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Das Risiko einer brotlosen Intelligenz

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Im Grunde sei die Akademikerarbeitslosigkeit Ergebnis der volkswirtschaftlichen Lage, nicht zuletzt der ausländischen. Hermann Schnell, roter Wiener Stadtschulratspräsident und SP-Nationalrat kann im Bildungssystem, der Verwaltung und Administration keine Fehler finden, schon gar nicht im Grundsätzlichen linker Bildungspolitik.

Die Enquete „Maturanten, Akademiker - morgen arbeitslos?“, veranstaltet vom Mittelschülerkartellverband (MKV), förderte aber noch mehr zutage. Etwa den Gegensatz zwischen Schnell und Wissenschaftsminister Herfa Firnberg, für die Akademikerarbeitslosigkeit allein Latrinengerücht, böswillige Unterstellung ist.

Lösungsmöglichkeiten sahen freilich nur die zwei anderen Diskutanten des Podiumgesprächs vor den farbentragenden Studenten. VP-Landespar-teiobmann von Wien und schwarzer Wissenschaftssprecher Erhard Busek verlangte vorerst eine öffentliche Anerkennung des Problems, ein Umdenken in der Bevölkerung und gesetzliche Maßnahmen seitens des Ministeriums, zum Beispiel zur Verbesserung der Maturanten- und Studienberatung, die heute von drei der höchsten Verwaltungskörper gemeinsam mehr schlecht als recht betrieben werde. Friedrich Peter, freiheitlicher Bildungskämpfer aus Passion, wetterte vor allem gegen die Tendenzen zur Übernahme schwedischer Unterrichtsmodelle.

Der MKV präsentierte erneut interessantes Zahlenmaterial:

1974 hätten 18 Prozent des betroffenen Jahrganges die Matura abgelegt, nämlich 18.760 Schüler; davon 14.000 an einer AHS, 4760 an anderen Schulen. Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge würden 1980 etwa 27 Prozent eines Altersjahrganges zur Reifeprüfung antreten, nämlich 34.000 Schüler, davon 24.500 an einer AHS, 9500 in einem anderen Typ.

1974 betrug die Zahl der ordentlichen Hörer an den österreichischen Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen 61.200.1980 wird sich die Gesamthörerzahl bei 90.000 einpendeln; das heißt, daß 1974 9 Prozent und 1980 fast 14 Prozent des jeweiligen Altersjahrganges einem Hochschulstudium nachgehen.

Der Gesamtzuwachs an graduierten Akademikern betrug von 1960 bis 1970 etwa 30.000, die Zahl der erwerbstätigen Akademiker stieg im selben Zeitraum von 78.300 auf 87.200. Der geschätzte Zuwachs an Akademikern im Abschnitt 1970 bis 1980 wird ca. 50.000 betragen. Ein düsteres Bild also, das die Delegierten des Mittelschülerkartellverbandes malten, das aber angesichts der bundesdeutschen Situation nur allzu berechtigt erscheint. Ist es doch an einigen Universitäten Deutschlands nicht mehr möglich, etwa Medizin mit einem schlechteren Notendurchschnitt als 1,3 im Maturazeugnis zu studieren.

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