit Recht auch auf der Wunschliste des Weltbankpräsidenten Schweitzer aufscheint. Hier aber stellten die USA Bedingungen, die im Rahmen einer bloßen Währungskonferenz gar nicht gelöst werden können: Beseitigung der Ein- fuhrhemmnisse auch in anderen In- düstrieländem, vor allem in Japan, Neuverteilung der Entwicklungshilfe und der Verteidigungslasten. Wenn auch in einem oder dem anderen Punkt, insbesondere was die Einfuhrhemmnisse betrifft, der amerikanische Standpunkt zum mindesten teilweise berechtigt ist, stellen die Forderungen insgesamt eine komplexe und komplizierte Materie dar, mit der die Währungsfrage entschieden überfrachtet ist.

Vor allem erschwert der von den

Vereinigten Staaten ausgeübte Druck die Verhandlungen. Wenn es auch richtig ist, daß die Weigerung der meisten Europäer und der Japaner, von sich aus die Währungsfrage anzugehen, die amerikanischen Kampfmaßnahmen erst provoziert haben, so ist es einer echten Lösung des Problems nicht dienlich, daß nun die Amerikaner die Einfuhrabgabe dazu verwenden möchten, ihren Standpunkt rücksichtslos durchzusetzen.

Mit Recht sagte Präsident Schmitz, dem die Rolle des Mahners und Moderators zugefallen war:

„Die von den USA eingeführte Importabgabe ist nicht nur kein Ersatz für eine Abwertung des Dollars, sie ist auch kein Mittel, eine Neuordnung der Wechselkursrelationen zu erzwingen. Im Gegenteil, sie ist sogar ein Hindernis für eine vernünftige allgemeine Anpassung der Wechselkurse.“

Jedenfalls ging die Tagung zu Ende, ohne daß die Vorschläge des Währungsfonds zur Neuordnung des internationalen Geldsystems angenommen worden wären, nämlich: Neufestsetzung sämtlicher Wechselkurse auf Grund ihrer tatsächlichen derzeitigen Kaufkraftparitäten, Abwertung des Dollars, Abschaffung der amerikanischen Einfuhrabgabe, Vergrößerung der Bandbreiten, innerhalb deren die an sich fixierten Wechselkurse schwanken dürfen, von einem auf drei Prozent in beiden Richtungen. — Somit bleibt uns der jetzige Zustand, allseits als Provisorium empfunden, erhalten.

Sind Zwischenlösungen möglich? Schillers Vorschlag, neue feste Wechselkurse zwischen den europäischen Währungen und womöglich auch gegenüber dem japanischen Yen festzulegen, alle zusammen jedoch gegenüber dem Dollar „floaten“ zu lassen, gewinnt an Boden. Das Funktionieren dieses Systems wird freilich weitgehend davon abhängen, wie weit die Europäer und Japaner künftig Währungsdisziplin im eigenen Land halten. Denn das bisherige Währungssystem ist nicht deshalb zusammengebrochen, weil es an sich schlecht war, sondern weil es infolge der immer stärkeren Inflation in den Teilnehmerländern nicht mehr funktionieren konnte; sein eigentlicher Fehler bestand darin, daß es nicht inflationsbremsend zu wirken vermochte, sondern eher noch die Inflation förderte.

Inflation als Hauptproblem

Auch Präsident Schmitz nannte auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds die Inflation das Hauptproblem der Wirtschaftspolitik; gerade ihre Auswirkungen auf das internationale Währungssystem hätten das wieder drastisch gezeigt.

Nur wenn wir mit dem Problem der Inflation fertig werden, wird eine echte Gesundung der internationalen Währungsbeziehungen möglich sein. Eine künftige Weltwährungsordnung könnte aber ihrerseits einen gewichtigen Beitrag zur Geldwertstabilität liefern, wenn sie, im Gegensatz zum bisherigen System, inflationshemmend konzipiert wäre; aber auch die inflationsfreundliche bisherige Regelung ist nicht selbst Ursache der Inflation, denn diese ist ausschließlich bei den einzelnen Staaten selbst zu suchen. Präsident Schmitz sagte dazu:

„Die technischen Vorkehrungen werden zwar den Kampf gegen die Inflation nicht lösen. Die Funktionsweise der internationalen Währungsordnung ist jedoch für die Chancen einer erfolgreichen Inflationsbekämpfung mitentscheidend.

Eine Beseitigung des US-Zahlungs- bilanzdefizits, die man sich von der Reform des Währungssystems verspricht, würde eine Quelle der importierten Inflation zum Versiegen bringen …Als Folge der Maßnahmen in den USA entstand in Europa eine Ländergruppe, die EWG- und EFTA-Staaten umfaßt, und in der versucht wird, unter den europäischen Währungen wieder relativ stabile Wechselkursverhältnisse herbeizuführen. Wenn dies zu einer neuen Solidarität unter den europäischen Staaten führt und diese Gruppe von Ländern, die durch besonders intensive Wirtschaftsbeziehungen verbunden sind, sich wieder mehr als bisher auch eine Stabilisierung des Binnenwertes ihrer Währungen zum Ziel setzen, dann wäre dies ein weiterer Fortschritt bei den Bemühungen, der weltweiten Inflation wirksam zu begegnen.“

Die Weltwährungsordnung — und das darf über die zahllosen gescheiten Vorschläge für neue subtile Systeme nicht vergessen werden — ist aber kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck; sie schwebt nicht im luftleeren Raum, sondern hat einzig und allein die Aufgabe, dem Menschen zu dienen. Es ist “erfreulich, daß Präsident Schmitz in seiner Ansprache vor dem Währungsfonds die theoretisierenden Systemkonstrukteure auf den Boden dieser konkreten Aufgabe zurückholte:

„Bei allen Bemühungen um ein funktionsfähiges internationales Währungssystem dürfen wir nicht vergessen, daß es sich dabei nicht nur um die Aufrechterhaltung möglichst stabiler Außenwerte der Währungen handelt; für die Öffentlichkeit und für die Bevölkerung ist die Erhaltung eines möglichst stabilen Binnenwertes ihrer Währungen das, was letzten Endes wirklich zählt.“

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