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Das Ratespiel um den Biosprit

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Mit der Einführung des Katalysators ist auch in Österreich wieder die Diskussion um den Bisprit entflammt. Die Frage nach den Bauern als Energieproduzenten hat aber auch eine ethische Dimension.

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Mit der Einführung des Katalysators ist auch in Österreich wieder die Diskussion um den Bisprit entflammt. Die Frage nach den Bauern als Energieproduzenten hat aber auch eine ethische Dimension.

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Im Dezember des Vorjahres startete der österreichische Bauernbund eine Unterschriftenaktion zugunsten der Einführung von Biosprit.

Hervorstechendstes Argument dieser Initiative: Durch die Beimischung von Ethanol, wie dieser reine Alkohol aus Pflanzen in der Fachsprache heißt, im Ausmaß von fünf Prozent zum Benzin könnte der Schadstoffausstoß erheblich reduziert werden. Die Initiatoren stützen sich dabei auf bundesdeutsche bzw. US-amerikanische Untersuchungen und eine Studie der OECD zu diesem Thema. Diese bewiesen eine eindeutige umweltverbessernde Wirkung durch Zusatz von Biosprit.

Kein Verständnis zeigten dagegen die Experten der ÖMV, der staatlichen Mineralölfirma, für diese ökologische Brille.

Sie qualifizierten Biosprit als wirkungslosen Beitrag zum Umweltschutz ab. Zuletzt einen Tag vor der Regierungsklausur am 15. und 16. Jänner dieses Jahres, verbrämt mit entsprechenden Äußerungen seitens der Wissenschaft in Person von Hans-Peter Lenz, Professor an der Technischen Universität Wien. Zwar stimme das Argument der Schadstoffreduzierung, aber die Benzinmischung sei ohnehin optimal zusammengesetzt, die nötigen Sauerstoffträger entsprechend besetzt (siehe „Woraus unser Benzin besteht”).

Noch dazu bleibe das Benzin-Luft-Gemisch durch den geplanten Katalysator mit oder ohne Ethanol gleich und somit auch die verbleibenden Schadstoffe.

Argumente, die Bauernbunddirektor Alfred Fahrnberger auf die Barrikaden treiben. Kein Wort würde die ÖMV darüber verlieren, daß das heute verwendete Methanol (drei Prozent) als Sauerstoffträger gesundheitsschädliche Auswirkungen habe. Diese giftige Verbindung könne man jederzeit problemlos durch den ungefährlicheren reinen Alkohol ersetzen.

Neben der Umweltentlastung plädiert die Agrarwirtschaft noch für eine Reihe anderer bedenkenswerter Argumente, vor allem aus volkswirtschaftlicher Sicht:

• Mehr Unabhängigkeit auf dem Energiesektor: Der Verbrauch von Vergasertreibstoffen beträgt in Österreich derzeit rund 2,5 Millionen Tonnen jährlich. Mischt man die möglichen fünf Prozent „Biosprit” bei, könnten so 125.000 Tonnen Treibstoff im eigenen Land produziert werden.

• FürdieBauernergäbesicheine große Chance, den riesigen Getreideberg allmählich abzubauen, der immerhin bereits ein Export-Ausmaß von 180.000 Hektar bzw. 840.000 Tonnen erreicht hat. Mengen, die bereits mit Stützungen in Milliardenhöhe bedacht werden.

Diese Flächen könnten aus der Nahrungs- und Futtermittelproduktion herausgenommen und für den Anbau von Energiepflanzen verwendet werden. Andererseits könnten sich, meint die Agrarwirtschaft, die ausgelaugten Böden besser durch eine geänderte Fruchtfolge erholen.

Entsprechende Projekte stehen bereits zur Diskussion: Alkoholgewinnung aus Zuckerhirse, ein Recycling-Projekt von VÖEST und Steyrermühl, bei dem durch Altpapierverwertung, Müll- und Strohverbrennung die nötige Energie gewonnen wird sowie die Möglichkeit, den reinen Alkohol aus der Stärke minderwertiger Kartoffeln oder Mais und Getreide schlechterer Qualität zu erzeugen.

Die entsprechenden Berechnungen seitens des Bauernbundes ergaben dazu einen Benzinpreis zwischen zehn und dreizehn Schilling pro Liter auf Basis der heutigen Erzeugerpreise und unter Einbezug der noch zu bauenden Biosprit-Anlagen.

Letztendlich gibt es noch ein Argument, bei dem die Biochemiker ins Schwärmen geraten: Der Einstieg in die Biotechnologie wie beispielsweise die Gentechnik (Züchtung spezieller Pflanzen).

Die Gesellschaft für erneuerbare Energien - einem Interessens-forum von Agrarwirtschaft und Industrie — beziffert den erwarteten Umsatz bei diesen neuen Technologien in der Landwirtschaft, dem Rohstoff- und Umweltsektor mit rund 150 Milliarden Dollar.

Innovative österreichische Unternehmen könnten hier mitnaschen und sich in dieser Branche der Zukunft, wie ÖVP-Agrar-sprecher Josef Riegler erst kürzlich wieder feststellte, nicht mit der Rolle des Wasserträgers (wie in der Mikroelektronik) zufriedengeben.

Die endgültige Entscheidung ist aber letztlich wieder eine politische ...

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