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Das Ringen um Einfluß rund um den Globus

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Der Kampf der beiden Supermächte um Macht und Einfluß rund um den Globus hat viele Elemente. Eines davon ist die Stationierung von Truppen außerhalb der eigenen Landesgrenzen, die wir hier dokumentieren. Ein anderes ist die „Projektion der Macht“ durch die Kriegsmarine, das Streben nach Beherrschung der Weltmeere. Das freilich ist durch die moderne Waffentechnologie für alle Seemächte extrem schwierig geworden.

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Der Kampf der beiden Supermächte um Macht und Einfluß rund um den Globus hat viele Elemente. Eines davon ist die Stationierung von Truppen außerhalb der eigenen Landesgrenzen, die wir hier dokumentieren. Ein anderes ist die „Projektion der Macht“ durch die Kriegsmarine, das Streben nach Beherrschung der Weltmeere. Das freilich ist durch die moderne Waffentechnologie für alle Seemächte extrem schwierig geworden.

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Allgemein ist es wenig bekannt, daß die Sowjetarmee eine beträchtliche Zahl von Soldaten außerhalb des eigenen, sowjetischen Hoheitsgebietes stationiert hat.

Laut neuesten Angaben aus zuverlässigen westlichen militärischen Quellen befinden sich im osteuropäischen Vorfeld der Sowjetunion zur Zeit etwa 565.000

Soldaten. Dies sind, grob gerechnet, 31 Divisionen mit voller Kampfstärke.

Im einzelnen:

In Polen sind zwei Panzerdivisionen (40.000 Mann) stationiert; in Ungarn zwei Panzer- und zwei motorisierte Schützendivisionen (65.000 Mann); in der DDR neun Panzer- und zehn motorisierte Schützendivisionen (380.000 Mann); in der Tschechoslowakei zwei Panzer- und drei motorisierte Schützendivisionen (80.000 Mann).

Dazu kommen noch die zahlreichen Spezial-Truppen (Luftwaffe, Fliegerabwehr, Raketen-Ein- heiten usw.) und die diversen sowjetischen Stäbe, die man sowohl in den nationalen Ministerien, als auch bei den Truppenkommandos vorfinden kann.

In Rumänien befinden sich seit Ende der fünfziger Jahre keine sowjetischen Truppen. Alle Anstrengungen der Moskauer Führung, diese von Chruschtschow 1958 leichtsinnig verordnete Evakuierung der Roten Armee aus Rumänien rückgängig zu machen, scheiterten bislang an der Standhaftigkeit des eigensinnigen rumänischen Partei- und Staatschefs Nicolai Ceaucescu.

Es ist also eine Tatsache, daß außer einigen Hundert — von der rumänischen politischen Polizei gut überwachten — Sowjetoffizieren in Bukarest (die eigentlich den Stab der Warschauer-Pakt- Ocganisation im rumänischen Kriegsministerium bilden), keine Sowjettruppen im Lande vorzu- finden sind.

Wäs Bulgarien betrifft, sind dort hochoffiziell keine sowjetische Truppen stationiert. Man weiß jedoch, nicht zuletzt aus rumänischen Veröffentlichungen, daß seit 1981 größere sowjetische militärische „Ausbildungsstäbe“ in verschiedenen strategisch wichtigen Plätzen und Zentren — mit voller Unterstützung der Moskauhörigen Sofioter Regierung — im Lande tätig sind. Sie überwachen den Luftraum über Bulgarien und sind für die Rake- tenaüsbildung der bulgarischen Volksarmee verantwortlich. Nicht zuletzt sitzen sie auch in den größten Häfen des Landes, um den Schiffsverkehr zu überwachen.

Sowjetische Streitkräfte sind auch außerhalb Europas präsent. In Afghanistan finden sich 95.000 Mann. In Algerien sind 1.000 Sowjetsoldaten, und in Angola sollen etwa 250 Sowjetausbildner tätig sein. In der Volksrepublik Kongo bilden 350 Sowjetoffiziere die dortige Armee aus, in Athopien sind zur Zeit 1.400 Mitglieder der Sowjetarmee tätig.

Auch in anderen Teilen der Welt bemühen sich Sowjetexperten um eine Sowjetisierung der betreffenden nationalen Armeen. So verzeichnet man in Kambodscha 300, in Laos 500, in Lybien 2.000, in Mali 200, in Mauritanien 200, in Mocambique 300, in Nord

Jemen 500 und in Süd-Jemen 1.500 sowjetische Militärpersonen.

Als Kampftruppe und Ausbildner unterhält Moskau in Syrien, in Vietnam sowie in der Mongolei größere Militärkontingente. Laut neuesten Angaben des US-Ver- teidigungsministeriums befinden sich in Syrien 4.500 sowjetische Militärspezialisten, die vornehmlich für die SAM-5 Luftabwehrraketen als Bedienungs- und Uber- wachungsmannschaft eingesetzt sind.

Diese Waffen werden ausschließlich durch Sowjets bedient.

Was Vietnam betrifft, unterhält die Sowjetunion dort über 5.000 Mann eigenes Militärpersonal. Diese haben dreierlei Aufgaben: sie bilden die vietnamesische Armee an neuestem sowjetischen Kriegsgerät aus; sie betätigen sich an der Luftüberwachung des Landes, und sie sind auch als „Beobachter-Stäbe“ entlang der vietnamesisch-chinesischen Grenze tätig.

Die militärischen Beziehungen Moskau — Hanoi sind nicht immer reibungslos. Vietnam will sich nicht vollständig der Sowjetunion unterordnen. Die Saigoner Regierung fordert zwar immer mehr Militär- und Wirtschaftshilfe vom COMECON und will nach wie vor ihre Armee mit sowjetischer Kriegsausrüstung modernisieren. Sie ist jedoch nicht gewillt, den sowjetischen Seestreitkräften Marinestützpunkte im südlichen Teil des Landes zur Verfügung zu stellen.

Mit der Mongolei hat indessen Moskau keinerlei Probleme. Dieser Pufferstaat zwischen China und der Sowjetunion, der bereits in den zwanziger Jahren als die Erste Volksdemokratie sowjetischer Prägung ins Leben gerufen wurde, beherbergt seit Anfang der sechziger Jahren eine große sowjetische Militärgarnison. Neben drei Infanterie-Divisionen (32.000 Mann) ist die Sowjetarmee mit drei motorisierten Divisonen und anderen Sonder-Truppen präsent.

Insgesamt betrachtet kann man feststellen, daß die Sowjetarmee von den 4,3 bis 4,5 Millionen Soldaten, die sie ständig unter Waffen hält, eine Million Mann außerhalb des eigenen Landes in diversen Ländern mit diversen Aufgaben stationiert hat.

Es ist Nacht geworden und die Szenerie erinnert an einen Science Fiction-Film: Unten, am Flugdeck des atomgetriebenen 90.000-Tonnen-Flugzeugträgers „USS Dwight D. Eisenhower“, herrscht Emsigkeit wie auf einem Ameisenhaufen. Siebzehn-, achtzehnjährige Burschen, bekleidet mit violetten, roten, grünen, gelben oder braunen Jacken und Je-

ans, aufgesetzten Helmen mit Ohrschützern und einer Art Schibrille schwirren scheinbar ziellos auf dem riesenhaften schwimmenden Flugfeld herum.

Doch das Bild täuscht. Jeder dieser jungen Männer weiß genau was er zu tun hat, die verschiedenfarbigen Jacken zeigen jeweils die Funktion an, die er an Deck zu erfüllen hat.

Irgendwo im Mittelmeer zwischen Sizilien und Malta beginnt dann der „Zauber“: Nachtflug-Operationen. An vier Katapulten werden die verschiedenen Flugzeugtypen „weggeschossen“, E-2-Frühwarn-Flugzeuge, A-6- U-Bootjäger, A-7-Angriffsbom- ber. Dann spucken die Nachbrenner des F-14-Tomcat-Jägers meterlange Flammen in die Nacht, das Katapult löst sich, nach Sekunden sieht man nur noch zwei Feuerbälle, die allmählich im pechschwarzen Himmel verglühen.

Auch wer kein „Fan“ von Waffensystemen, von Militärtechnologie ist, wird zugeben: Der Ablauf des Geschehens auf diesen gigantischen Kriegsschiffen übt eine gewisse Faszination aus. Die Organisation, die Perfektion auf diesem 330 Meter langen, 80 Meter breiten Träger mit 6.000 Mann Besatzung, das zwischen 90 und 100 Flugzeugen an Bord hat, mit seinen zwei Atomreaktoren 13 Jahre lang auf den Weltmeeren herumdampfen kann, zwingt Respekt ab.

Zwölf Flugzeugträger, die zusammen mit Kampf- und Versorgungsschiffen jeweils Einsatzgruppen bilden, hat die US-Navy derzeit im Einsatz; zwei ältere Träger werden derzeit gründlich überholt, ein viertes Schiff der 90.000 Tonnen Nimitz-Klasse ist in Bau.

Noch während der sechziger Jahre hatten die amerikanischen Flugzeugträger im Rahmen der Nuklear-Strategie der „massiven Vergeltung“ vor allem eine Funktion: Im Falle eines sowjetischen Atomangriffs sollten ihre Flugzeuge von den Weltmeeren aus gegen die UdSSR starten und ihre tödliche atomare Last abwerfen.

Dann aber übernahmen die land- und seegestützten Interkontinentalraketen diese Funktion der Vergeltung. Den Trägern mußten neue Funktionen übertragen werden, nämlich Absicherung der Seewege, vor allem aber „Machtprojektion gegen die Küsten“; Erhöhung der Kampfkraft der eigenen und alliierten Truppen- an Land durch taktische Nuklearangriffe, Anlandemanöver, Luftangriffe auf Stützpunkte sowie militärische Demonstrationen in internationalen Krisen („Kanonenboot-Diplomatie“).

Mehr als die vorangegangen Administrationen setzt die Reagan-Regierung auf die militärische Präsenz der USA auf den Weltmeeren, auf das Prestige des Sternenbanners, aufgepflanzt auf imponierenden schwimmenden Machtsymbolen. Reagans Ziel ist es, die US-Navy auf eine 600- Schiffe-Flotte auszubauen, deren Rückgrat die Flugzeugträger bilden. Aber auch alte Schlachtschiffe wie die „New Jersey“ oder „Iowa“ wurden entmottet und, ausgerüstet mit modernen Marschflugkörper-Systemen, wieder auf die hohe See geschickt.

Doch die ganze Konzeption überlegener Seestreitkräfte, gestützt auf Flugzeugträger und entmottete Schlachtschiffe, stößt in den USA auf immer schärfere Kritik. Und spätestens seit den Erfahrungen des Falklandkrieges, wo eine 200.000-Dollar-Rake- te einen hundertmal teureren britischen Zerstörer versenkte, fühlen sich die Gegner der Großkampfschiffe voll bestätigt.

Sie argumentieren: Da große Uberwasser-Schiffe durch die modernen Raketen-Waffen sehr verwundbar sind, müßte in Zukunft mehr Vertrauen auf eine größere Anzahl kleinerer Schiffe gesetzt werden, die Luftabwehrsysteme der US-Navy verbessert und die Marine-Fliegerkräfte an Land verstärkt werden — so sah es jedenfalls auch der ehemalige US-Verteidigungsminister Harold Brown in einem Interview mit der FURCHE (Nr. 33/82).

Die Marineoffiziere an Bord der „USS Dwight D. Eisenhower“ freilich verwerfen ebenso wie ihre Vorgesetzten im US-Marinemini- sterium solche alternativen Navy-Konzeptionen:

Der Falklandkrieg habe die Rolle der großen Träger bestätigt und nicht in Frage gestellt. Denn keine argentinische Maschine wäre ihrer Ansicht nach in den Drei-Zo- nen-Verteidigungsbereich eines großen Trägers amerikanischer Provenienz eingedrungen. Dazu komme, daß die US-Flugzeugträ- ger auch die „physische“ Stärke (50.000 Tonnen Stahl sind etwa in der „Eisenhower“ verbaut) sowie die vorhandenen Schutzvorrich-. tungen hätten, um Treffer einstecken zu können.

Aber, argumentieren die Gegner der derzeitigen US-Marine-Poli- tik: Die Fähigkeiten der argentinischen Luft- und Seestreitkräfte sind nicht vergleichbar mit denen der sowjetischen Flotte und Luftwaffe. Denn wie kann sich eine Trägereinsatzgruppe gegen einen sowjetischen Angriff hundertprozentig schützen, der gleichzeitig mit Flugzeugen, Uberwasser- Schiffen und U-Booten erfolgen kann? Und der Schutz muß hundertprozentig sein. Denn wenn von 100 angreifenden, möglicherweise atombestückten Raketen, Marschflugkörpern und Torpedos auch nur ein einziges Stück die Verteidigungszonen durchdringt, ist ein Träger verloren.

Das ist denn auch die andere Seite der Medaille: Die „Machtprojektion“ der US-Navy durch Flugzeugträger hat auf sowjetischer Seite unter anderem dazu geführt, das Moskau seine „Rote Flotte“ zu einer gewaltigen Anti- Waffe gegen die amerikanischen Angriffsträger ausgebaut hat.

Aus den sowjetischen U-Boot- Werften laufen jährlich sechs bis acht nuklear angetriebene und drei bis vier konventionelle U- Boote vom Stapel; acht Großwerften für größere und mittlere Uberwasser-Kampfschiffe produzieren zwei bis drei Kreuzer und vier bis sechs Zerstörer pro Jahr; weitere Werften bauen kleinere Kampf- und Versorgungsschiffe.

Das eindrucksvollste neue sowjetische Uberwasser-Kampfschiff ist der 22.000 Tonnen schwere, nuklear angetriebene Kreuzer „Kirow“, der mit einer ganzen Kombination von Anti-Schiff-, Anti-U-Boot- und Luftabwehrraketen ausgestattet ist. Daneben haben die Sowjets mit der „Typhoon“ das bisher größte strategische U-Boot der Welt in Betrieb genommen und sind allem Anschein nach auch dabei, selbst ei-

nen mindestens 60.000-Tonnen schweren Flugzeugträger mit Katapultstart-Anlage zu bauen.

Eine besondere Gefahr geht nach Ansicht amerikanischer Marine-Experten darüber hinaus von den landgestützten sowjetischen „Backfire“-Bombern aus, deren Luft-Boden-„Kitchen“- Raketen eine Reichweite von knapp 500 Kilometern haben.

Die Bedrohung der amerikanischen Flugzeugträger durch die Rote Flotte und die sowjetischen Marineflieger also wächst zu Wasser, unter Wasser und aus der Luft — in einem kombinierten Angriff eine tödliche Bedrohung. Die „Träger-Admiräle“ aber, so die Kritiker über ihre Kontrahenten“, verteidigen ihr Waffensystem hartnäckig und sehen in den sowjetischen Anstrengungen, ebenfalls Katapultträger zu erwerben, eine Bestätigung ihrer Auffassung.

Doch daß die Sowjets offensichtlich ähnliches wie die Amerikaner in ihrer Marine-Politik im Sinne haben, entkräftet keineswegs das Argument der immer geringer werdenden „Uberle- bensfähigkeit“ von Uberwasserschiffen — eine Tatsache überdies, die den Sowjets wohl genausoviel Kopfzerbrechen machen muß wie den Amerikanern.

Das Argument der Superträger-Kritiker hat jedenfalls vieles für sich: die Fähigkeiten eines großen Trägers auf kleinere, billigere und damit zahlreichere Schiffe zu übertragen. Denn das gäbe den US-Marine-Strategen im Ernstfall mehr Flexibilät und würde den potentiellen Gegner die Zielplanung enorm erschweren.

Freilich, unter der Reagan-Administration wird sich das derzeitige Navy-Konzept kaum ändern. Denn zu ihrer „Politik der Stärke“ gegenüber der Sowjetunion paßt die neue Art der „Kanonenboot“- Diplomatie, des Flaggezeigens mit imposanten Großkampf schiffen auf allen Weltmeeren ganz einfach perfekt…

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